Ein niedliches Haustier? Will jeder haben, auch die Mutter unserer Kolumnistin. Doch statt eines süßen Kängurus bekommt sie: Mr. Spock, die Ratte ihres Sohnes…
Niedliche Tiere sind ein Mysterium: Bei den meisten Menschen lassen sie den IQ vorübergehend um wohlige 50 Punkte absinken. Übrig bleiben im Kopf dann nur Fetzen der altbewährten Kulturtechnik Sprache: „Ooooh!“ etwa, oder „Flauschig, flauschig, flauschig“. Rationalität hat bei niedlichen Tieren Pause.
Deswegen schmiedet meine Mutter Haustierpläne, als ich ihr einen Link mit Quokka-Selfies weiterleite. Für alle die mit dem Hashtag #QuokkaSelfie wenig anfangen können: Quokkas sind Kängurus im Handtaschenformat, die aussehen, als würden sie immer lächeln, und sich so zum begehrtesten Zusatz für Selbstporträts überhaupt entwickelt haben. Ein Tier, das in allen Lebenslagen fröhlich guckt und zudem noch über ein natürliches Aufbewahrungssystem verfügt, ist außerdem das ideale Haustier. Findet meine Mutter. Es könnte mit ihr im Dorfladen einkaufen gehen, erklärt sie, und sie dann an der Kasse freundlich anlächeln, während sie die Einkäufe in seinem Beutel verstaut.
Einziger Haken: Quokkas leben nicht in Oberbayern, sondern vor allem auf der australischen Rottnest Island. Die holländischen Entdecker der Insel waren von den tierischen Bewohnern übrigens weit weniger angetan als die zeitgenössischen Selfie-Touristen: Sie tauften das Eiland „Rattennest“. Die Quokkas hielten sie für Riesennager. Hätten sie mal genauer hingeschaut! Dann gäbe es bereits aus dem 17. Jahrhundert Ölgemälde von Edelleuten, die mit lächelnden Mini-Kängurus posieren.
Ratten sind ein weiteres Mysterium. Sie haben Fell, Knopfaugen und eine handliche Größe, sorgen aber nur selten für Begeisterung. Ratte Spock etwa – wohnhaft im Wohnzimmer meines Bruders – begegnet Mama mit Skepsis. Da hilft auch alle Star-Trek-Affinität herzlich wenig: Eine Ratte würde meine Mutter selbst dann nicht zum Einkaufen mitnehmen, wenn sie mit ihren kleinen Pfoten den Vulkanier-Gruß ausführen könnte. Zumindest Mr. Spock würde es freuen, dass sein Namensvetter nicht den letzten Funken menschlicher Logik auslöscht.
Susanne Krause