Liebenswerter Dummkopf

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Es hätte so ein schöner Tag für Hannah werden können. Morgens hatte sie die letzte Klausur des Jahres geschrieben, mittags war sie mit einer alten Bekannten essen – und abends traf sie ihren Freund, den sie zwei Wochen nicht gesehen hatte, weil er sich zum Lernen in seiner Studentenbude in Passau verschanzt hatte. Besser: Sie hätte ihn treffen sollen. Stattdessen steht Hannah seit zwei Stunden mit einer Marzipan-Lebkuchen-Torte am Münchner Hauptbahnhof und wartet. Korbi kommt nicht. Korbi geht auch nicht an sein Handy, während die Zeit verrinnt wie der Belag der Torte in ihrer Hand. Hannah, die sich die Wartezeit mit mehreren Tassen Glühwein verkürzt hat, wird langsam sauer. Die Torte läuft ihren Jackenärmel hinauf bis zum Ellbogen. Es reicht.

Wütend wirft sie den süßen Matsch in den nächsten Mülleimer und zieht ab (allerdings nicht, ohne noch einen Glühwein zu stürzen). Am Telefon lallt sie mir später zu, dass sie sich vielleicht doch auch irgendwie Sorgen mache. Das sei gar nicht seine Art, nicht ans Telefon zu gehen. Gerade will ich sie beruhigen, da schwingt ihre Stimmung schon wieder in Zorn um. Korbi hat ihr eine Nachricht geschickt: „Sorry. War in der Bib.“ Nichts weiter. Hannah kocht.

Drei Tage antwortet sie nicht. Er versucht in dieser Zeit nicht einmal, sie zu erreichen. Es wird sich herausstellen, dass er dachte, gesagt zu haben, er bleibe drei Wochen in Passau, nicht zwei. Hannah weiß: Das hat er nicht. Doch, wird er sagen, er glaubt, er sei sich ganz sicher gewesen, das gesagt zu haben. Hannah wird eine Beziehungspause empfehlen. Aus Rache. „Weißt du, entweder ist er ein Arsch, weil er sich einfach nicht meldet“, erklärt sie mir, „oder aber er ist total dumm, wenn er denkt, ich hätte es wissen müssen.“ Hannah will weder einen Arsch noch einen Dummkopf. Das klingt logisch.

Korbi ist traurig. So gedankenlos er in Passau war, so viele Gedanken schweifen jetzt zu Hannah, die sich nicht mehr bei ihm meldet. Dabei ist er extra zwei Tage früher aus Passau heimgekommen, um die Sache wieder hinzubekommen. „Sie kommt drüber weg“, versuche ich ihn zu trösten. Es stimmt. Hannah weiß, dass Korbi sie nicht mit Absicht versetzt hat. Das ist nicht seine Art. Korbi ist großartig. Er ist im Grunde also weder bösartig noch verblödet. Meistens jedenfalls nicht. Das reicht ihr vollkommen. Meistens.

Von Lisi Wasmer