Sex oder Gesundheit

Michele und Richard haben sich im Spanienurlaub kennen gelernt. Zurück in München angekommen, ist es beiden nicht möglich, die traute Zweisamkeit zu genießen. Stattdessen muss Michele Romantik gegen Rotz und Geschlechtsverkehr gegen Gesundheitsschlaf tauschen.

Der August ist tot, lang lebe der September. Michele ist begeistert, geradezu euphorisch – und auch ein bisschen unheimlich, finde ich. Jedes Mal, wenn das letzte Jahresdrittel anbricht und die Baumblätter langsam darüber nachdenken, ob sie ihre on-off-Beziehung zum Chlorophyll wieder einmal auf Eis legen sollen, verfällt Michele in überbordende Glückseligkeit: darüber, dass sich der Schweißgeruch in der U-Bahn wieder auf ein erträgliches Maß herabgesenkt hat; dass alle Kinder wieder in der Schule sitzen, statt krakeelend durch ihr geliebtes Westbad zu rennen; und auch darüber, dass der Luise-Kiesselbach-Platz zwar nach wie vor verstopft ist, die Familienpanzer auf dem Weg an den Gardasee aber wieder von geleasten Firmenflotten auf dem Weg in die Arbeit ersetzt wurden. Frühherbstlicher Alltag in München, vielleicht sogar schon eine Spur von Vorfreude auf den Winter. So mag es Michele am liebsten. Man könnte sagen, ihre Stimmung verhält sich umgekehrt proportional zu den Temperaturen.

Das gilt auch für Richards Temperatur. Richard hat sie im Spanienurlaub kennengelernt. Er übernachtete im selben Hotel – und nach einer knappen Woche voller Tapas und Salsa sogar im selben Bett. Inzwischen sind beide wieder in München angekommen, Michele feiert den September und Richard? Richard liegt seit bald sechs Tagen mit ungefähr 40 Grad Fieber im Bett und verdirbt ihr die Laune. „Weil ich dich so heiß mache“, sagt Michele und fährt ihm in einem Anflug von Fürsorge aufmunternd durch die Haare. Richard niest ihr aus Versehen ins Gesicht. Michele unterdrückt einen Würgereiz, faselt etwas von guter Besserung und verabschiedet sich fürs Erste. Tausche Romantik gegen Rotz, so hatte sie sich das mit Richard nicht vorgestellt.

Am nächsten Morgen weckt sie ihr schlechtes Gewissen. Den ganzen Abend über hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Ob er immer noch niest? Sie beschließt, ihre Lieblosigkeit vom Vortag wieder gut zu machen und kramt im Keller nach der Kiste mit den Faschingskostümen. Eine Stunde später steht sie im knappen Krankenschwestern-Outfit vor seiner Wohnungstür. Richard öffnet. Er rotzt immer noch. Macht nichts, denkt sich Michele, rauscht an ihm vorbei und wirft sich aufs Bett. Richard tut es ihr gleich – und fängt an zu schnarchen. Schläft. Dabei wollte Michele einfach nur nett sein. Tausche Geschlechtsverkehr gegen Gesundheitsschlaf, so hatte sie sich das mit Richard wirklich nicht vorgestellt. Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.

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Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen – sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.