Zeichen der Freundschaft: Rampenbier

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Bier, Theater und Zusammenleben und Zusammenarbeit – unsere Autorin berichtet von einem der tollsten Jahren ihrer Jugend.

Wir laufen die Rampe entlang, dann durch den langen Gang,
betoniert sind der Boden genauso wie die Wände und die Decke. Man hört schon
von hier den Wumps der Musik im Obergeschoss. Jemand Fremdem könnte man an
dieser Stelle niemals ernsthaft verklickern, dass wir gerade auf dem Weg ins
Theater sind. Viel zu sehr lässt die Atmosphäre auf eine Untergrund-Techno
Party schließen. Durch die schwere Türe werden wir die schmale Treppe hoch in
die bunten, provisorisch eingerichteten Räumlichkeiten unseres kleinen Theaters
geführt. Im riesig großen Proberaum ist das Licht aus und die Musik laut. An
jedem Möbelstück, auf jedem Schreibtisch, in der Einrichtung jedes einzelnen Raums
erkennt man den hier herrschenden, niemals endenden Arbeitsprozess. Jetzt sind
wir da. Und unsere Einflüsse haben direkten Einfluss auf die Arbeit an diesem
besonderen Theater.

Auf der Rampe sitzend denken wir nun – wenn wir alle wieder
gemeinsam für ein Projekt zusammen kommen –  an diese wunderbare Zeit,
wenn wir wieder einmal bis tief in den Abend hinein gearbeitet hatten, jemand
in weiser Voraussicht schon einmal eine Menge Bier gekauft hatte, und unsere
Energie noch stundenlang nicht nachlassen wollte. Aufgedreht von diesem Zauber
tanzten wir bis in die Morgenstunden in unserem Proberaum. Ich habe noch nie so
viel Gefühl gespürt wie in diesem Jahr, mit Euch. Diese Zeit gehört uns.

Als wir vor drei Jahren das erste Mal an dieser Rampe
ankamen, uns alle fremd waren, und ein Jahr dort miteinander verbringen
sollten, einte uns die unstillbare Lust, Theater zu machen, etwas zu bewegen.
Zu lange hatten wir auf der Schulbank stillgesessen, Matheformeln auswendig
gelernt und von einem Leben, frei mit der Kunst, geträumt. Plötzlich stießen
wir dort, vorerst unscheinbar, auf der Rampe auf Gleichgesinnte. Ein reger
Austausch begann, Freundschaften entstanden, wir als Team wurden zu einer
unschlagbaren Gemeinschaft. Es begann ein Jahr voll mit so vielen Eindrücken,
dass die Zeit nicht zum Verarbeiten reichte, ein einziger monatelang
anhaltender Rauschzustand. Wir verliebten uns ineinander, wir stritten uns
miteinander, wir wohnten zusammen, wir standen gemeinsam auf der Bühne und
leiteten Kindergruppen an. Das Rampen-Bier wurde zu einer festen Instanz unseres
Alltages, zwischen Schülergruppen und Schauspieltraining. Die Rampe war der
Aufgang des Theaters, für uns der Treffpunkt nach Feierabend, wenn wir die Aura
des Theaters noch nicht verlassen wollten. Auf der Rampe entwickelten wir
unsere Ideen gemeinsam weiter und lernten die Songtexte von Miley Cyrus’
Wrecking Ball und Lafees Virus auswendig. Wir schmiedeten Pläne für
Zusammenarbeiten nach unserem gemeinsamen Jahr, alle bereits in dem Wissen, dass
wir danach wieder sehr weit voneinander entfernt wohnen
würden.

In der Zwischenzeit – in den zwei Jahren seitdem unser Jahr
vorüber war– ist das Theater in ein Haus umgezogen. Unser Bunker von damals
ist für uns nicht mehr betretbar. Mit unserem Dosenbier sitzen wir deshalb
abends auf der Rampe und blättern wie in einem Fotoalbum durch unsere
gemeinsamen Erlebnisse – jemand erzählt von dem Abend, als wir “Die 5 Entdecker”
gründeten, mit einem Stapel “Cards against humanity” durch die Stadt liefen und
die Plakate zur Landtagswahl verschönerten, die CDU Plakate in Frischhaltefolie
wickelten und mit  „Ideen von gestern
frisch halten“ beschrifteten. Wie wir ins Freibad einbrachen und nackt durch
den Regen tanzten. Insider-Sprüche prasseln auf uns ein. „Krautsalat, du
Fotze!“, der wohl bekannteste, als ich Krautsalat aß und der Junge mit dem
Sprachfehler mir erklärte, wie das meine Verdauung beeinflusst. „Krautsalat? Du
furzen!“ sagte er. Ich war entsetzt: „Hast du gerade Krautsalat, du Fotze zu
mir gesagt?“. Oder als wir zu zehnt in einer Wohnung schliefen, an einem Tag
alle unsere Wäsche wuschen und im Wohnzimmer aufhängten. Am nächsten Morgen war
die Luftfeuchtigkeit im Zimmer ins Unermessliche gestiegen und unsere Kleidung
noch pitschnass. Wir steckten sie in die Mikrowelle, das war keine besonders
gute Idee. Der Abend als wir in der Stripperlounge, so war eine unserer WGs
benannt, völlig bekifft im Wohnzimmer rumlungerten und auf die Frage der
Anderen, was denn los sei antworteten: „Wir wollen nicht, dass ihr merkt, dass
wir bekifft sind.“  

Das Jahr war anstrengend, wir arbeiteten viel und steckten
all unsere Energie in die Projekte. Wir hatten kaum mal ein Wochenende frei,
erst Recht keine Zeit einem anderen Hobby nachzugehen. Trotzdem rauschen vor
unserem inneren Auge die ausgelassenen Momente vorbei. Die Premierenfeier mit
Sahneschlacht, Übernachtungsparties im Proberaum, Geburtstagsfeiern,
Inszenierungsideen, die Momente, wenn wir feststellten, dass wir ganz besondere
Menschen getroffen hatten, hier, an diesem Theater, auf dieser Rampe. Die
Geschichten nehmen kein Ende, genauso wie die Nächte an der Rampe, wenn wir
beieinander sind. 

Text: Jana Haberkern

Foto:
Yunus Hutterer