Albumkritik: On the Shoulders of Giants

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Wolken, Engel, Einhörner und die drei Weisen aus dem Morgenland. Die Band On the Shoulders of Giants bietet nicht nur überraschend andere Bühnenshows und Verwechselspiele, sondern auch ehrlichen Rock mit Folk-Einschlägen, der zwar noch leichten self-made Charakter aufweist, aber nicht aus den Augen verloren werden sollte.

„Auf den Schultern von Giganten, vielleicht landen wir nie“ rappt der Bielefelder Musiker Casper und wenige nehmen das Zitat so wörtlich, wie die dreiköpfige Band On the Shoulders of Giants. Zu dem Releasekonzert ihres neuen Albums Lost and Found einen Tag nach dem Dreikönigstag kommen sie verkleidet als die drei Weisen aus dem Morgenland. Und „Caspar“, „Melchior“ und „Balthasar“ kündigen dann in einer spektakulär schrägen Bühnenkulisse aus Wolken, Engeln und Einhörnern an, dass sie die neue On the Shoulders of Giants-Platte super finden. Und zwar so super, dass sie jetzt als Coverband der selbigen unter dem Namen On the Shoulders of Jesus auftreten.

So weit, so abgefahren. Doch was kann man nun von einem Album erwarten, das in einer so abgedrehten Atmosphäre präsentiert wird? Die Antwort: eine überraschend ernsthafte und unprätentiöse Rockplatte mit Folk-Anklängen. Schon das erste Lied „Lost in Salvation“ beginnt mit einer dominanten E-Gitarre und lässt Bilder von Lederjacken, Whiskey und dem einsamen Wolf mit seiner Gitarre entstehen. Und spätestens wenn Sänger Chris Carbonaro mit dem treibenden “Monster” das eindeutige Highlight des Albums anstimmt, fühlt man sich nicht nur an die Bananafishbones erinnert. Viele Lieder, wie etwa “Last Minute Phoenix” oder das unterhaltsame “Max” wecken Assoziationen zu der Aufbruch – und Road-Trip-Musik von Musikern wie Tenascious D.

Aber man bemerkt auch den „self-made“-Charakter des Albums – teilweise ist das Schlagzeug etwas zu laut abgemischt, teilweise weist der Sound noch Ecken und Kanten auf. Aber auch das verleiht der Platte eine angenehm authentische Tonalität. Es lohnt sich also On the Shoulders of Giants im Auge zu behalten. Es wird spannend zu sehen, wie sie sich nach dem Abgang ihres Leadgitarristen entwickeln werden. Wenn ihr Weg trotzdem der gleiche bleibt, ist gerade heutzutage in Zeiten überproduzierten Mainstream-Pops, ein ehrliches, schnörkelloses Konzept eine wirkliche Bereicherung.

Philipp Kreiter

Foto: Benedikt Dietz

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Carolina

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Silvesterkater? Fehlanzeige! Carolina startet aktiv ins neue Jahr: Es geht ins Theater, auf dem Midnightbazar im Kesselhaus wird geshoppt und allerlei gute Musik gibt es auch noch. Sei es beim Muffat Winterfest oder im Milla bei der Albumreleasefete von “On The Shoulders Of Giants”. So kann 2016 beginnen!

Jedes Jahr hat seine toten Tage. Der Tag nach dem eigenen
Geburtstag. Die Woche, bevor die Uni wieder losgeht. Der November so ganz
generell. All diese Tage sind zweifelsohne da, wir erleben sie und doch werden
sie nur markiert durch das, was ihnen vorausgeht. Oder das, was ihnen folgt.
Was habe ich an diesen toten Tagen gemacht – vor einem, zwei, fünf Jahren? Ich
könnte es nicht sagen.

Der erste Januar ist so ein toter Tag. Man liegt auf der
Couch, pflegt den Kater und schaut eine Serie. Irgendwie traurig, wenn ein Jahr
so anfängt. Ich beschließe also 2016 so zu begrüßen, wie es angemessen ist: Mit einem Katerfrühstück. Abends um sieben. 

Auf dem Kochblog kunterbuntweissblau von Wahl-Münchnerin Amelie Heinz habe ich ein tolles Rezept für Filet Wellington entdeckt. Mal sehen, ob das was wird. Aber man soll sich ja selbst Herausforderungen schaffen, so zum Jahresstart.

Samstag wird dann endlich all das Geld ausgegeben, das man
mangels besserer Geschenkideen zu Weihnachten bekommen hat – muss ja
schließlich weg, ehe es schlecht wird: Der Midnightbazar im Kesselhaus feiert seinen
sechsten Geburtstag. Neben allerlei Trödel gibt es hier auch Livemusik und
einen Streetfoodmarkt. Danach geht es direkt weiter zum Muffat Winterfest, wo
COSBY, Ebow und viele andere spielen.

Sonntag ist Finaltag. Über drei Wochen habe ich mitgefiebert,
nun ist es soweit. Die Darts-WM der PDC kommt zum Abschluss. Die WM ist ein ganz
wunderbares Event: Dicke alte Männer in hässlichen Hemden werfen Pfeile auf ein
Brett, während im Hintergrund albern verkleidete Engländer jede Menge Bier
saufen und lustige Lieder anstimmen.  Das
große Finale schauen meine Freunde und ich natürlich stilecht: Im Harlekin,
einer Dartkneipe in Untergiesing, wo ich selbst ab und an ein paar Pfeile
schmeiße. Da merkt man übrigens, warum Dart trotz des Mummenschanzes drum herum
ein Sport ist – es ist einfach verdammt schwer, so eine 180 zu werfen. Anfangs
habe ich nicht mal das Board getroffen.

Montag. Kater. Darts und
Bier gehören einfach zusammen. Ich bleibe also im Bett und mache einen Lesetag. Endlich komme ich dazu durch die neue Ausgabe der Münchner Zeitschrift kon-paper zu blättern, die im Dezember erschienen ist.
Thema des aktuelle Hefts: Verfall. Genau so fühle ich mich. Danach gibt es noch das neue Fotobuch von Jungfotograf Stefan Loeber: In “Bedouin” zeigt Stefan die Lebensbedingungen von Beduinen in Israel. Keine leichte Kost, aber ein tolles Buch voll wunderbarer Fotos.

Dann werde ich wieder aktiver: Dienstag geht es in Kyeso am
Candidplatz, denn dort spielen Chaps & Taps und Kafkas Orient Bazaar.
Letztere habe ich vor ein paar Jahren auf dem Sound of Munich Now erstmalig
gehört und bin seitdem großer Fan. Ich bin sehr gespannt, was der Abend
musikalisch so bringt.

6. Januar – Heilig Drei König. Die toten Tage sind jetzt
offiziell vorbei. Aber die Ferien leider auch. Ich futtere mich ein letztes Mal
mit Weihnachtsplätzchen voll und entsorge wehmütig den vertrockneten
Tannenbaum. Rückblickend ist das aktuelle doch immer das schönste Weihnachten. Die
Geschenke! Und die Freizeit. Was hat man die vergangenen Wochen eigentlich
gemacht? Ging alles viel zu schnell vorbei. Ich versuche diese Erkenntnis durch
sinnloses Fernsehen noch ein paar Stunden hinauszuzögern und gehe schließlich
viel zu spät ins Bett.

Das rächt sich. Raus aus den Federn, ab in die Uni, heißt es
am Donnerstag. Aus dem Hörsaal geht es direkt weiter: Zunächst zur Performance
„Rote Reihe Nr. 8“ im Haus der kleinen Künste. Auf die Bühne gebracht wird die
Geschichte des Massenmörders Fritz Haarmann. Das wird ein Familientreffen! Mein
Kumpel Lars Keke Altemann hat die Regie geführt, es spielen meine
Schauspielkollegen Andreas Gießer, Stefan Natzel und Heiner Stöckle. Die letzte
Theaterunternehmung von Lars und Stefan musste übrigens nach nur zwei
Aufführungen eingestellt werden, weil einer der Darsteller sich im Eifer des
Gefechts die Knochen gebrochen hat. In diesem Sinne: Hals- und Beinbruch,
Jungs! Nach der Vorstellung ziehe ich direkt weiter ins Milla, wo die Band On
The Shoulders Of Giants
ihr Debütalbum vorstellt.

Freitag wird noch einmal gefeiert, bei  „Bass statt Hass“  im Feierwerk. Das Motto ist wörtlich zu
verstehen, denn mit dieser Party sollen jene Flüchtlingen begrüßt werden, die
in einer neu gebauten Unterkunft nahe des Feierwerks eine Heimat gefunden
haben. Der Eintritt wird an den bayerischen Flüchtlingsrat gespendet. Was für
eine schöne Art, jemanden willkommen zu heißen. Und plötzlich ist sie rum, die
erste Woche des neuen Jahres. Vielleicht werde ich das hier in einem Jahr noch
einmal lesen und denken – wow, war ja doch ganz schön viel los, an den toten
Tagen.  So ist das wohl, wenn man in
einer lebendigen Stadt wohnt.