Eine Show mit vielen Höhepunkten

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Beim Festival „Sound Of Munich Now“ feiert sich die Szene – und zeigt, wie spannend Musik in München sein kann.

Die Mieten für Proberäume sind hoch. Die Zahl möglicher Spielstätten sind überschaubar. Aber Musik möchten sie trotzdem machen. Sie müssen Musik machen, Musik, um damit Menschen zu erreichen. „Wir haben dieselben Ziele, wir kommen nur von unterschiedlichen Orten“, sagt Adrian Lo, Singer-Songwriter aus Hongkong. Zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals „Sound Of Munich Now“, das das Feierwerk und die Süddeutsche Zeitung seit nunmehr neun Jahren veranstalten, stehen – neben 31 Bands aus München, Erlangen und Traunstein sowie 14 VJs und DJs – zwei internationale Bands auf der Bühne und präsentieren zuvor in einer Gesprächsrunde, was den Sound Of Hongkong prägt, welche Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten Musiker dort haben.

Im Backstagebereich sitzen am Samstagnachmittag Musiker von TFVSJS und Ni Sala zusammen und tauschen sich aus, am Sonntag jammen sie sogar gemeinsam im Proberaum. Der Singer-Songwriter Adrian Lo holt sich Tipps von Cornelia Breinbauer, Sängerin von Tiger Tiger. Ganz angetan ist Adrian Lo von der kulturellen und musikalischen Diversität Münchens, die er tagsüber bei Spaziergängen und jetzt natürlich auf der Veranstaltung wahrnimmt. Er merkt an, dass es am Ende ja nicht um gutes Marketing ginge. „Wenn Menschen deine Musik mögen, dann mögen sie deine Musik“, sagt er und verweist auf die Traunsteiner Band Heischneida, die mit Bläsersatz in feinster Ska-Manier und bayerischem Dialekt das Publikum in der Kranhalle zum Hüpfen bringt.

Ähnliches ist auch nebenan im Hansa 39 zu beobachten. Hier eröffnet der Münchner Kneipenchor unter Leitung von Jens Junker die Münchner Bühne, zum ersten Mal live unterstützt von der Trommelgruppe „Drummer Dama“. Mit Bier in der Hand und einem beeindruckenden Sousaphon im Rücken zeigen die gut 50 Sänger, dass selbst Paul Kalkbrenners Technohymne „Sky and Sand“ nicht vor ihnen sicher ist – das Publikum tobt. „Das Tolle an diesem Festival ist die außergewöhnlich schöne Stimmung. So viele Bands treffen sich – zum Kennenlernen, austauschen, Spaß haben und das Genre unabhängig“, sagt Julia Viechtl, vormals selbst Musikerin bei der Band Fertig, los! und nun bei der Fachstelle Pop dafür zuständig, dass aufstrebende junge Musiker die Förderung erfahren, die sie brauchen. „Pop kommt ja nicht von populär, sondern von popular“, sagt sie, „man muss sich deshalb vergegenwärtigen, was diese Musik alles leistet. Sie ist so nah dran an den Menschen, setzt sich mit der Gesellschaft auseinander.“

Wie nah die Musik beim Sound Of Munich Now tatsächlich an den Menschen ist, offenbart sich schon bald und zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Um 20.40 Uhr versammeln sich ungewöhnlich viele Leute vor dem Festivaleingang, freiwillig strömen sie hinaus in die Kälte und stehen bibbernd dicht aneinander gedrückt – mit breitem Grinsen im Gesicht. Ein unerwarteter Höhepunkt hat sich soeben ergeben, keiner möchte es verpassen: Der Münchner Kneipenchor stimmt noch einmal zur Spontaneinlage an, in Reih und Glied aufgestellt, doch anders als zuvor auf der Konzertbühne diesmal in dicke Daunenjacken verpackt und mit bunten Mützen auf den Köpfen. Es schallt „Bologna“ der Wiener Band Wanda durch die Nacht und alle singen mit, natürlich auch das Publikum.

Der Abend ist dort angekommen, wo er hinwollte: in einem gemütlichen und fröhlichen Beisammensein, das die Musik feiert. Das zeigt sich in vielen kleinen und besonderen Momenten. Zum Beispiel, wenn Marie Bothmer, aufstrebender Stern am Pop-Himmel, ihr Set umstellt, so angetan ist sie von der Stimmung im Raum. Statt des vorgesehen melancholischen Songs spielt sie ein Cover, „Toxic“ von Britney Spears. Oder wenn das Publikum hartnäckig eine Zugabe von Swango fordert, weil es so begeistert ist von der besonderen Mischung aus Rap und Stepptanz-Percussion – schon beim Soundcheck sind unzählige Handyvideos gedreht worden, die vielleicht gerade in China viral gehen. Oder wenn Sportfreunde Stiller-Manager Marc Liebscher beim Auftritt von Todeskommando Atomsturm sein Liebe für Punkrock entdeckt.

Währenddessen versammeln sich mehr und mehr Musikliebhaber, um noch eines der begehrten Festivalbändchen zu ergattern, die Schlange vor dem Einlass wird immer länger. Für viele ist es das erste Mal auf dieser Veranstaltung, so wie bei Michael. Obwohl er bereits seit drei Jahren in München lebt, hat er es noch nicht zum „Sound Of Munich Now“ geschafft. Er ist wegen Rey Lenon gekommen. Auch Michael ist Musiker, teilt sich einen Proberaum mit Blue Haze und der Lischkapelle. Auch sie stehen an diesem Abend auf der Bühne. „Ich finde das Angebot toll, ich wollte mir ein Bild davon machen“, sagt er. Lange hat er in Regensburg Musik gemacht, jetzt stellt er mit Blick auf München fest: „Die Vernetzungsmöglichkeiten sind da, wenn man sie wahrnimmt.“

Kilian Unger alias Liann kann nur zustimmen: „Wenn du oft genug spielst, kommst du mit den Leuten in Kontakt.“ Doch von dem Ziel, einmal von der Musik leben zu können, ist er noch weit entfernt und deshalb auf Leute angewiesen, die ihn professionell unterstützen, ohne „viel Geld zu kriegen“. Warum sie das machen? „Weil sie’s feiern und mich einfach gut finden.“ Die Szene ist ja da in München, sie ist offen und lebendig.

Auch am Abend zuvor, beim Sound Of Munich Now Electronica, kann man das feststellen. Untermalt von stimmigen, bunten Visuals, immer passend auf die Musik zugeschnitten, ist die Kranhalle voll mit Tanzwütigen, die zu Sets von Sam Goku oder COEO feiern. Die Electronica-Künstler tun sich mit der Stadt da sogar etwas leichter, auf teure Proberäume sind sie nicht angewiesen, um ihre Musik zu produzieren. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Doch eines wird deutlich: Junge Musiker, ob Bands oder DJs auf Leute angewiesen, die an sie glauben und sie über bis an die eigene Schmerzgrenze unterstützen. Weil sie Musik lieben. In München. In Hongkong. Überall.

Das Konzert zum Nachhören gibt es unter sz.de/somn17 und hier alle Eindrücke in einer Bildergalerie.

Text: Yvonne Gross

Foto: Johannes Simon

München und mehr

Ein erster Ausblick auf das „Sound Of Munich Now“-Festival im Herbst – diesmal mit drei weiteren Städte-Bühnen.

München – Sicherlich, München ist nicht Berlin, aber das Festival „Sound of Munich Now“ ist ein Beweis dafür, dass München den Vergleich mit der Bundeshauptstadt auch gar nicht nötig hat, denn die Stadt im Süden hat einen völlig eigenen Klang und einiges zu bieten, was Musik und Innovation, Erfolg und Kreativität anbelangt. 153 unterschiedliche Münchner Bands haben bei diesem Festival bereits gespielt – und dieses Jahr bei der neunten Auflage kommen 21 weitere dazu. 174 Münchner Bands, alleine diese Zahl ist schon beachtlich – das Festival bringt in diesem Jahr aber noch weitere Überraschungen. Hier ein erster Ausblick auf das Festival, das seit neun Jahren das Feierwerk und die Süddeutsche Zeitung veranstalten.

Zwei Abende lang wird wieder der Frage nachgegangen, wie München klingt. Jetzt. Im Jahr 2017. Die Prämisse für diese Frage ist dabei zum neunten Mal die gleiche, und zwar in Form der Regel, dass keine der auftretenden Bands zuvor schon einmal auf diesem Festival gespielt haben darf. Der Kunst oder der Musik Regeln setzen zu wollen, könnte als paradox bezeichnet werden, allerdings kann diese Voraussetzung zum einen als gewisser Stolz interpretiert werden, auf das, was musikalisch so passiert in der bayerischen Hauptstadt. Zum anderen steht sie jedoch auch für eine Messlatte und den Anspruch der Veranstalter. Denn die Folge ist ja logischerweise, dass im Vorfeld des Festivals jedes Jahr aufs Neue um die 20 Münchner Bands gefunden werden müssen, die vielversprechend, divers und gut genug sind, um die Hansa 39 zu füllen und dann auch die Zuhörer für jeweils 15 Minuten unterhalten zu können.

In den vergangenen Jahren standen mittlerweile etablierte und erfolgreiche Künstler wie Occupanther, Me & Marie, Jesper Munk und Die Sauna auf dem „Sound of Munich Now“ noch ganz am Anfang ihrer musikalischen Karriere. Auch 2017 verspricht spannend zu werden, für alle mit Interesse an der jungen Münchner Bandszene. Aber auch für den, der einfach nur ein Wochenende lang frische Musik hören will, ist das Feierwerk am 10. und 11. November sicherlich die richtige Adresse, denn der Klang von München ist nach wie vor einiges: bunt, abenteuerlich, innovativ, laut, leise, gefühlvoll, ironisch, deutsch, englisch und vieles mehr.

Vielversprechend und erfolgreich, und damit vielleicht so etwas wie ein zugegebenermaßen sehr poppiges Aushängeschild ist dieses Jahr Marie Bothmer. Die 21-jährige Singer-Songwriterin steuerte den Song „Es braucht Zeit“ zum Soundtrack von Cros Film „Unsere Zeit ist jetzt“ bei, der auf Spotify mittlerweile beinahe eine Millionen Mal gehört wurde. Interessant ist, dass Marie Bothmer nur die Spitze des diesjährigen Trends zu sein scheint, vermehrt in deutscher Sprache zu singen. Sowohl der noch jüngere Paul Kowol, 20, als auch Körner und Liann tun das. In gewisser AnnenMayKantereit-Tradition handeln die Lieder dieser jungen Menschen von Liebe, Enttäuschung, Herausforderungen und vor allem den kleinen Dingen, die vielleicht banal erscheinen, den Alltag zugleich aber irgendwie bemerkenswert machen. „Wenn du willst, dann ist es heute noch fast gestern und bis morgen muss noch ganz viel Zeit vergehen“, singt etwa Liann. Das ist große Songwriter-Kunst, ohne auf die Tränendrüse zu drücken.

Auf Englisch – logischerweise, weil das seine Muttersprache ist – aber ebenso authentisch und ehrlich tritt Jordan Prince auf, während Lux & Tom Doolie & Cap Kendricks oder auch Grasime völlig andere Töne anschlagen und damit zeigen, dass München auch Platz hat für innovativen Hip-Hop, der auf Plattitüden verzichtet und stattdessen auf nachdenkliche, durchaus kritische Texte, hypnotische Samples, Basslinien und Drumloops setzt. Wieder sehr anders, sehr punkig und laut wird es mit Lester, rockig, bluesig hingegen mit Ni Sala und treibend poppig mit Matija und fast schon sphärisch mit Tiger Tiger und Blue Haze – an sich verspricht jede der 21 Bands, der Höhepunkt des Abends zu sein.

Auch in diesem Jahr bekommt der „Sound of Munich Now Electronica“ eine Bühne. DJ und Blogger Moritz Butschek hat folgende Electro-Künstler für das Festival ausgewählt: Am Freitagabend spielen COEO, Lena Bart, Muun, Sam Goku, Natanael Megersa und An Wii. Moritz Butschek selbst wird am Samstag bei der Aftershow-Party auflegen.

In München ist man allerdings auch bereit, über den eigenen Tellerrand und die eigenen Stadtgrenzen hinauszublicken. Nachdem es im vergangenen Jahr zum ersten Mal einen „Sound of Regensburg Now” sowie einen „Sound of Augsburg Now” gab, werden 2017 die Städte Erlangen (zum Beispiel mit Angiz mit schnellen, mitreißenden Melodien und ironischen Texten) und Traunstein (etwa mit dem verträumt langsamen, elektronischen Indie-Sound von Allaendnorth) vertreten sein.

Völlig neu ist der Ablauf des ersten Abends: auf dem Festival werden erstmals internationale Bands beim „Sound Of Hongkong Now“ vertreten sein.
Sowohl TFVSJS als auch Adrian Lo kommen aus China angereist. Bei TFVSJS handelt es sich um eine fünfköpfige, instrumentelle Postrockband, deren Mitglieder nicht nur Meister ihrer Instrumente, sondern faszinierender Beats, Melodien und Rhythmen sind. Der Musiker und Filmemacher Adrian Lo komponiert eher melancholische, aber musikalisch vielschichtige Stücke, die zum Träumen und Nachdenken anregen. 

Text: Theresa Parstorfer

Collage: Dennis Schmidt

Ein Abend mit: Nikolaus Wolf

Wenn’s um‘s Feiern geht, ist Michi Rieder mit seiner Heimatstadt Traunstein sehr zufrieden. Früher das Atomic Café  und heute seine Konzerte sind es jedoch, die ihn hin und wieder nach München verschlagen.

Name: Michi Rieder, als Musiker Nikolaus Wolf
Alter: 32
Beruf:
Musiker/AV-Journalist
Internetseite:
www.nikolauswolf.de ,http://www.oimomusic.de/artist/nikolauswolf/

Hier beginnt mein Abend:
Meistens privat bei Freunden oder bei mir.

Danach geht’s ins/zu:
Zu anderen Freunden privat, auf Konzerte (oft kleinere Locations), oder in kleine Pubs/Bars.

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil:
Hab ich mir abgewöhnt. Keine Lust an Diskussion.

Mit dabei ist immer:
Gerne mal Tequila (braun mit Orange).

An der Bar bestelle ich am liebsten:
Helles, Mojito, Maracujaschorle.

Mein Lieblingsgesprächsthema:
Musik (Platten, Songs, Aufnahmetechniken), Fussball, Reiseberichte.

Der Song darf auf keinen Fall fehlen:
Street Fighting Man – Rolling Stones.

Mein Tanzstil in drei Worten:
Mausig, wurschtig, belanglos.

Der Spruch zieht immer:
„Ois Chicago“.

Meine dümmste Tat im Suff war:
Mit drei Freunden aus Versehen in einer bereits geschlossenen Bar eingesperrt zu werden, dann dort den Barkeeper zu spielen, um am Ende den uns ertappenden Hausmeister versuchen zu erklären, dass wir ja von einem Hotelgast von oben drüber eingeladen wurden, der aber nicht mehr aufzufinden sei. Natürlich ohne Erfolg und gekrönt von einem Symposium mit den Sheriffs.

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt’s im/bei:
Café Schaumburger, ist aber bei mir in der Heimat in Traunstein.

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach:
Atomic Café (München), Cafe Tres (Traunstein).

Foto: Nikolaus Wolf