Der Krieg in der Ukraine bereitet unserer Autorin Lea Sorgen. Deshalb wird sich ihre kommende Woche auch viel um dieses Thema drehen. Unter anderem geht sie zu einer Friedensdemonstration und einer Podiumsdiskussion. Abgesehen davon hat sie am Ende der Woche Geburtstag. ❤
Worte hinken den intensivsten Emotionen, die wir zu fühlen in der Lage sind, immer hinterher. Ich glaube, es gibt keine Sätze, die das Leid wirklich fassen können, das Menschen durchleben, wenn sie ihre Heimat verlassen müssen; oder wenn sie zurückbleiben und sehen, wie sie zerstört wird. Wenn Familien gezwungen werden, sich zu trennen oder Angehörige sterben. Vermutlich reihen sich auch deshalb seit dem 24. Februar überall Floskeln an Floskeln. Sprachlosigkeit in allen Bereichen. Ein Zustand, in dem auch ich mich momentan befinde. Stilles Scrollen durch Timelines hat andere Rituale ersetzt. Ich will nichts schreiben, was nicht ohnehin schon geschrieben wurde. Und ich will auch nichts anklagen, was nicht ohnehin schon angeklagt wurde. Und was ich vor allem nicht will, ist das Falsche schreiben und die Ignoranz der letzten acht Jahre weiter perpetuieren. Also habe ich mich in den letzten zwei Wochen dazu entschieden, anderweitig aktiv zu sein. Bin auf Demonstrationen gegangen oder habe bei Sammelstellen geholfen. Genau das Gleiche will ich in der kommenden Woche tun. Trotzdem will der Alltag natürlich bewältigt werden und wird aus Unternehmungen bestehen, die nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun haben. Das ist ja gerade das Ungerechte am Leben.
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber sobald die Sonne wieder rauskommt, bilde ich mir ein, ich sei passionierte Radfahrerin. Und weil mein Fahrrad kurz davor ist, unter mir zusammenzubrechen, will ich am Samstagvormittag mit einer Freundin auf die Suche nach einem Neuen gehen. Da ich mehr falle als fahre, soll es ein gebrauchtes Radl sein, weshalb ich hoffe, in der Veloterie in Haidhausen fündig zu werden. Danach fahren wir zum Odeonsplatz, wo von 12:30 bis 15 Uhr die Demonstration „Frieden für die Ukraine“ stattfindet.
Weil mein Frühstück seit zwei Wochen aus Cappuccino und Twitter-Kommentaren besteht, will ich am Sonntag mit zwei Freundinnen frühstücken gehen. In anderen Worten: Noch mehr Cappuccino, Gespräche und Cornetti. Da wir alle drei Gewohnheitstiere sind, gehen wir ins Morso. Allerdings nicht zu dem in der Nordendstraße, bei dem sich an sonnigen Tagen die halbe Maxvorstadt tummelt, sondern zu dem in der Elisabethstraße. Mehr Platz, weniger Abmustern, herzlicheres Personal.
Am Montag muss ich einen Artikel für das Kunstprojekt Lost Weekend Meets Young Art fertig schreiben, weshalb ich wohl den ganzen Tag am Küchentisch oder auf meinen Sofa verbringen werde. Um 18 Uhr bin ich aber mit einer Freundin verabredet, um zur Podiumsdiskussion „Krieg in Europa. Putins Angriff auf die Ukraine“ in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu gehen. Neben anderen wird die Politikwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Margareta Mommsen vortragen. Noch kann man sich anmelden und einen Livestream wird es auch geben.
Der Dienstag wird ein Bibtag sein. Ich halte im Sommersemester an der LMU ein Seminar und einen Lektürekurs, für die ich mich langsam vorbereiten möchte. Also werde ich vor allem zwischen Büchern sitzen und mich auf den Abend freuen. Da gehe ich nämlich mit einem Freund ins Residenztheater. Wir werden uns „URTEILE (REVISITED) – NACH DEM PROZESS“ ansehen. „Ein dokumentarisches Theaterprojekt über die Opfer des NSU von Christine Umpfenbach und Azar Mortazavi“, wie es auf der Website heißt. Im Dezember habe ich mir Umpfenbachs Stück „Das Oktoberfestattentat“ angesehen und war sehr begeistert, weshalb ich mich eigentlich jetzt schon auf diesen Abend freue.
Am Mittwoch werde ich ein Interview transkribieren müssen, weshalb der Tag ereignislos sein wird. Wenn es die Zeit zulässt, will ich mich jedoch als Helferin bei der noch relativ frisch gegründeten Initiative LMU students for Ukraine melden. Von einem Freund habe ich gehört, dass sie noch dringend Unterstützung brauchen. Deshalb hoffe ich, dass ich dazu nächste Woche Zeit finde.
Mein letzter Tag als 27-Jährige wird der Donnerstag sein. Vor der Junge-Leute-Konferenz am Abend werde ich also versuchen, genau diesen Umstand zu ignorieren. Eine Freundin hat mich dazu überredet, mit ihr am Mittag ins blackBike in Schwabing zu gehen: „Ausgleich“. Hilfe!
Und dann ist auch schon wieder Freitag und ich werde 28. Bin ratloser als im letzten Jahr. Habe mehr Fragen als Antworten. Und bin noch immer öfter unsicher als sicher. Dafür aber vielleicht dankbarer. Für die Privilegien beispielsweise, die es mir ermöglichen, diese Woche so zu gestalten, wie ich es möchte. Während viele schon wieder vom Vergessen schreiben, versuche ich mit aller Macht das Bewusstsein aufrechtzuerhalten, dass es, um die Worte Franziska Grillmeiers zu bemühen, kein „fremdes Leid“ gibt. „Nur eines, das einem glücklicherweise noch nicht erfahrbar wurde.“
Von Lea Mohr