Ein Leben für Argumente

image

Christian Rausch, 21, leitet den Münchner Debattier-Club.
Die Motivation dahinter?  „Ich
rede einfach gerne und bin schon immer politisch interessiert gewesen.“ 

Fünfzehn Minuten. Innerhalb von fünfzehn Minuten eine Rede schreiben. Ganz ohne Hilfsmittel – versteht sich. Also ohne Internet oder Smartphone und ganz aus dem Bauch heraus eine siebenminütige Rede zu einem zuvor unbekannten Thema vorbereiten, die wiederum auch noch überzeugend sowie hieb- und stichfest die eigene Position darlegt. Alles klar soweit?

Für Christian Rausch, 21, ist das jede Woche Alltag, aber genauso auch eine Passion, der er nachgeht. Seit dem dritten Semester, also nun gut zwei Jahre, besucht Christian regelmäßig den Debattier-Club Münchens; seit vergangenem Juli ist er sogar dessen Präsident. Der Club existiert seit 2001 und ist für alle offen, die Spaß am Reden haben und darin ihre Fähigkeiten verbessern möchten. Damit steht er in der Tradition von Universitäten aus dem angelsächsischen Raum, wo das „Debating“ oftmals bereits Teil der Schulausbildung ist.

Bis zu 60 junge Menschen, vor allem Studierende aus allen Fachbereichen, treffen sich auch in München regelmäßig zum gemeinsamen „Trainieren“, überwiegend auf Englisch; schließlich möchte sich der eine oder andere auch auf internationalem Parkett messen. Für Christian ist dieser internationale Austausch mit die schönste Erfahrung beim Debattieren – an bisher acht „World Universities Debating Championships“ hat der junge Mann schon teilgenommen. Nach striktem Regelwerk werden dort zum Teil auch sehr kuriose Themen diskutiert; zum Beispiel, ob die Welt eine bessere wäre, wenn alle Menschen über „Highly Superior Autobiographical Memory“ verfügen würden, also in der Lage wären, jeden Tag ihres Lebens genau zu rekonstruieren. Grundsätzlich gilt für die Themenauswahl der Turnier-Debatten aber, dass sie zumeist doch sehr der allgemeinen öffentlichen Debatte entsprechen.

Aktuell muss sich Christian auf einen rhetorischen Wettstreit zum Thema „Ist Popfeminismus ein konstruktiver Weg zur Gleichberechtigung?“ vorbereiten. Der Debate Club, organisiert unter anderem von CNN, hat ihn angefragt. Sechs Debattanten sollen an diesem Montagabend im Cord Club diskutieren, ob prominente Fürsprecher mit dem Statement „I’m a Feminist“ dem gesellschaftlichen Diskurs tatsächlich einen Gefallen tun.

„Ich habe mich zur Vorbereitung mit verschiedenen Persönlichkeiten beschäftigt, unter anderem mit Nicki Minaj“, sagt Christian Rausch, „und ich möchte niemandem das Recht absprechen, sich in diese Debatte einzubringen. Aber was nützt es, wenn eine prominente Künstlerin proklamiert, sie sei Feministin und dann keinen konkreten, konstruktiven Lösungsansatz bietet?“

Er selbst kam über die Schule zum professionellen Debattieren: Damals habe er bei „Jugend debattiert“ mitgemacht und sei bis ins Landesfinale gekommen. Die Motivation dahinter? Christian überlegt kurz, dann sagt er: „Ich rede einfach gerne und bin schon immer politisch interessiert gewesen.“ Dies scheint auch der Grund zu sein, weshalb sich der Medizin-Student entschieden hat, zusätzlich noch Politikwissenschaft und im Nebenfach Philosophie zu studieren. Für ihn bedeute debattieren, „sich eloquent und logisch stringent mit Themen auseinanderzusetzen“ – eine Aufgabe, die sich auch im geisteswissenschaftlichen Studium häufig stellt.

Als Präsident des Clubs trägt Christian Rausch die Hauptaufgabenlast bei der Organisation für das Training der Anfänger und den Themenvorschlägen für die Treffen. Außerdem müssen Interessenten ja auch erst einmal angeworben sowie Kontakte zu Partnern, darunter Fakultäten, Schulen und auch Firmen, gepflegt werden. Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch das Organisieren der internationalen Turniere. Demnächst findet sogar eines in München statt: die „Munich Open“, vom 24. bis zum 26. November.

Wichtig ist Christian allerdings, dass auch die Arbeit seiner Kollegen im Vorstand gewürdigt wird. Gerade die Gleichstellungsbeauftragte nimmt eine besondere Position ein, denn der Präsident diagnostiziert einen klaren „Männerüberhang“: Der Frauenanteil im Club liege aktuell bei nur 30 bis 40 Prozent. Deshalb sei es wichtig, einen Ansprechpartner für alle zu haben, sagt Christian, um „eine Kultur zu schaffen, in der sich jeder willkommen fühlt.“ Dann setzt er grinsend nach: „Wir würden uns freuen, wenn mehr Frauen sich trauen, eine starke Meinung zu vertreten.“

Feminismus, erläutert der Student, werde „in sämtlichen Spielarten“ bei Turnieren häufig als Debattenthema ausgewählt. Auf das Format des Debate Clubs ist er schon sehr gespannt. Die Regeln seien hier zwar offener als im sogenannten British Parliamentary Style, doch auch das habe seine Tücken, befindet Christian. Er wird bei der anstehenden Debatte im Contra-Lager argumentieren. Und obwohl er natürlich bestätigt, dass es sich immer lohne, zu jedem Thema beide Perspektiven einzunehmen, entspricht die Zuteilung in dieser Debatte schon auch seiner persönlichen Meinung. Gerade mit Blick auf das Thema Popfeminismus fehlt ihm eine klare Botschaft. Ganz diplomatisch relativiert der Student aber zwischendurch diese Aussage. Schließlich sei alles, was er dazu zu sagen habe, auch mit Vorsicht zu genießen. Als weißer Mann in der westlichen Welt mache er selbst keine authentische Erfahrung mit Diskriminierung.

Und die aktuelle Debatte um den Hashtag „#metoo“? Steckt diese nicht auch längst in der Popfeminismus-Falle? Mitnichten, findet der Student. Auch die Kritik, dass mit Popfeminismus lediglich inhaltslose Aufmerksamkeit für eine gute Sache geschaffen werde, scheine da unberechtigt zu sein. Denn das Benennen eines Problems sei der erste Schritt zu dessen Lösung. Dies gelte auch für den Hashtag „#metoo“. Obwohl mittlerweile kontrovers diskutiert, mache er ja vor allem die Bedeutung des Problems sichtbar:
„Sexuelle Übergriffe sind kein Randphänomen, es besteht viel größerer Handlungsbedarf“, sagt Christian und fügt hinzu: „Am Ende ist so ein Hashtag auf jeden Fall viel mächtiger als jedes Nicki Minaj Video.“  Yvonne Gross

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Max

Pünktlich zum Semesterbeginn liefert unser Autor das passende Programm. Für Musikliebhaber lohnt sich das
Keep It
Low-Festival
und das
Digitalanalog,

außerdem wird im Cord ein
Debate Club veranstaltet.. ach ja: und natürlich stehen jede Menge Erstipartys an.

Semesterbeginn
ist eine schöne Zeit. Und das nicht nur wegen des traumhaften Wetters, das wir
momentan wahrscheinlich zum letzten Mal in diesem Jahr genießen dürfen. Nein,
endlich wieder Unipartys, drei verschiedene Tagesessen in der Mensa, den Lieblingsprof
wiedersehen und … hab ich die Unipartys schon erwähnt? Aber man kann nicht
nur feiern in diesen Tagen. München hat noch einen Haufen anderer Events zu
bieten, die ich auf keinen Fall verpassen darf.

Vollgepackt
geht’s gleich am Freitag los – das Feierwerk bietet das Keep It
Low-Festival
,
Münchens Geheimtipp und Pop-Up-Club Clap 2.0 den Sänger San2
mit seiner Soul Patrol
und gleichzeitig startet auch noch das
Digitalanalog im Gasteig… da hab ich
wohl die Qual der Wahl. Naja, Digitalanalog gibt’s morgen auch noch, und Soul
ziehe ich dann doch dem Rock vor – der Clap Club bekommt den Zuschlag.

Am Samstag
bin ich erstmal enttäuscht. Zweimal war ich zu langsam, denn sowohl das Konzert
der HipHop-Girls von SXTN in der
Muffathalle

als auch das der österreicher Durchstarter Granada im
Clap Club

sind schon ausverkauft. Aber es gibt ja noch das Digitalanalog. Da spielen
heute unter Anderem Xavier Darcy, die Tula Troubles und Mullein und dazu
verschiedene DJs und VJs. Und um mir die Zeit bis dahin ein bisschen zu
vertreiben, schau ich noch im MVG-Museum vorbei. Zum zehnjährigen
Jubiläum ist heute nämlich der Eintritt gratis.

Eine
weitere Ausstellung besuche ich am Sonntag. Doch heute wird es etwas
anspruchsvoller. Im Farbenladen des Feierwerks stellt Max Boström aus. Der Frankfurter
Architekt und Künstler entwirft aufwändige Skulpturen, die er Schicht für
Schicht aus den Seiten verschiedener Zeitschriften ausschneidet und
zusammensetzt.

Am Montag
stecke ich wieder in einer Zwickmühle. Es wird politisch, das ist klar. Aber
gehe ich ins Cord, wo im Debate Club das Thema
“Popfeminismus” zur Diskussion steht? Oder doch lieber ins Münchner
Pop-Up-Hotel Lovelace, wo der Filmwissenschaftler Urs Spörri eine Vorlesung
über den Schauspieler
Donald Trump

hält? Denn der amtierende US-Präsident trat schon in vielen Film- und
Fernsehproduktionen auf – ein Nebenjob, der, wie Spörri erörtert, einen starken
Einfluss auf Trumps Image habe und vielleicht eine Erklärung liefert, warum so
viele Amerikaner diesem Mann ihre Stimme gaben.

“Apropos
Vorlesung”, erinnere ich mich am Dienstag, “da war doch was…
ach ja, es ist ja wieder Uni! Vielleicht sollte ich da doch mal
vorbeischauen.” Deshalb trete ich mit dem Kulturprogramm heute etwas
kürzer und kümmere ich mich wieder ein bisschen um die Ausbildung. Am Abend
kann ich es aber doch nicht lassen und schaue am Hauptbahnhof vorbei. Mitten im
Verkehrstreiben kann man dort nämlich die besten journalistischen Fotos des
vergangenen Jahres betrachten, auf der “World Press
Photo Exhibition
”, die sogar noch bis nächsten Montag offen hat.

Musik
zum Mitmachen – immer mittwochs. Das wäre ein geeigneter Werbespruch für viele
Münchner Locations, denn Mittwoch ist Jamsession- und Open-Stage-Tag.
Und so muss ich mich heute schon wieder entscheiden. Zwischen der Jazz Jam in der Milla und der Singer/Songwriter-Open
Stage

im Import/Export. Es ist einfach schwierig, doch am Ende zieht mich der eigene
Musikgeschmack dann doch in die Milla.

Langsam
bin ich die Entscheidungen leid. Semesterbeginn hätte ich mir einfacher
vorgestellt. Und deswegen bleibe ich am Donnerstag hart. Und daheim. Aus
gutem Grund, denn donnerstags steigen die Partys in meinem Studentenwohnheim,
und Feiern war ich trotz Semesteranfang noch gar nicht. Zeit wirds!

“Was,
ich war gestern feiern?”, frage ich mich am Freitag. “Kann
doch gar nicht sein, denn die großen Partys steigen doch alle erst heute. Aber
wo kommt dann dieser Kater her?” Egal, Kater hin oder her, heute wird
nochmal richtig auf den Putz gehauen. Möglichkeiten gibt’s dazu genug, zum
Beispiel die Erstiparty an
der LMU
,
die Semesteropening-Party
im Jack Rabbit
, Neunzigerparty
im Cord

oder, etwas Alternativ, Funktastic-Party
in der Downtown Bar
. Klingt schon wieder nach einer Entscheidung. Aber nein,
heute gehe ich einfach auf alle. So wird das doch noch ein standesgemäßer
Semesteranfang. Nur den Lieblingsprof, den hab ich bisher noch nicht
wiedergesehen…