Anhimmeln und abwehren

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Knutschen in der Öffentlichkeit? Dass das nicht jedermanns Sache ist, muss Emma schmerzlich erfahren, als ihr neuer Freund keine Anstalten macht, ihr seine Liebe vor versammelter Menge zu demonstrieren. Der Streit lässt nicht auf sich warten. Ein Liebesbeweis seinerseits ist angebracht.

Ein bisschen enttäuscht ist Emma ja schon. So sagt sie das zumindest Thomas. Mir wird sie später erzählen, dass sie ihm am liebsten an die Gurgel gegangen wäre, ihm den Hintern versohlt und zum Teufel gejagt hätte. Schließlich hat er ihr den gesamten Auftritt vermasselt. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut, mit ihm durch die Stadt zu schlendern, alle drei Meter stehen zu bleiben und sich von ihm anhimmeln, abknutschen und beweihräuchern zu lassen, damit auch jeder sieht: Dieser Typ lebt nur für sie. Und was macht Thomas? Er nimmt sie noch nicht einmal bei der Hand. Er läuft neben ihr her wie ein Herrchen neben seinem Hund. Was Emma genaugenommen zum Hund macht. Deswegen ist Emma ein bisschen enttäuscht.

Thomas zuckt mit den Schultern. Er versteht nicht, dass Emma all ihre Freundinnen angerufen hat, um ihnen mitzuteilen, dass der schönste Mensch von ganz München seit einer Woche mit ihr zusammen ist. Er versteht auch nicht, dass sie das allen Menschen, ob sie diese kennt oder nicht, mit öffentlichen Liebesbekundungen unter die Nase reiben will. Er wehrt ab: Als sie nach seiner Hand greifen will, muss er sich durch die Haare fahren, als sie ihm ein Küsschen geben will, schaut er zufällig gerade in die andere Richtung. Natürlich mag er sie, aber wen geht das schon etwas an? Wenn er jetzt mit ihr schlafen wollte, wäre sie auch nicht begeistert, wenn er das gleich in der U-Bahn vor allen Leuten erledigen würde. Dabei möchte er ihnen doch nur zeigen, dass seine neue Freundin auch nackt der absolute Wahnsinn ist.

Emma versteht nicht, was er ihr sagen will. Sie stampft auf. Wenn es ihm zu peinlich sei, sich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen, dann könne er sich getrost einen neuen Hund suchen. Sie jedenfalls sei wirklich sehr, sehr enttäuscht. Beim wöchentlichen Brunch mit ihren Freundinnen erscheint sie allein. Niemand fragt nach. Dabei hatte sie die Show seit Tagen geplant; hatte sich ausgemalt, wie sie ihn vorstellen würde, wie er nur Augen für sie hätte. Stattdessen kaut sie enttäuscht auf einem Croissant herum. Plötzlich geht ein Raunen durch die Runde. Der Stuhl neben ihr wird zurückgezogen, Thomas hat allen einen Prosecco ausgegeben. Mit einem Lächeln zwinkert er Emma zu. Katharina würdigt er keines Blickes. Und alle haben es gesehen. Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.

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Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen – sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.