Das wird groß. Sehr groß

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Musikfans haben Anfang Novemer ein Festival in ihrem Kalender dick unterstrichen: das Sound-Of-Munich-Now-Festival, veranstaltet vom Feierwerk und der Süddeutschen Zeitung. Auch dieses Jahr werden wieder 40 unterschiedliche Künstler auf der Bühne stehen – und doch ist etwas neu: Erstmals wird auch der “Sound Of Augsburg Now” und der “Sound Of Regensburg Now” präsentiert.

 Von Theresa Parstorfer

Der
Sound der Stadt ist immer frisch, immer neu und immer hörenswert – und das hat
sich auch im achten Jahr des Festivals „Sound Of Munich Now“ nicht geändert.
Seit 2009 haben es sich die Süddeutsche Zeitung und das Feierwerk zur Aufgabe
gemacht, der Vielfalt der Münchner Bandszene nachzuspüren und auch neue Musiker zu entdecken. 131
unterschiedliche Münchner Bands haben seitdem auf dem „Sound Of Munich Now“
gespielt – und heuer kommen einige Neuentdeckungen dazu. Das Line-up strotzt
vor neuen Gesichter, wird aber auch dieses Jahr unterstützt von mittlerweile –
zumindest lokal – bekannten Größen.

Während
Les Millionnaires mit Retro-Charme und Hipster-Schick und Nick And The
Roundabouts
mit melancholischen Liebesliedern zuvor auch schon in anderen
Bandkonstellationen mit Musik made in Munich überzeugen konnten, stehen Nick
Yume
und Die Sauna gerade erst am Anfang einer sehr vielversprechenden
Musikkarriere. Nick Yume hat Mitte August Rihanna in Bukarest supportet, 
sein Remake des Songs „Allein, Allein“ von Polarkreis 18 wurde allein im ersten
Monat 210000 Mal gestreamt. Die sechs jungen Männer von Die Sauna wiederum
schafften es ins Finale des Sprungbrettwettbewerbs und machen bei Konzerten
ihrem Namen alle Ehre, indem sie das Publikum gehörig zum Schwitzen bringen –
mit Musik, die voller Kraft, Ehrlichkeit und Innovation steckt. The Sound of
Munich Now ist also auch dieses Jahr wieder am Puls der Zeit – und wer Künstler
gesehen haben will, von denen im kommenden Jahr bestimmt noch die Rede sein
wird, der ist am 4. und 5. November im Feierwerk mit Sicherheit richtig.

Das Festival „Sound
of Munich now“ ist „eine gute Plattform für den Austausch der Münchner Szene“ –
so lautete das Presseurteil nach der Auftaktveranstaltung im Herbst 2009. Und
das gilt auch heute noch. Oder wie hieß es in der SZ so schön über das
Festival: „Das ist das Schöne an Sound of Munich now, das Sich-Kennen und Kennenlernen,
egal ob Musiker oder Zuhörer. Wer wegen einer bestimmten Band kommt, geht
garantiert mit der Musik einer Neuentdeckung im Kopf nach Hause, wer sich
spontan in eine Sängerin verliebt, kann diese nach ihrem Auftritt noch an der
Bar treffen.“

Dass
man sich in der Landeshauptstadt aber auch dafür interessiert, was anderswo im
Freistaat passiert, wird mit “The Sound of Regensburg Now” und “The Sound of
Augsburg Now” gezeigt. Zum ersten Mal werden Bands aus nicht minder schönen
Städten auftreten. Aus
Augsburg reist beispielweise We Destroy Disco an – natürlich wollen die fünf
jungen Männer nicht den Club demolieren. Vielmehr bringen sie melancholische
Songs in die Weltschmerzstadt mit Herz. King The Fu (ebenfalls aus Augsburg)
dagegen spielen sehr melodiösen Elektro-Pop, mit einer starken Stimme, die auch
in nachdenklichen, akustischen Balladen überzeugen kann. 

Cato
Janko
aus Regensburg präsentieren live geschnitzte Loops, Gitarrenmelodien und
schöne Texte, die mal zerbrechlich klingen und dann wieder Lust aufs Tanzen machen und fröhlich in der Dunkelheit leuchten. Wie viel Liebe und Mühe und Zeit die Musiker
von containerhead in ihre Songs legen, sieht man nicht nur an einigen
Überlängen (8 Minuten!), sondern auch an den kunstvoll arrangierten Melodien,
aus Klavier, Gitarre, Loops, Synthesizern, die manchmal Minutenlang einen
Teppich aus Klang weben, in dem immer wieder neue Facetten entdeckt werden
können.

Diese,
und noch viele andere Künstler aus Augsburg und Regensburg werden am 5.
November 45-Minuten-Sets vorstellen können, während der Sound of Munich wie
auch in den vergangenen Jahren im 15-Minuten-Takt versetzt auf zwei Bühnen
präsentiert werden wird.

Zum
Sound Of Munich Now gehört natürlich auch die Club-Musik. Münchens Szene für
elektronische Tanzmusik hat sich nach Pionieren wie Giorgio Moroder oder DJ
Hell maßgeblich weiterentwickelt. Heute muss sich München im Vergleich zu
anderen Städten sicherlich nicht verstecken. Der Abend „Sound of Munich now
Electronica“ präsentiert die vielzähligen Spielarten: zwischen House, Techno,
Drum and Bass und Ambient-Klängen deckt das Festival die bunte Szene ab, die
München momentan repräsentiert. Zu hören sein wird beispielsweise der
junge Münchner Leon Weber, der sich LCWA nennt und mittlerweile mehr als 74000
Likes auf Facebook vorzuweisen hat. Der junge Künstler, der mittlerweile von
Sony unter Vertrag genommen wurde, wird zeigen, dass es auch in München den
Zeitgeist aus geremixten Akkustiksongs mit Deep-House Einflüssen a la Alle
Farben
und Robin Schulz gibt.

Hier das Programm im Überblick:

Freitag, 4. November, Kranhalle, Sound Of Munich Now Electronica, Einlass/Beginn 22 Uhr:
jean blanc, Arta Narini, Marcella, Pech & Schwefel, Shime, Essika, Mindsight und LCAW

Samstag, 5. November, Orangehouse, Sound Of Augsburg Now, Einlass 18 Uhr / Beginn 19 Uhr:  Endlich Blüte, King the Fu, Maybellene, SAN Antonio KID, WE DESTROY DISCO,
YAWL

Samstag, 5. November, Kranhalle, Sound Of Regensburg Now,
Einlass 18 Uhr / Beginn 19 Uhr:

Cat Stash, CATO JANKO, containerhead, Desmond Myers, short story sports

Samstag, 5. November, H 39, Sound Of Munich Now,
Einlass 18 Uhr / Beginn 19 Uhr:

Antun Opic, Bavarian Blast, Claire Jul, Die Sauna, Emmi King, Future Days, Gaddafi Gals, GrGr, Julia Kautz, Les Millionnaires, Lisaholic, Matthew Austin, mola, Monaco F, MURENA MURENA, Nick & The Roundabouts, Nick Yume,  Pour Elise, Rapid, The Irrigators, Tom Wu

Der Eintritt ist frei. Daher wird mit mehr Gästen gerechnet als Platz haben – von daher gilt: früh kommen!

Archiv-Foto vom Festival 2015: Käthe deKoe

Fünfmal große Gefühle, einmal Schoko

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Die Label-Night von Redwinetunes auf dem diesjährigen Sound
of Munich Now stand ganz im Zeichen von gefühlvoller Folk- oder Indiemusik, vorgetragen
in zahllosen unterschiedlichen Facetten.

Schon der Anfang war denkwürdig: Der junge Singer und- Songwriter
Paul Kowol, der eben erst mit der
Schule fertig geworden ist, spielte auf der Bühne, als würde er seit Jahrzehnten
nichts anderes tun. Und nach dem ersten Lied und einigen charmanten
Begrüßungsworten hatte er die Herzen des Publikums bereits im Sturm
erobert. In einem knapp halbstündigen Auftritt spielte er neben einigen
englischen Liedern auch (fast) zum ersten Mal Lieder auf Deutsch. Und er freute
sich nach dem Auftritt sehr, dass auch die deutschen Lieder beim Publikum so gut
ankamen, vielleicht sogar besser als die englischen…

In deutscher Sprache ging es dann auch weiter, als die Band Wendekind, um den musikalischen
Tausendsassa Benjamin Süß, das Publikum mit ihrer poetisch-nachdenklichen Musik
in den Bann zog. Bereits als die Musiker den ersten Akkord anschlugen, nahmen
sich Pärchen wie instinktiv in den Arm, ja der ganze Raum rückte merklich
zusammen: Wendekind schufen nach kürzester Zeit eine intensiv-intime
Atmosphäre. Auch die Band selbst, die natürlich insbesondere Bassist und
Geburtstags-Wendekind Matthias Grabichler feierte, war nach dem packenden
Auftritt im Orangehouse noch sichtlich euphorisiert – und dürfte als Belohnung
wohl einige neue Fans gewonnen haben.

Anschließend kam es wieder zu einem Stilwechsel, als Triska, das Musikprojekt um Heidi
Triska und redwinetunes-Mitgründer Gerald Huber, die Zuschauer mit ihrer
zart-sanften Musik verzauberten. In einer Mischung aus Folk und Pop-Elementen –
garniert mit einer großen Prise Melancholie, aber auch Lebensfreude – ließen
die Musiker das Publikum das Hier-und-jetzt vergessen und für die Dauer des
Auftritts in ihren Träumen schwelgen. Auch die Musiker selbst genossen den
Auftritt beim Sound of Munich Now sichtlich und hoben besonders die Stimmung
hervor, die für sie mehr als nur ein Festival ist: eher ein Treffen unter
(Musik-)Freunden.

Mit aufrichtiger, intensiver Folkmusik begeisterten auch Nick and the Roundabouts das Publikum
im bis zum Platzen gefüllten Orangehouse.
Es war wohl niemand im Raum, den die Texte von Songwriter Nick Sauter
nicht berührten, zum Nachdenken anregten. Oder auch zum Tanzen! Denn Nick and
the Roundabouts schafften es, ihr Publikum auf vielen Ebenen zu erreichen. Und
auch zum Abschluss trafen die Musiker den richtigen Ton: Der Refrain ihres
letzten Liedes „Just Go“ sprach vielen Zuschauern in dem Moment aus dem Herzen:
Don’t leave me…

Mit The Marble Man nahm
daraufhin eine feste Größe der Münchner Musikszene das Mikro in die Hand.
Obwohl der Begriff abgegriffen erscheint, so muss doch von „mitreißend“
gesprochen werden, wenn man die Musik der Band um Sänger Josef Wirnshofer
beschreiben will. Der gesamte Raum ging in den melancholisch-mächtigen Klängen
der Band auf. Die Gäste lauschten fasziniert Wirnshofers ein wenig an Michael
Stipe erinnernder Stimme. Auch für The Marble Man selbst war es ein besonderer
Auftritt, wird sich die Band jetzt doch bis auf weiteres von der Konzertbühne
zurückziehen, um an einer neuen Platte zu arbeiten. Wer gestern nicht da war
hat also eine letzte, großartige Chance verpasst.

Nach sehr vielen schönen, meist ruhigen und melancholischen
Bands betraten zum Abschluss des Abends noch Schoko & Band die Bühne. Die Band des ehemaligen
Jamaram-Trompeters Sebastian Kölbl, animierte das Publikum durch eine frech-spritzige Mischung aus Reggae
und Pop zum Mittanzen.  Die zahlreichen
Zuhörer, die bis zum Schluss des Abends im Orangehouse geblieben waren, wurden
mit einer feurigen Darbietung belohnt, die ein letztes Mal an dem Abend alle
Alltagssorgen vergessen ließ und zum Träumen von Freiheit und Südsee verführte.
Philipp Kreiter

Foto: Jeanmarc Turmes, http://www.jeanmarcturmes.com/

Megafon und Akkordeon

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Einmal querbeet durch die Musikwelt: Das Label Gutfeeling hat
beim Sound of Munich now Singer-Songwriter, bayerische Volksmusik und Punk-Rock
auf eine Bühne gebracht.

Das Münchner Label Gutfeeling
lockte die Gäste der siebten Ausgabe des Sound of Munich Now mit einem
bunten Musiker-Mix in die Kranhalle des Feierwerks. Fünf sehr verschiedene Acts
wurden den Zuschauern an diesem Samstagabend vorgestellt – es war jedoch genau
diese musikalische Heterogenität, die den Abend mit den Gutfeeling-Bands
so unterhaltsam machte.

Eingeleitet wurde die
Konzertreihe von G.Rag & Landlergeschwister – ein überwiegend aus
Blechbläsern bestehender Trupp, der mit seiner Mischung aus bayrischer
Volksmusik, Blues und Country die Leute dazu verleitete, das Tanzbein zu
schwingen. Sowohl Publikum als auch Musiker
hatten sichtlich Freude am Auftritt. Interessanterweise wurde nicht durch ein
Mikro-, sondern ein Megafon gesungen. Der Gesang hätte – dank der körnigen
Qualität – gut auf eine antike Blues-Platte gepasst.

Obwohl seitens des Publikums
lautstark verlangt, blieb keine Zeit für eine Zugabe: Es ging Schlag auf Schlag
und der nächste Musiker, Fred Raspail, war der Beweis dafür, dass sich
ein Singer-Songwriter nicht auf Gitarre, Mundharmonika und Stimme beschränken
muss, um authentische Folk Musik zu machen. Man könnte den Franzosen am besten
als eine ‘One-Man-Show’ beschreiben – zusätzlich zu Gitarre und Mundharmonika, hatte
er zwei Trommeln dabei, die er mit den Füßen bediente. Die daraus
resultierenden „dreckigen französischen Folk Songs“, wie Raspail seine
Musik selbst beschreibt, ermunterten das  Publikum
dazu, zu singen, zu tanzen, zu lachen und bis zum Ende seiner Show begeistert
Beifall zu klatschen.

Weiter ging’s mit dem nächsten Highlights
des Abends: G.Rag / Zelig Implosion war wohl eine der skurrilsten Bands,
die im Rahmen des Sound of Munich Now je aufgetreten sind. Das Duo,
bestehend aus einem Gitarristen und einem Drummer, verbindet treibende
Punk-Rock Rhythmen mit gemäßigteren Abschnitten, die sehr stark an repetitive
(doch keinesfalls monotone!) Spoken Word Musik erinnern. Diese Amalgamation, von der Band liebevoll „No Wave Mambo
straight aus München“ getauft, schien zu polarisieren: dir Kranhalle war nur
ungefähr zur Hälfte gefüllt, doch die Leute, die dem Spektakel beiwohnten,
waren hellauf begeistert.

Die vorletzte Band des Abends, Leonie
Singt,
stand ihrem Vorgänger musikalisch fast diametral entgegen: An die
Stelle von lauten, verzerrten Gitarrensounds traten jetzt Kontrabass und
Akkordeon. Das Publikum beobachtete gebannt die Sängerin, als sie zusammen mit
ihrer Band die introspektiven Texte mit melancholischer Instrumentation
ummantelte. Die kontemplative Stimmung, die von der Musik ausgestrahlt wurde,
schwappte auf das Publikum über. Anstatt zu tanzen, setzten sich einige
Besucher vor der Bühne auf den Boden, um zu konzentriert zu lauschen. Vielleicht
die beste Art, diese Musik zu genießen.

Trans Love Energy ist eine
Band, die seit 15 Jahren nicht mehr gemeinsam auf der Bühne stand. Dieses
Jahr ließen sie jedoch die Gutfeeling Label Night mit einer Mischung aus
Ska, Emo und Punk ausklingen. Den Musikern machte es sichtlich Spaß wieder vereint
auf einer Bühne zu stehen, und mit dem Publikum zu interagieren – auch wenn die
Luftsprünge des Gitarristen wohl nicht mehr so hoch waren, wie noch vor 15
Jahren, die Energie, die von dem Ensemble ausging, war
ungebändigt. In der Kranhalle gab es jedenfalls keinen, der nicht tanzte. Die Band
wurde ihrem energiegeladenen Namen gerecht: An Stillstand war nicht zu denken!

Die Gutfeeling Label Night ging
mit einem Schwall Applaus zu Ende. Die Bandbreite und vor allem die Qualität
der Musik, die den Besuchern präsentiert wurde, waren erstaunlich. Das
Feierwerk entließ die Gäste mit einem Lächeln. Und mit der Vorfreude auf die
nächste Ausgabe des Sound of Munich Now im kommenden Jahr. Nicholas O‘Connell

Foto: Jeanmarc Turmes, http://www.jeanmarcturmes.com/

Und jährlich grüßt das Trüffelschwein

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Feierwerk goes Alpenpop: Bei der Sound-of-Munich-now-Labelnight von Alpinrecords treten Mundartmusiker ins Rampenlicht. Das Ergebnis ist frech und überraschend mitreißend.

Das
Münchner Label Alpinrecords schreibt es sich auf die Fahnen, bayerische
Mundart-Musiker unter Vertrag zu nehmen. Beim Sound of Munich Now könne man
jedes Jahr „wie ein Trüffelschwein“ Ausschau halten nach jungen,
vielversprechenden Künstlern und Zeuge der musikalischen Vielfalt werden, meint
Patrick Oginski, Gründer von Alpinrecords.

Als
Auftakt geht Otto Schellinger auf die Bühne. Er singt tatsächlich nicht auf
Bayerisch, sein sphäriger Jazz bleibt Hochdeutsch und bietet damit noch eine
kleine Verschnaufpause, bevor es losgeht in den Wald aus Blechbläsern und
Dialekt. Mathias Kellner, der gelernte Schreiner aus Niederbayern, der vor
beinahe acht Jahren mit seiner ersten Single „Bees in my head“ einen
Überraschungshit in den deutschen Charts landete, ist an diesem Abend der
etablierteste Künstler. Mittlerweile singt auch er auf Bayerisch und findet,
dass es sich in diesem Dialekt ähnlich gut wie auf Englisch texten lässt, weil
„Bayerisch sehr viel weicher ist. Hochdeutsch wirkt oft hart und distanziert.
Deshalb singen vielleicht auch so viele deutsche Künstler auf Englisch.“

Die
Alpinrecords Labelshow, die den Auftakt zum mittlerweile siebten Sound of
Munich Now darstellt, hält er für eine schöne Veranstaltung, da Mundart-Musiker
ihr Licht „lange Zeit unter den Scheffel gestellt“ hätten, jetzt erst langsam
Selbstbewusstsein zurückerlangen und wieder mehr in der Musikszene mitmischen
würden. „Hier kann man ganz viel Inspiration mitnehmen, wenn man so viele
unterschiedliche Auftritte in so kurzer Zeit miterlebt. Vielleicht denkt sich
der ein oder andere junge Mensch im Publikum: das ist ja super, das will ich
auch machen“, sagt Kellner.

Wie
vielfältig das Genre „Alpenpop“ sein kann, verdeutlicht der Abend mit
Sicherheit: Nicht nur Blasmusik und schnell gesungene, freche Texte wie von den
Kinihasn oder Deschowieda, sondern auch melancholisch, sehnsuchtsvolle Melodien
und ergreifende, an Balkan-Beats erinnernde Lieder funktionieren auf Bayerisch.
Das zeigt die Band BLANK, deren Frontmann Harry Blank, Darsteller in der
Vorabendserie „Dahoam ist dahoam“, von sich behauptet, das „bayerische Chanson“
erfunden zu haben. Auch wenn sich seine Band bisher rarmacht in den sozialen
Netzwerken, reißt die Musik sofort mit und lässt neugierig werden auf das für
April geplante Debut-Album.

Um 22
Uhr werden nebenan in der Kranhalle die Plattenteller freigegeben. 12 DJs
zeigen in fliegendem Wechsel ihr Können und schon nach einer halben Stunde ist
die Tanzfläche gut behüpft. Für die Besucher heißt das: von den Blechbixn rüber
zum Avantgarde-Electro. Das geht nur beim Sound of Munich now. Da lacht das
Trüffelschwein. Theresa Parstorfer

Fotos: © Käthe deKoe

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Kool und Kaotisch – eine Reise durch die Electronica-Nacht

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Das Feierwerk ist für viele Münchner eine
der wichtigsten Anlaufstellen für Musik der härteren Gangart. Doch am Freitag tönten
elektronische Beats aus der Kranhalle. Künstler wie Kool&Kabul und Stefanie Raschke bringen alle zum Tanzen. Das kann nur eines bedeuten: Electronica-Abend
beim Sound of Munich Now Festival. Hier die Geschehnisse des Abends in der
Nachlese.
 

Um Punkt 22 Uhr läuten
die AutoBoys die lange Nacht der elektronischen
Musik ein. Das Münchner Duo spielt House, in dem sich leichte Lounge-Einflüsse
mit pumpenden Beats zu einer durchaus tanzbaren Symbiose verbinden. Zu Beginn
der Show befinden sich bloß ein paar verstreute Menschentrauben auf der
Tanzfläche; nach und nach tröpfeln dann aber immer mehr Leute, die zuvor wohl
bei der Sound-of-Munich-now-Labelshow von Alpinrecords und Südpolmusic waren,
in die abgedunkelte Kranhalle. Dementsprechend ist der Saal schon voll, als die
Uhr elf schlägt. Parallel zur Anzahl der Konzertbesucher steigt quasi per
Naturgesetz auch die Tanzbereitschaft, sodass sich immer mehr Leute im Einklang
mit den hypnotischen Klängen bewegen. Nebel flutet die Halle und lässt sie im
Lichte der Videoprojektionen zu weich umrissenen Schemen werden. 

Auf die AutoBoys folgt Alma Gold. Ihre Musik besticht
durch gelegentlich aufblitzende, introvertierte Momente, in denen der treibende,
aber sehr komplex arrangierte Deep-House-Beat einem gehauchten Klavier das Feld
überlässt und Raum zum Atmen schafft. Alma Gold entdeckte in den 90er Jahren
dank Michael Jackson, Prince und Konsorten die elektronische Musik für sich.
Das lässt sich noch heute aus den melodiösen Gesangslinien, aufsteigenden
Melodien im Hintergrund und trotz ihrer Variationsfreudigkeit gut tanzbaren
Rhythmen durchaus heraushören. 

Mitternacht nähert sich, und damit auch der Auftritt von Stefanie Raschke. Sie
begeistert mit Ausflügen in Ambientlandschaften, die sie aus in wechselnder
Geschwindigkeit oszillierenden Synthpads formt. Eine sehr sympathische
Performance, sie hat sichtlich Freude am elektronischen Spiel. Dementsprechend erreicht
auch die Stimmung im Publikum  in diesem Augenblick einen Höhepunkt: Anfeuernde
Rufe und ausgelassenes Tanzen sind ein untrügliches Zeichen.

Kommen wir gleich zu einem weiteren Highlight des Abends: die
Visuals, zusammengestellt von den VJs HeiligenblutCamelion und N/IV
& Pixolux
. Sie verwandeln das Konzerterlebnis stellenweise in ein
regelrecht synästhetisches Erlebnis. Betritt man die Kranhalle, fallen einem
sofort drei Installationen ins Auge: die zwei großen Leinwände, der riesige
weiße Ball, der in der Mitte des Saals über den Gästen schwebt – und nicht zuletzt
eine  abstrakte, an dekonstruktivistische Architektur erinnernde Skulptur, von dem Künstler WØRKFLØW.
Allesamt dienen sie als Projektionsflächen für die Beamer der VJs. So formen
sie zusammen ein faszinierendes Kaleidoskop, das sich im Takt der Musik bewegt.
Bei jedem Künstler ändern sich die Visuals. Bei Alma Gold beispielsweise
schweben blaue Lippen, die geradewegs aus der Anfangssequenz der Rocky Horror Picture Show zu stammen scheinen, über die schwarzen
Leinwände. Regenbogenfarbene Möbiusschleifen hypnotisieren die Zuschauer bei
Stefanie Raschke. Dieses Hin- und Herschwanken zwischen figurativen und
abstrakten Elementen durchzieht dabei die gesamte Videoshow. Sehr einfallsreich
sind auch die Projektionen auf dem weißen Ball; eine auf ihn projizierte Iris
lässt ihn wie einen riesigen Augapfel wirken, während im nächsten Moment ein
surrealistischer Ring über ihn zieht. 

Hutenberger, der gegen 1 Uhr auf Stefanie Raschke
folgt, bringt die Menge mit seiner minimalistischen, für Clubs geeigneten
Electronica dann endgültig zum Ausflippen. Da kann wirklich niemand mehr
stillstehen. Hutenberger, der auch ein eigenes Label betreibt, beschreibt seine
Musik als „story-telling techno for adults“. Das Auf- und Abschwellen, der mit
filigranen Melodien garnierten Tracks, sorgt auf jeden Fall für tanzbare Musik. 

Als Benna die Bühne betritt, haben sich die
Zuschauerreihen bereits etwas gelichtet; nichtsdestotrotz ist die Stimmung
unter den Ausharrenden fabelhaft. Dazu trägt auch Bennas Deep House bei, seine
Musik fällt durch besonders ausgeprägte, perkussive Elemente auf. Auf seiner
Soundcloud-Seite schreibt Benna, der bereits seit 2008 eigene Songs
veröffentlicht, dass einer Legende zufolge einmal eine Raverin bei einem seiner
Konzerte regelrecht „geschmolzen“ sei — das erklärt dann auch die zahlreichen
Pfützen auf der Tanzfläche.

Die Abmischung der Musik darf man trotz gelegentlich
übersteuernder Bässe übrigens auch getrost als gelungen bezeichnen — dazu ist
sie auch nicht zu laut. Das ebnet den Weg für absurd wirkende Gespräche unter
den Besuchern: Es gäbe zu „wenig Nihilisten“. Na ja.

Kool
& Kabul
, der Benna nachrückt, vertreibt jede Müdigkeit, die sich im Laufe
der Nacht angesammelt haben könnte mit den spannenden, sphärischen Elementen in
seinem Techno. Es wird warm in der Kranhalle. Ein Gast hat das wohl vorhergesehen
und trägt einen Strohhut zur äußerst anmutigen, mit Leopardenfellmuster
verzierten Hose. Allgemein sind die Konzertgäste erfreulich vielfältig:
Obligatorische Turnbeutelträger und auch einige Menschen, die man sonst eher
auf Hardcore-Konzerten trifft, tanzen da im Einklang mit älteren
Semestern. 

Den Abschluss des Abends
liefern Moritz Butschek mit
sehr eingängigem EDM und Maxim
von Terntieff
 mit entspanntem
House. Dann sind alle müde. Es ist sechs Uhr. Und eine skurrile Nacht ist zu Ende
gegangen. In einem Jahr wird der Wahnsinn weitergehen. Mit allen
Regenbögen, Pfützen und pumpenden Beats. Maxime Weber

Fotos: © Käthe deKoe

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Klassentreffen

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Das Festival „Sound of Munich now“ feiert München so groß wie noch nie: In drei Hallen beweisen Singer-Songwriter, Hip-Hopper DJs und Indie-Rocker, wie lebendig ihre Szenen sind. Der Andrang ist groß – ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird (Fotos: Johannes Simon).

Manchmal erinnert das Festival „Sound of Munich now“ an ein Klassentreffen: Es sind bekannte Gesichter, die hier zusammen kommen. Einige der Musiker sind zu Freunden geworden, andere beobachten sich lieber aus der Ferne. Was sie sich wohl zu erzählen haben werden? Wer wird überraschen, mehr aus sich gemacht haben als gedacht? Wer ist der ruhige Typ mit traurigen Geschichten? Und wer die hippe Göre mit lässigen Sprüchen? Ebendiese Ungewissheit prägt das Gefühl vom „Sound of Munich now“. Es ist das Festival, bei dem sich die Leute treffen, die eines vereint: Sie alle wollen gute Musik machen und diese Stadt zum Klingen bringen. Und sie alle wissen nicht genau, was sie erwartet. Denn: Die mittlerweile zwei Abende im Feierwerk bringen zusammen, was in München selten zusammentrifft. DJs, die im Harry Klein auflegen, Singer-Songwriter, die vom Liebesleid erzählen, Hip-Hopper, die sich in Jazz verliebt haben, und Freunde schmutziger Rock-Klänge, die handgemachte Musik schätzen und alles Elektronische ablehnen.

Das Schöne: Dieses Musiker-Klassentreffen wird ausschließlich von Menschen organisiert, die es gut meinen – mit der Stadt und mit der Musik. Und die München einen Abend schenken wollen, an dem die Bandbreite der urbanen Musikszene deutlich wird. Denn was nach Vereinheitlichung klingt, ist eigentlich die Suche nach dem, was sich in München entwickelt – auf ganz unterschiedlichen Wegen und in ebenso verschiedene Richtungen. Das verspricht Moderator und Organisator Michael Bremmer von der Süddeutschen Zeitung schon vor dem ersten Auftritt: „Wir suchen hier keine Münchner Schule, keinen einheitlichen Sound, sondern das Bunte in dieser Stadt.“

 Ein Abend reicht den Veranstaltern, dem Feierwerk und der Süddeutschen Zeitung, für diese Bestandsaufnahme nicht mehr aus. Hinzugefügt wurde schon im vergangenen Jahr der „Sound of Munich now Electronica“, ein Abend für die elektronischen Klänge also, die sonst eher die Münchner Sonnenstraße erfüllen. Längst überfällig, meint Peter Fleming, Booker vom Harry Klein: „Ich habe mich ganz oft bei Kultur-Veranstaltern beschwert, weil die elektronische Musik vergessen wird.“ Fleming hat das Gefühl, „die anderen Szenen denken, unsere Leute hätten genug Aufmerksamkeit, weil wir viele Clubs haben und dort präsent sind“. Vielleicht bräuchten da Bands mehr Hilfe, sagt er. „Aber es ist für DJs auch toll, der Mutter sagen zu können: Schau, ich mache etwas Anständiges. Da geht es nicht nur ums Feiern und Trinken, die Musik hat einen Wert.“

Acht Formationen hat Peter Fleming für diesen Abend ausgewählt – und auch er will dabei nicht einen Sound herausfiltern, sondern Vielfalt innerhalb des Genres zulassen: Von Jim Fletch, die mittlerweile fast wieder mehr Band als DJs sind, über Casimir mit klassischen House-Klängen bis zu Drum ’n’ Bass von Tigra & Micromassive. Im Hintergrund: die Projektionen der Visual-Künstler, mal Kreisel mit wechselnden Farben, dann wieder brechende Wellen.

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Jim Fletch

Die bunte Mischung ist an beiden Abenden Gesprächsthema an der Bar: Gefällt sie, gefällt sie nicht? Darf man das überhaupt? House und Drum ’n’ Bass an einem Abend? Sozialkritischer Hip-Hop und Wohlfühl-Pop? Es gibt kritische Stimmen, die den Versuch, ein bisschen von allem zu zeigen, nur schwer zu genießen finden. Und es gibt Besucher wie Milot Mirdita, den genau das reizt: „Ich habe schon darüber nachgedacht, dass ich wahrscheinlich einen komischen Musikgeschmack habe. Manche Freunde von mir mögen Elektro, andere Hip-Hop oder Indie. Und von daher gefällt mir dieser Mischmasch total gut.“ Neben ihm steht Eike Hoffmann und nickt: „Wir sind Festival-Gänger und von daher eigentlich ganz offen.“

Diese Offenheit braucht man am zweiten Abend wohl noch mehr als am ersten: Wo die Musiker am Freitag immerhin 30 Minuten oder gleich eine Stunde Zeit hatten, um sich zu präsentieren, da müssen am Samstag 15 Minuten genügen. Danach wird gewechselt: No Snakes In Heaven beginnen diesen Wettlauf der Bands in der Hansa 39 – und setzen damit Folksongs vor poppige Arrangements von The Living. Wiederum abgelöst von der Rock-Formation Lilit And The Men In Grey – fünf Musikerinnen in enger, schwarzer Kleidung, mit aufwendigem Make-up und glitzernden Gürteln: „Das war der totale Adrenalin-Kick, natürlich hätten wir da lieber gleich weitergespielt“, sagt Sängerin Sandra Le nach ihrem Auftritt.

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Young Chinese Dogs

Doch das gezwungene Ende genießen viele Zuschauer: „Man erlebt hier immer wieder Überraschungen. Es geht da nicht nur um die Musik, sondern auch um das Auftreten. Man merkt einigen Bands einfach eine unheimliche Spielfreude an und bemerkt durch die Wechsel riesige Unterschiede im Auftreten“, sagt Tanja Oldehus, die das Festival schon häufiger besucht hat. Diese Unterschiede spürt man tatsächlich – gerade weil die Wechsel schnell und hart erfolgen. Lilit And The Men In Grey, die offensiv mit ihrer Weiblichkeit spielen, sind kaum von der Bühne, da betritt sie Rapperin Taiga Trece mit roter Mütze und weitem Karo-Hemd. Die drei Hip-Hopper von Arm und Hässlich distanzieren sich schon im Namen von den Reichen und Schönen, während sich bei der Pop-Band Redweik sympathisch gestylte Musiker hinter den Instrumenten wiederfinden.

Ein wichtiges Zusammentreffen, glaubt Taiga Trece: „Ich finde es großartig, dass sich das Publikum mischt. In München bleibt sonst jeder bei seiner Musik, und man kann kaum neue Leute erreichen. Aber 15 Minuten bleiben Zuhörer, auch wenn sie es zuerst nicht mögen.“

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Luko

Genau das schätzt Amadeus Böhm von der Plattenfirma Flowerstreet Records. Er hat in diesem Jahr die Bands im Orangehouse ausgewählt und ist froh, dass so auch verschiedene Organisatoren zusammenfinden. Denn: Zusätzlich zur Show in der Hansa 39 und der Flowerstreet-Bühne hat Musikmanager Rainer Tarara Bands für die Kranhalle eingeladen. „So kommen ganz unterschiedliche Stile zusammen. Aber es funktioniert hervorragend, weil wir uns vertrauen können, dass jeder von uns super Bands für den Abend auswählt“, sagt Amadeus Böhm.

Das Festival immer größer zu machen, ist für Michael Bremmer logische Konsequenz aus den vergangenen sechs Jahren: „Wir wissen, dass immer mehr Menschen kommen, als wir in die Hansa 39 hineinlassen dürfen. Deshalb ist es toll, ein spannendes Programm auf anderen Bühnen anzubieten, zwischen denen sich die Zuschauer entscheiden können.“

Auch in diesem Jahr sind die Schlangen lang, schon nach einer Stunde ist der Andrang so groß, dass die Türen erst einmal geschlossen bleiben. Insgesamt sind es knapp 2000 Menschen, die an beiden Tagen das Festival besuchen.

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Occupanther

Dieser Andrang ist ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird. Deshalb behält die Musik an diesem Abend auch das letzte Wort. Während die Musiker von
Django S. in der Kranhalle mittlerweile ihre Shirts ausgezogen haben und eine kleine bayerische Party feiern, bei der Besucher ohne Dialektkenntnisse nur mitsummen können, wird im Orangehouse die Band Frank In Fahrt mit ihren leicht mitsingbaren Songs gefeiert. Zur gleichen Zeit beenden in der Hansa 39 sphärische Klänge von Occupanther den Band-Marathon. Und am Ende – auch das erinnert an Klassentreffen – ist das Gefühl der Ungewissheit vom Anfang dem der Vertrautheit gewichen. Ein famoser Abend. Marie Schoeß

Weitere Fotos gibt es auf unseren Facebookseiten https://www.facebook.com/SZjugendseite und https://www.facebook.com/Soundofmunichnow. Der Sampler zum diesjährigen Festival ist von sofort an im SZ-Shop erhältlich. „Sound of Munich now 2014“ (18 Songs, 5 Euro) kann man im Internet unter https://szshop.sueddeutsche.de bestellen.