Draußen in der Stadt

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Benjamin Beyer lebt ungewöhnlich. Mitten im Norden der Stadt lebt der 26-Jährige in einem Bus. Die Nähe zu der Natur sei ihm wichtig, aber auf die Vorteile einer Stadt möchte er deshalb trotzdem nicht verzichten. Nur beim Flirten verschweigt er seinen Wohnstil.

Ein Trampelpfad führt zu einem Tor aus Bambusstäben. Links und rechts stehen meterhohe Brennnesseln. Dahinter verbirgt sich das Zuhause von Benjamin Beyer – eine Art Campingplatz mit fünf Bussen mitten in einem Park im Norden der Stadt. Eine schwarz-weiß gefleckte Katze springt schnurrend von dem bunten Sofa, auf dem Blumenkissen verteilt sind. Mit einem Rascheln macht dahinter ein Igel auf sich aufmerksam, der auf der selbstgebauten Veranda gerade versucht, unter den Wagen zu schlüpfen. In einer Ecke stapelt sich Brennholz, in der andern hängt eine Hängematte zwischen den Bäumen – das ist das Wohnzimmer des 26-Jährigen.

Ein Systemaussteiger? Ein Hippie? Oder ist Benjamin ein Weltverbesserer, der mit seiner Art zu leben gegen die hohen Mietpreise in München protestieren will? Das Geld, das in München für eine Wohnung verlangt wird, sei unverschämt hoch, sagt Benjamin – doch in seiner Stimme hört man keine Verärgerung, eher Gleichgültigkeit. Mehr als andere junge Menschen engagiert er sich auch nicht gegen Wuchermietpreise hier in der Stadt. Sein Interesse gilt viel mehr Bussen, vor allem VW-Oldtimern.

Schon als Kind entwickelte er eine Leidenschaft für Kleinbusse. Aufgewachsen ist er in einer kleinen Wohnung in Karlsruhe, doch im Sommer reisten seine Mutter und er in einem blauen VW-Bus durch Europa. Und jetzt hat er die Vorzüge des Urlaubs auch auf seinen Alltag übertragen, die Möglichkeit, die Vorteile von Stadt und Natur zu verbinden: „Dass ich einem Bus wohne, macht mich aber nicht zu einem andere Menschen“, sagt Benjamin.

Wie ein Dauercamper sieht Benjamin jedenfalls nicht aus. Sportlich, mit schlichten Print-Shirt und kurzen Hosen unterscheidet er sich nicht von anderen jungen Münchnern. Er wirkt mit seinem markanten Irokesen-Haarschnitt weniger wie ein Naturbursche. Aber eben auch nicht wie ein Großstadt-Hipster.

Die Ausstattung und Einrichtung im Bus unterscheiden sich auch nur geringfügig von einem normalen Studentenzimmer. Auf seinem Bett liegt ein Laptop, Musikinstrumente sind im ganzen Wohnbereich verteilt – zudem ist eine Küchenleiste mit Spülbecken und fließendem Wasser sowie einer Gaskochstelle vorhanden. Die Decke des Busses ist recht niedrig, sein Irokesen-Schnitt streift daran. Vor dem Wohnbus hängen ein weißer Bademantel sowie einige Kleidungsstücke zum Trocknen. Luxus auf dem Wagenplatz? Eine Dusche mit Warmwasser, Strom und W-LAN sind für Benjamin selbstverständlich. Eine Waschmaschine fehlt, doch der Weg zu dem nächsten Waschsalon sei eh nicht weit, sagt er.

Auch Benjamins Alltag und Berufsleben ist nicht so außergewöhnlich wie die Form des Wohnens. Er arbeitet als selbständiger Messebauer – und verdient dabei nicht schlecht, sagt er. Gut genug jedenfalls, um sich ein WG-Zimmer, das ihm für 600 Euro angeboten worden ist, leisten zu können – er lehnte allerdings die Offerte ab.
In Wohnungen fühlt sich Benjamin schnell beklommen und eingeengt. Mit seinem Gehalt konnte er sich allerdings seinen Kindheitstraum erfüllen: Er kaufte sich einen blauen Ford-Transit-Bus.

Selbst, wenn er eine Wohnung kostenlos zur Verfügung hätte, würde er seinen Bus und seine ungewöhnliche Wohnform nicht aufgeben. „Hier habe ich eine ganz andere Ruhe als in der Stadt. Wenn ich in meiner Hängematte liege, höre ich zum Beispiel das Zwitschern der Vögel in den Bäumen. Überall sonst in der Stadt hast du nur das Rauschen der Autos, das ständige Gehupe und die Sirenen der Krankenwägen“, sagt Benjamin. Aber auf dem Land, direkt in der Natur zu wohnen, sei auch nichts für ihn, da sei zu wenig los.

Ein Leben im Bus – das entspricht nicht unbedingt den konservativen Ordnungsvorstellungen der Allgemeinheit. Es sei halt ein bisschen „Gypsy-Style“, sagt Benjamin.

Obwohl es in seinem Umfeld noch keine negativen Bemerkungen zu seiner Lebensform gegeben hat, gibt es Momente, in denen sich Benjamin nicht traut, die Wahrheit über sein Leben im Grünen preiszugeben. Wenn er etwa eine hübsche Frau in einer Bar anspricht, versucht er manchmal die Wohnungsfrage hinauszuzögern.

Foto: Stefan Loeber

Stefanie Witterauf