Tunnelblick mit Farbeffekten

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Bob Beaman, Kong, Charlie: Matthias Singer hat für viele Münchner Clubs Lichtinstallationen gestaltet. Sie kreieren eine andersartige Welt, die oft geradezu märchenhaft wirkt. „Das Besondere am Licht ist, dass es etwas Flüchtiges ist. Man kann damit so viel machen“, sagt der Künstler.

Foto: Tobias Gabel

Von Jennifer Lichnau

Den perfekten Raum, den gibt es nicht. Vielleicht eher die perfekte Lösung. Und das ist bei Matthias Singer niemals eine Standardlösung, niemals ist es der einfachste Weg. Er hat Elektro- und Informationstechnik bis 2013 an der TU München studiert. Jetzt arbeitet er als selbständiger Lichttechniker.
 Lichttechniker oder Lichtkünstler? Er will sich da nicht festlegen. Was er ist, hängt immer von dem jeweiligen Projekt ab, an dem er gerade arbeitet. Hat er Angst vor der Dunkelheit? „Klar“, sagt er und lächelt, „jeder hat Angst im Dunkeln.“ Er trägt eine Jeans und Turnschuhe, auf dem Rücken so eine Art kleinen Wanderrucksack. Er kommt gerade aus den Kammerspielen. Da arbeitet er an einer Lichtinstallation für ein Science-Fiction-Theaterstück.

Er lächelt und streicht sich die blonden Haare aus dem Gesicht. Auch bei dem Theaterstück kann er seine Vorstellungen nicht einfach umsetzen wie geplant. „Geht nicht“, sagt er und grinst, „das habe ich jedes Mal als erstes zur Antwort bekommen.“ Das aber ist nicht schlimm, denn es geht ja immer um ein Heranarbeiten an diese perfekte Lösung. Das macht die Arbeiten von Matthias so besonders.

Im Rahmen des Machbaren schafft er immer wieder Unwirkliches, mit einem einzigen Instrument, dem Licht. „Mit den banalsten Dingen kann man meistens die besten Sachen machen“, sagt er.

Lichtkunst zu Hause?
„Da hatte ich nur eine
Schreibtischlampe im Zimmer.“

Matthias beleuchtet in München nicht nur Theaterinszenierungen. Er hat das Licht in Münchner Clubs wie dem Bob Beaman, dem Kong und dem Charlie installiert. Dort im Charlie – oben Bar und Restaurant, unten Club – ist das Ergebnis des Heranarbeitens an die perfekte Lösung zu erahnen, von der Matthias immer wieder spricht. Mehrere Betonstufen hinab und hinter einer schweren Tür liegt ein länglicher Raum, einem Tunnel ähnlich. Eine rechteckige Röhre, am Ende eine Bar. Was sonst? Matthias’ Installationen. Sie ziehen sich durch den Boden, an der Wand hoch, über die Decke und an der gegenüberliegenden Wand wieder zum Boden. Die Linien in der Wand bilden Quadrate aus Licht. Die sonst schwarze Röhre wird noch mehr zur Röhre. Ein Tunnelblick mit Farbeffekten. Zur Musik blitzen in kurzen Abständen die installierten Farb-Quadrate hell auf.

Aber nicht nur abgedunkelte Münchner Nächte versorgt Matthias mit Lichteffekten. Er hat dieses und vergangenes Jahr für das Puls-Festival des Bayerischen Rundfunks oder das Dokumentarfilm-Fest in München gearbeitet. Wo man hinkommt, man begegnet Matthias’ Installationen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie kreieren eine andersartige Welt, die oft geradezu märchenhaft anmutet.

Matthias ist ein normaler Typ. Redet er von seiner Arbeit, dann klingt das sachlich. Er kommt nicht ins Schwärmen oder gar ins Prahlen. Wie es bei ihm zu Hause aussieht? „Erschreckend“, sagt Matthias und lacht laut, „da hatte ich sieben Jahre lang nur eine Schreibtischlampe in meinem Zimmer.“

Aufgeregt und enthusiastisch wird er erst dann, wenn er von diesem einen speziellen Moment erzählt, in dem er vor einer eigenen Installation steht und sich denkt: „Geil, alles passt.“ Dann kann er für einen kurzen Augenblick zum Betrachter werden, die Technik vergessen. Kurz zumindest. Das passiert natürlich nicht immer.

Seine Aufträge bekommt er
durch die enge Vernetzung
der Münchner Szene

Seine Arbeit kennt viele Beschränkungen: das Budget, die Brandschutzverordnung, die Räumlichkeiten, aber vor allem die Technik. Sie ist nicht zu umgehen, sie macht alles möglich, aber vieles auch unmöglich. „Wenn man auf ein gutes Ergebnis hinarbeitet, kommt man nicht drum herum, sich intensiv mit der Technik auseinanderzusetzen, zu experimentieren“, erklärt Matthias. Das ist mitunter der Grund, warum er sich nicht auf Kunst oder auf Technik festlegen will. Das eine ist mit dem anderen fest verbunden.

Obwohl er mit seiner Arbeit in München geradezu omnipräsent ist, ist er kaum sichtbar. Er arbeitet unter einem Pseudonym, 507nanometer. „Die Arbeit soll nicht als Ausdruck meiner Persönlichkeit wahrgenommen werden“, sagt Matthias. Kurze Pause. „Tatsächlich ist es gar nicht so leicht herauszufinden, wer hinter meinen Installationen steckt, es hängt ja nirgendwo ein Schild mit meinem Namen“, sagt er. Seine Aufträge bekommt er durch die enge Vernetzung der Münchner Szene. Und wenn jemand eine Installation braucht, dann klingelt am Ende meist wieder Matthias’ Handy.

„Das Besondere am Licht ist, dass es etwas Flüchtiges ist. Man kann damit so viel machen, was mit dinglichem Material gar nicht umzusetzen wäre“, sagt Matthias. Es klingt beinahe pathetisch, als wäre er wieder selbst fasziniert davon. Matthias ist eigentlich sehr sachlich, sehr bescheiden. Wie es zur Faszination mit dem Licht gekommen ist?. Er weiß es nicht. „Ich bin da einfach so reingerutscht“, sagt er. 

Seine Arbeit ist nicht geradlinig. Matthias hat den Ehrgeiz, immer wieder etwas Neues zu schaffen und genau das ist auch sein Antrieb. Dabei zieht er seine Inspiration oft aus bewegten Mustern der Natur. „Wellen zum Beispiel“, sagt er, „oder Strudel. Da hat man zwar beinahe das Gefühl, die Bewegung, das Muster dahinter zu verstehen, aber man tut es nie wirklich. Es ist immer noch genug Chaos dabei für den Moment der Faszination“.