Die Jungs von Arcsecond sehen ihre Pop-Musik als „unbedingt kontemporär“. Sie sind passend zu ihrem ersten Album „War against Stagnation“ auf der Suche nach Neuem und wollen in diesem Jahr erst so richtig Gas geben.
Schlagzeuger sind die Stiefkinder der Popgeschichte. Jedenfalls meistens. Denn wenn man von ein paar prominenten Fällen absieht, kennt der gemeine Pophörer meist nur die Sänger der Bands mit Namen. Ein paar schon eher nerdige Freaks können dann noch die besonders herausragenden Gitarristen aufzählen, die dann wie etwa Slash bei den Guns’n’Roses zur eigenen Marke werden. Doch herauszusuchen, wer denn jetzt diesen genial einfachen, ungemein gut klingenden und fatal tanzbaren Backbeat in Michael Jacksons „Billie Jean“ gespielt hat, machen die wenigsten. Um das hier zu Ende zu bringen: Es war Leon Ndugu Chancler, ein amerikanischer Jazz-Schlagzeuger, der diesem Song das so signifikante Skelett gab, ohne das er wohl nicht einmal die Hälfte seiner Schubkraft gehabt hätte und vermutlich nie zu einer solchen musikgewordenen Ikone geworden wäre. Wenn der oder die Schlagzeuger/in gut ist, ist die Band meist zumindest interessant. Wenn die Drummer schlecht sind, funktionieren selbst die schönsten Harmonien nicht so wie sie könnten.
Der Münchner Schlagzeuger Michael Neuber ist gut. Das war er schon, als er den Synthie-Pop der Band Soft Nerd rhythmisch gestaltete, das ist er jetzt mit seiner neuen Band Arcsecond noch immer. Etwa wenn er in der Single „W.A.S.“ den Charakter des Songs von Anfang an prägt: Federleicht kippen dabei die geraden Schläge in der jeweils zweiten Takthälfte in funkige Synkopen. Er spielt das jedoch nicht in jazziger Lässigkeit, sondern mit dem unbedingten Aussagewillen, den auch die Schläge in Michael Jackson „Billie Jean“ haben. So wird diese Single, die sich textlich um eine unbeständige Liebesbeziehung in flüchtigen Annäherungen dreht, permanent von einem nervösen Schluckauf durchzuckt, der aber gleichzeitig zum sofortigen Kopfnicken führt. Besser kann ein Einstieg in einen Popsong kaum funktionieren. Und auf dieser Welle können dann so allerhand Skurrilitäten stattfinden. Etwa verhallen pathetische Orgel-Akkorde, eine funkige Gitarre und eine Stimme, die am Phrasenende bisweilen ins Falsett kippt. Bei Arcsecond sind hörbar Musiker am Werk, die einige Erfahrung mit dem Schreiben von funktionierenden Popsongs haben. Denn nicht nur der Schlagzeuger Michael spielte schon in diversen Bands. Gitarrist Niko Hasselt musiziert auch in der Band Good Cpt. Jak, er brachte auch die ersten Songideen mit in die frischgegründete Band. Das war im Sommer 2015. Seitdem haben sie ihr erstes Album produziert, das zehn auf den Punkt heruntergebrochene Popsongs enthält, die erfrischenderweise nicht versuchen, einen Lebensstil zu transportieren. „War against Stagnation“ heißt ihr Album und passend dazu sind sie auf der Suche nach Neuem.
Dementsprechend findet man in der Musik des Quartetts keinerlei Retro-Anleihen. Vielmehr entsteht da ein Sound, der aus dem schöpft, was in der Musikgeschichte in einer solchen Besetzung bisher entstanden ist, aber keine Ästhetik eindeutig übernimmt oder gar akribisch nachbaut. „Wenn wir gerade Lust haben, ein langsames und verkünsteltes Instrumentalstück zu schreiben, dann machen wir das“, erklären sie, ohne Rücksicht auf Erwartungen sehen sie sich dabei als „unbedingt kontemporär“. Im Hier und Jetzt spielen sie also, würden auch gerne mal auf Deutschlandtour gehen und treten das nächste Mal im Mai in der Glockenbachwerkstatt auf.
Stil: Pop
Besetzung: Niko Hasselt (Gitarre), Aurel von Egloffstein (Gitarre), Johannes Schibler (Tasten), Michael Neuber (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: anarcsecond.bandcamp.com
Text: Rita Argauer
Foto: Nataša Jeftic