Band des Jahres

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Welche Bands fallen in München auf? Von welcher Band wird man in Zukunft garantiert hören? Jeden Montag stellen wir an dieser Stelle die “Band der Woche” vor. Zehn Bands von ihnen haben wir nun für die Wahl zur “Band des Jahres” ausgewählt.

Uns entgeht so gut wie nichts. Wir schauen regelmäßig bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei. Wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet. Von daher wissen wir, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft garantiert hören wird – nachzulesen jeden Montag in unserer Rubrik „Band der Woche“.

Wir gehen jetzt noch einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands, die in diesem Jahr „Band der Woche“ waren, ausgewählt und ins Rennen geschickt zur Wahl zur „Band des Jahres“. Die Abstimmung läuft bis zum 15. Januar, 12 Uhr,  auf unserer Facebook-Seite. Hier die zehn Bands im Überblick:

Dicht & Ergreifend
Hip-Hop

Dicht & Ergreifend sind Rapper und ihre Musik ist Hip-Hop: Beats, Hooks und Sprechgesang. Nur eben mit einer etwas eigenen Färbung. Mundart-Pop ist nichts Neues – nur haben Dicht & Ergreifend eben das Konzept Volkstümlichkeit auf die Beats ausgeweitet. Das Akkordeon vermischt Balkan-Melancholie mit Stub’n-Musi-Gemütlichkeit, die Tuba drückt genauso wie der Bass eines Synthesizers. 

Ella Josaline
Singer-Songwriter-Folk

Ella Josaline ist vielleicht die größte Pophoffnung, die München derzeit zu bieten hat. Sie ist gerade einmal 16 Jahre alt, große Plattenfirmen haben schon Kontakt mit ihr aufgenommen. Ella hat eine besondere Stimme, die sie vor allem besonders einzusetzen weiß, um Lebensgefühle bei ihren Zuhörern auszulösen.

Fatoni
Hip-Hop

Fatoni setzt noch einmal alles auf eine Karte, fürs Musik-Machen. Auf seiner aktuellen Platte „Yo-Picasso“ macht er alles andere als Wohlfühl-Pop: Horror und Spaß, Selbsterkenntnis und Größenwahn. Und das ist so verführend, wie es lange keine deutsche Pop-Produktion mehr war – und gibt gleichzeitig der Popmusik gesellschaftspolitische Relevanz zurück.

Kytes
Indie-Pop

Sie drehten die Bandgeschichte auf Anfang: neue Ambitionen, neues Konzept, ein neuer Style und ein neuer Name – nur die Besetzung blieb die alte. Und das ist auch gut, immerhin greifen die Jungs von Kytes auf das eingespielte Vertrauen einer lange existenten Band zurück; etwas, das nicht künstlich reproduzierbar ist. Und so schallt ihr groovender Indie-Pop durch die Kopfhörer der Großstadt-Popper. 

Matthew Austin
Akustik / Blues / Folk

Matthew Austin kommt ursprünglich aus Manchester, mittlerweile hat es den Singer-Songwriter nach München verschlagen. Seine Musik: sanfte Pickings an einer halbakustischen Gitarre, bluesige Harmonien, und eine weiche Stimme darauf, ab und an kommt eine Mundharmonika dazu. Das ähnelt eher Bob Dylan in seinen Folk-Phasen – nach dem Klischee britischer Musik klingt das zum Glück nicht.

Monday Tramps
Brit-Rock

Die Musik der Monday Tramps vereint ziemlich viel von dem, was die alternativ angehauchte britische Popmusik so hervorgebracht hatte: der mehrstimmige Gesang der Beatles, die Coolness des Brit-Pops und die Jugendlichkeit der Arctic Monkeys. Die klischeehafte Liebes-Lyrik hat die Band mittlerweile aufgegeben.


Taiga Trece
Hip-Hop

„Die Straße liebt mich“, rappt Taiga Trece. Da sie sich anders als die Aggro-Berlin-Version des deutschen Gangster-Raps nicht auf grauen Berliner-Proll-Alltag bezieht, sondern auf Mexiko, ist auch die Musik ein wenig bunter, ein wenig gewitzter und ein wenig leichter geraten. Kinderchöre treffen auf Soul-Refrains, harte Rap-Strophen auf Neunzigerjahre-Synthies.


The King Of Cons
Folk/Neo-Soul

Franko van Lankeren, The King of Cons, vertraut auf gut gemachte Popmusik. In einer Zeit, in der wild zusammengestückelt und collagiert wird, sticht er heraus. Neuerdings trifft sein Folk auf Elektro-Soul und R’ n’ B. Mit Kopfstimme singt er nun zu E-Gitarre über das satte Beat-Bett.

Sara Lugo
Reggae

Der Reggae-Pop von Sara Lugo ist weder wirklich innovativ noch versucht sie, angesagte musikalische Stile einzubauen. Dennoch haben Videos von ihr die Millionen-Grenze bei Youtube überschritten. Sara Lugo gibt der Pop-Welt ein lange nicht mehr gesehenes Gutmenschentum zurück.

Zoo Escape
Punkrock / Pop

Zoo Escape hat alles zu bieten, was man für zeitgenössische Rebellionsmusik benötigt: mitreißende Melodik und Energie. Dazu beherrschen sie das Spiel mit Symbolen und verwandeln dadurch ihren Pop-Cocktail zum Punkrock.

Rita Argauer, Michael Bremmer

Band der Woche: Zoo Escape

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Die Münchner Band Zoo Escape hat alles zu bieten, was das Popherz begehrt: Mitreißende Melodik und Energie, die richtig verteilt wird, so dass der Hörer an den gewollten Stellen, nämlich wenn es zum Refrain hingeht, mitgrölt und im besten Fall zu hüpfen anfängt. Dazu beherrschen sie das Spiel mit Symbolen und verwandeln dadurch ihren Pop-Cocktail zum Punkrock.

Symbole sind out. Sie haben ihre Bedeutungskraft im Pop verloren. Schlicht, weil es zu viele wurden. In den Sechziger- und Siebzigerjahren war das noch anders. Während die Hippies die Peace-Flaggen schwenkten, präferierten die Punks knapp zehn Jahre später sämtliche Polit-Insignien: Die Dead Kennedys bauten aus den Initialen des Bandnamens ein Logo zusammen, das irgendwo zwischen kommunistischer Aufbruchspartei und dem Alpha-Omega-Look der Osterkerzen lag, die Sex Pistols traten selten ohne irgendeine Form des Union Jack auf und Rage Against the Machine schmückten sich seit jeher mit dem Sozialisten-Stern. Doch klar, dass all das nicht mehr viel bedeutet, allerspätestens seit Pop-Sternchen wie Madonna in den Neunzigern die Symbole der Punks als Zeichen des Widerstands übernahmen, um ihre glattgebügelte Version von Popmusik mit ein wenig Subversion zu schmücken. Seitdem ist kaum mehr ein Symbol ernsthaft zu gebrauchen in der Popwelt.

Außer in einer Bewegung, die von Kunstwissenschaftlern gerne als Hypersymbolisierung beschrieben wird. Also wenn zu viele Symbole benutzt werden, die sich gar gegenseitig widersprechen, aber trotzdem nicht ironisch wirken, sondern eigentlich zu ernst genommen werden. Die slowenische Band Laibach ist dafür das vielleicht konsequenteste Beispiel. Auch dafür, dass Symbole nicht immer nur in Zeichen- oder Logoform vorliegen müssen: So war der größte Akt des Hypersymbolismus in der Popmusik in letzter Zeit wohl der Auftritt Laibachs in Nordkorea. Doch auch die Münchner Band Zoo Escape (Foto: John Steam) spielt ein gekonntes Verwirrspiel mit Symbolen. Auch wenn das bei dieser Punk-Rock-Band noch ein wenig leichter wirkt als bei Laibach. Das mag aber vielleicht auch an der Musik liegen. Denn die ist bei Zoo Escape, die gerade ihr erstes Album auf einem größeren Label mit Vertrieb herausgebracht haben, eigentlich all das, was das Popherz begehrt. Mitreißende Melodik und Energie, die richtig verteilt wird, so dass der Hörer an den gewollten Stellen, nämlich wenn es zum Refrain hingeht, mitgrölt und im besten Fall zu hüpfen anfängt. Oder zu Pogen. Denn: Durch das geschickte Spiel mit Symbolen wird dieser Pop-Cocktail zum Punkrock. Und das liegt nicht nur an den verzerrten Gitarren, die spätestens seit den Libertines und den Strokes im Pop salonfähig sind. Doch Zoo Escape beziehen sich auf Seventies-Punk und wissen den ziemlich perfekt in Szene zu setzen, ohne sich selbst dabei zu ernst zu nehmen. Das beginnt doch wieder beim Logo der Band: Hammer und Sichel, was will der Agit-Prop-Popper mehr, doch der Hammer weicht bei Zoo Escape einem Martini-Glas. Das Cover-Artwork des Albums „Apart from Love“ zeigt dann auch ein im Polit-Pop nicht unbekanntes Symbol: In körnigem Raster-Druck wird darauf auf den sozialistischen Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker verwiesen – allerdings knutschen bei Zoo Escape Brecht und Adorno. Und das Auftreten der Musiker könnte von Vivienne Westwood nicht schöner designt sein, inklusive der Künstlernamen, die in bester Relation zu Johnny Rotten und Sid Vicious stehen.

Und in der Musik, deren Pop-Songwriting eben auch schön als treibender Punk verkleidet ist, wird hinter „Hey“- und „Oi“-Rufen über Montage geklagt (schon fast ein wiederkehrender Aphorismus der Pop-Musik). Doch was den Reiz von Zoo Escape so stark macht, dass die gealterte britische Punk-Legende TV Smith vergangene Woche eigens aus London zum Release-Konzert von Zoo Escape anreiste, um deren Support zu spielen, sind genau diese intelligent verschachtelten Hinweise auf die Pop-Vergangenheit und das Geschick, daraus eine zeitgenössische Rebellionsmusik zu schmieden. 

Stil: Punkrock / Pop

Besetzung: Marc Villon (Gesang),
David Bizarre (Gitarre, Backgroundgesang), Truc Trouve (Bass), Luc
Batteur (Schlagzeug), Gregor Clochard (Gitarre, Backgroundgesang)

Aus: München

Seit: 2009

Internet: www.zooescape.bandcamp.com

Rita Argauer

Foto: 

John Steam