Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Gabriella

Es wird wieder geWanndat! Klar, dass es unsere Autorin deshalb diese Woche auf das Wannda Circus Opening zieht. Außerdem geht’s zu einer Vernissage im Farbenladen und zur Schnäppchensuche auf gleich zwei Flohmärkte.

Ich muss ehrlich zugeben:
manchmal vergesse ich, wie spannend und vielseitig München eigentlich ist.
Letzte Woche bin ich aus dem Urlaub zurückgekehrt und habe wieder Lust auf
München, auf Ausgehen und auf die vielen tollen Veranstaltungen, die diese
Woche anstehen.

Den Freitag möchte ich gemütlich ausklingen lassen. Nach einem
hoffentlich erfolgreichen Tag in der Bibliothek, geht es erst einmal zum
Streetfood Markt. Sollte ich nicht zu viel gegessen haben und mich noch
bewegen können, dann gehe ich zur Jazz Night ins Lost Weekend.

Samstag
ist wieder so ein Tag, an dem viel zu viel los ist und ich gar nicht weiß, wo
ich hingehen soll. Da ich grundsätzlich Entscheidungsschwierigkeiten habe, geh
ich einfach nachmittags zum Wannda Circus Opening, denn ich freue mich sehr, dass wieder Wannda-Zeit ist.
Bevor ich abends ins Strom gehe, da Temples, eine meiner absoluten
Lieblingsbands spielt, schaue ich noch kurz in den Farbenladen zur Vernissage
der Ausstellung von Nichts Desto Trotz von Metromadrid. Danach geht es zum Tanzen ins Harry
Klein, denn es ist wieder „Marry Klein“, eine, wie ich persönlich finde, sehr
coole Veranstaltungsreihe, bei der nur weibliche DJanes auflegen.

Für mich sollte der Sonntag ein entspannter Tag
sein. Deshalb werde ich endlich mal wieder ausschlafen, gemütlich frühstücken
und dann über den Flohmarkt in den Optimolwerken schlendern. Irgendwie klingt es zwar komisch,
dass er „Studenten Flohmarkt“ heißt, ich hoffe aber, das bezieht sich nur auf die Preise.
Abends schaue ich mir Macbeth in der Alten Kongresshalle an, das von „Libanon on stage“ aufgeführt wird.

Am Montag
fängt wieder der Ernst des Lebens an und ich muss in die Uni, den Abend lasse
ich mir aber nicht nehmen und gehe ins Bahnwärter Thiel zu Poesie und Musik bei
Talal trifft Thiel – Poetry & Bass.

Was ich am Dienstag mache, weiß ich noch nicht genau. Entweder werde ich
wieder ins Bahnwärter Thiel zu Entgleist! gehen, ein Stand-Up Comedy-Event, denn mit
Stand-Up Comedy habe ich mich bisher ehrlich gesagt noch nie sonderlich
auseinandergesetzt. Oder ich lasse mich überraschen und gehe ins Arts ‘n’ Boards zur Open Stage.

Am Mittwoch gehe ich zur Vorführung des
HFF-Abschlussfilms EUROPE, SHE LOVES und freue mich schon sehr darauf, dass das DOK.fest bald wieder los geht.

Am Donnerstag gehe ich in die Ligsalzstraße zum Umsonstflohmarkt. Besonders spannend finde ich, dass dort der Tausch-
und Eigentumsgedanke überwunden werden soll. Man kann
seine Bücher, Klamotten oder alten Spielzeuge mitbringen und sich das nehmen,
was man wieder verwenden kann und möchte, alles aber kein Muss.

Am Karfreitag gehe ich zur
DOK.fest & Marry Klein Filmnacht, in der zwei Filme gezeigt werden, die alle ziemlich

spannend klingen. „Töchter
des Aufbruchs“ ist ein Film mit der Münchner Rapperin Ebow von Uli Bez und es
geht um die Geschichte von Migrantinnen in Deutschland. „Sonita“ erzählt die
Geschichte der gleichnamigen Protagonistin aus Afghanistan, die einer
Zwangsheirat entgeht und ihren Traum, Rapperin zu werden, verwirklichen möchte.

Text: Gabriella Silvestri

Foto: Privat

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Marina

image

Nach der Prüfung ist vor der Party. Die anstrengende Klausuren-Woche ist rum – wir haben die Tipps für Euch, egal ob ihr nächste Woche noch einmal ran müsst: Das Sommerfest der HFF, das Stadt-Land-Rock-Festival und das Junge Leute Konzert der SZ auf dem Tollwood, Jahresausstellung in der Akademie der bildenden Künste und Party im Downtown Flash. 

Es ist ja so, dass für Studenten die Prüfungsphase wohl das anstrengendste am Semester ist. Das ist bei mir auch jedesmal so. Wenn die Prüfungen dann allerdings vorbei sind, entlädt sich das meistens in einer Welle von guter Laune, die Studenten kriechen aus ihren Bibliotheken und werden von rotäugigen schlaflosen Zombies wieder zu: Rotäugigen schlaflosen Zombies, denn so eine Prüfungsphase muss entweder gefeiert oder schnell vergessen werden. Also versuche auch ich mich von der Ungewissheit über bestandene oder nicht bestandene Prüfungen abzulenken und starte am Freitag auf zum Sommerfest der HFF.

Nachdem der Bahnwärter Thiel vor ein paar Monaten seinen Platz am Viehhofkino aufgeben musste, steht der rote U-Bahn-Waggon jetzt auf der Wiese vor der Hochschule für Film und Fernsehen. Und die nutzt ihn auch regelmäßig für ihre Veranstaltungen, zeigt Filme oder feiert, wie am Freitag, ihr Sommerfest. Mit Elektro kenne ich mich eher weniger aus, Namen sind mir da kein Begriff, aber der DJ 959er gibt dem Abend die nötige musikalische Untermalung, um bis in die frühen Morgenstunden durch zu feiern, mitten in der Maxvorstadt, open Air – Besser kann ein Start ins Wochenende nicht sein.

Samstag Morgen quäle ich mich aus dem Bett, denn heute ist eine Führung durch die Jahresausstellung der Akademie der bildenden Künste – Das will ich nicht verpassen. Komplett übermüdet versuche ich, mich mit gefühlten zwei Liter Kaffee fit zu machen und starte dann zur Akademie. Die Führung lohnt sich sehr, wie jedes Jahr sind viele sehr gute Kunstwerke in der Ausstellung zu sehen und vor allem eine Videoinstallation begeistert mich. Nach der Führung bleibe ich noch ein bisschen im Hof der Akademie, da gibt es Getränke und eine Kleinigkeit zu Essen. Für den Abend habe ich einen Besuch auf dem Tollwood geplant, da ist ja gerade das Stadt Land Rock Festival und Line Walking Elephant, The Red Aerostat, Ludwig Two und Klimt will ich mir unbedingt anhören. Also packe ich meine Freunde ein und düse los, um mir noch schnell einen Langosch zu holen bevor das Konzert beginnt.

Sonntag ist dann erstmal Ausschlafen angesagt. Ich bleibe bis Mittag im Bett, bevor ich Abends mein Wochenende wieder auf dem Tollwood beende. Ich habe nämlich Karten für das Konzert für Junge Leser der Sz gewonnen und will mir unbedingt Ella Josaline, Blackout Problems und Dicht  Ergreifend anhören. Ella verzaubert den Abend mit ihrem Singer-Songwriter Programm und ihrer außergewöhnlichen Stimme, dagegen sind die Blackout Problems eine ganze Stufe härter und machen richtig Stimmung. Dicht & Ergreifend runden den Abend mit ihrem Rap auf Bayrisch ab, der oft genug zum Schmunzeln aber auf jeden Fall auch zum Tanzen einlädt.

Ein Arbeitstag nach so einem Wochenende ist natürlich nicht gerade das was man sich wünscht, aber es ist halt Montag, das muss sein. Immerhin kann ich mich auf den Abend freuen. In der Glockenbachwerkstatt lasse ich mich bei der Veranstaltung Kino Auge auf eine Weltreise mit zwei jungen Dokumentarfilmern entführen. Dabei geht es ausnahmsweise mal nicht darum, anderen die perfekte Reise vorzuführen um sie neidisch zu machen, sondern es werden auch die Ängste des einen Filmemachers vor der großen Reise thematisiert. Ein Blickwinkel, den ich sehr spannend finde und der vielen jungen Leuten vor der ersten großen Reise bestimmt nicht fremd ist.

Einen Tag Ruhe gönne ich mir am Dienstag. Den Nachmittag kann ich bei gutem Wetter super mit einem Buch am See verbringen und schnell bin ich ganz entspannt und fit für den Rest der Woche.

Am Mittwoch wartet wieder ein musikalischer Abend auf mich – Ich stehe vor der Wahl: Gehe ich wieder in den Bahnwärter Thiel zu den Schienenbuskonzerten mit Griswold? Oder doch lieber zu Fish’n’Blues mit Triska? Ich kann mich bis zuletzt nicht entscheiden, aber letztendlich ist der Bahnwärter bei mir um die Ecke und ich entscheide mich dafür. Eine gute Wahl, denn Griswold macht in seiner außergewöhnlichen Besetzung mit Gitarre, Cajon, Trompete und Gesang eine Mischung aus Indie-Pop und Jazz-Rock, die mich für den Abend in eine ganze andere Welt entführt und mich zum Tanzen bringt.

In München ist eigentlich fast wöchentlich ein Nachtflohmarkt, Klamotten und die verschiedensten Kuriositäten in einer der Konzerthallen der Stadt. Diesmal bin ich beim Modeflohmarkt im MMA, ein Konzept des Midnightbazar, bei dem es nur um Kleidung geht. Ich bin auf der einen Seite schon begeistert von den Unmengen an Klamotten, andererseits vermisse ich den kleinen Krims Krams, der sonst so auf Flohmärkten zu finden ist. Macht nichts, ich schlage ordentlich zu, zur Not kann ich ja alles auf einem anderen Flohmarkt weiterverkaufen. Nachdem ich meine Errungenschaften zuhause abgeladen habe, geht es gleich wieder los ins Unter Deck. Heute Abend spielen da Inside Golden und Matthew Austin. Inside Golden kenne ich noch nicht, die vier Jungs präsentieren aber ein tolles Programm und machen eine super Atmosphäre mit ihrem zauberhaften Blues. Matthew Austin, den Support, habe ich dagegen schon ein paarmal gehört, freue mich aber immer wieder über die folkigen, von einem Cello begleiteten Gitarrenklänge.

Und meine Woche endet auch wieder mit Musik, nämlich mit Hip Hop! Ganz gegensätzlich zu den Eindrücken der letzten Woche aber verdammt gut zum tanzen. Mein Weg führt mich ins Downtown Flash, zu den Hip Hop Diaries mit verschiedenen Djs, die Musik aus den letzten Jahrzehnten spielen. Dabei kann ich so richtig Spaß haben und falle anschließend todmüde ins Bett – Aber es hat sich gelohnt.

Einmal Mars und nicht zurück

No way back: Die Münchner Filmstudentinnen Vera Brückner und Annelie Boros zeigen in ihrer Dokumentation „Mars Closer“ zwei Männer, die sich für eine Raummission ohne Heimflug beworben haben. Die Studentinnen wollten wissen, was es bedeutet, die Erde für immer zu verlassen.

Interview: Carolina Heberling

Was passiert eigentlich, wenn man zum Mars fliegt? So ohne Rückflugticket. Diese Frage haben sich die Münchner Filmstudentinnen Annelie Boros, 24, und Vera Brückner, 27, gestellt. In der Dokumentation „Mars Closer“ versetzen sie ihre Protagonisten in die Rolle des Mars-Reisenden und imaginieren gemeinsam, was es bedeutet, die Erde für immer zu verlassen. Dieser Tage keine schlechte Idee, denn die Welt hat das Mars-Fieber gepackt: Wissenschaftler haben Hinweise für Salzwasser auf dem Mars gefunden. Und im Kino sitzt Matt Damon in Ridley Scotts „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ gerade allein auf dem Planeten herum. Für Paul Leeming und Pauls Irbins, beide Anfang vierzig, hätte das zur Realität werden können. Die Protagonisten von „Mars Closer“ waren Kandidaten im Auswahlverfahren der privaten Raummission „Mars One“, welche 2027 erstmals Menschen auf den Planeten schicken will, um dort einen neuen Lebensraum für die Menschheit aufzubauen. Das Problem: Ein Rückflug ist technisch nicht möglich.

SZ: Einmal Astronaut sein, einmal zum Mars fliegen – ist die Faszination für den Weltraum wirklich so groß, dass man ohne Rückflugticket zum Mars will?
Vera Brückner: Als wir angefangen haben, für den Film zu recherchieren, ist mir erst bewusst geworden, wie viele Leute weltraumbegeistert sind. In der Generation vor uns, die mit vielen Science-Fiction-Filmen und -Comics aufgewachsen ist, war das viel mehr Thema als heute – auch durch das Wettrüsten der USA und Russlands im Kalten Krieg. Wer hat die Vormachtstellung im Weltraum? Die haben live vorm Fernseher die Mondlandung gesehen. Für sie ist es einfach der nächste Schritt, auf den Mars zu gehen.

Aber der Entschluss, zum Mars zu wollen, hat doch sicher noch andere Gründe?
Vera Brückner: Ja, natürlich. Pauls Irbins aus Lettland ist Begründer eines Science Centers, wo Kinder physikalische Experimente machen können. Der möchte Jugendlichen in Lettland Mut machen und sagen: Egal, was ihr erreichen wollt, es ist möglich, wenn ihr fest daran glaubt.
Annelie Boros: Bei Paul Leeming aus Tokio, der zweiten Hauptfigur, geht es auch darum, gesehen zu werden. Er möchte den Leuten zeigen: Ich habe etwas drauf, das ihr mir nicht zugetraut habt.

Gesehen werden, Menschen Mut machen – deswegen fliegt man doch nicht gleich zum Mars?
Vera Brückner: Ich glaube, die Faszination, etwas zu tun, was vorher noch nie ein Mensch getan hat, ist so groß, dass man sich das wünscht.
Annelie Boros: Außerdem ist da dieser Gedanke: „Ich bringe ein Opfer für die Menschheit.“ Pauls aus Lettland sagt, das sei eine Art Vorbestimmung, die schon immer in seinem Kopf war. Das fanden wir spannend: Unsere Figuren stellen sich in den Dienst für etwas anderes.
Tun sie das wirklich?
Annelie Boros: Ich habe oft genug an ihrer Motivation gezweifelt. Bei beiden ist sicherlich ein Geltungsbedürfnis da: gesehen werden, akzeptiert werden. Aber ich glaube, der Wunsch, ein Held zu sein, ist größer als irgendein persönlicher Wunsch.

Für dieses Heldentum müssten die beiden aber sehr viel entbehren.
Vera Brückner: Klar, sie würden immerhin ihr Leben riskieren. Doch dafür wären sie bereit. Im Film sagt Paul einmal: „Selbst wenn wir beim Anflug auf den Mars verbrennen, das wäre es wert.“
Annelie Boros: Außerdem geht es nicht darum, von der Erde auszuwandern, sondern auf den Mars auszuwandern.

Irbins hat Frau und Kinder. Wie gingen die damit um, dass er zum Mars wollte?
Vera Brückner: Als wir zum Dreh in Lettland waren, hatte er eine richtige Ehekrise: Da rücken ein paar junge Leute aus Deutschland mit einer Kamera an. Das gibt dem Ganzen eine andere Ernsthaftigkeit. Pauls Frau hat die Raummission „Mars One“ vor unserem Besuch zwar schon ernst genommen, aber als wir da waren, hat sie erst verstanden, was ihr Mann sich da eigentlich wünschte.
Annelie Boros: Wir haben sie dann gebeten, für den Film eine Nachricht an ihren Mann auf dem Mars aufzunehmen, in der sie sagt, in welchen Situationen sie ihn vermisst. Sie beginnt also zu sprechen, fängt an zu weinen und sagt: „Das ist das erste Mal, dass ich darüber spreche.“ Da merkt man wieder, was für eine Verantwortung man als Filmemacher hat, wenn man solche Situationen provoziert.

Habt ihr die Figuren auch damit konfrontiert, wie es sein könnte, auf dem Mars allein zu sterben?
Annelie Boros: Natürlich haben wir solche Sachen gefragt, aber das war für sie nicht das Schlimmste. Für Pauls war der schlimmste Gedanke, den Kontakt zur Erde zu verlieren und nicht mehr mit seiner Familie sprechen zu können. Da zweifelte man doch daran, ob er diese Reise wirklich so sehr wollte.

Angenommen, die Landung glückt – was passiert dann?
Vera Brückner: Man stellt sich das vielleicht langweiliger vor, als es ist, aber wenn die Landung gelingt, ist man mit so vielen essenziellen Fragen beschäftigt. Dort Leben zu errichten – das ist ein Fulltime-Job.

„Leben errichten“, das klingt heldenhaft. Trotzdem ist die „Mars One“-Mission immer wieder in die Kritik geraten.
Vera Brückner: Interessant ist natürlich, dass die Mission von einer Privatorganisation ausgeht, denn nur die kann es moralisch vertreten, Leute zum Mars zu schicken, ohne sie zurückzuholen. Staatliche Organisationen wie die NASA müssten aus ethischen Gründen die Rückreise gewährleisten.
Annelie Boros: Der größte Kritikpunkt ist aber die starke Strahlung, der die Astronauten auf ihrer Reise ausgesetzt sind. Man weiß einfach nicht, ob sie diese Strahlung überleben, und wie krank sie vielleicht sind, wenn sie dort oben ankommen.

Hinzu kommt: „Mars One“ wird wie eine Fernsehsendung aufgezogen. Schauen wir bald „Big Brother“ vom Mars?
Vera Brückner: Dass man eine Fernsehsendung daraus macht, ist eigentlich sinnvoll, gerade in den heutigen Zeiten, wo alles irgendwie medial abgedeckt wird. Wenn ein Typ aus dem Weltall springt und das gezeigt wird, dann muss man doch eine Fernsehsendung machen, wenn Leute zum Mars fliegen. Das ist das Krasseste, was Menschen je gemacht haben.
Annelie Boros: Man darf das auch nicht als Big Brother missverstehen, selbst wenn das oft so dargestellt wird. Das wird eher eine Reportage über die Forschungen, die dort stattfinden.

Euer Film setzt aber einen anderen Schwerpunkt.
Vera Brückner: Uns ging es um die Idee und den Willen dahinter, den Mars zu besiedeln. Wir wollten einen emotionalen Film machen, der die Frage aufwirft: Was bedeutet dieser Entschluss eigentlich? Was für Lebens- und Sinnfragen stellen sich, wenn man so etwas macht?
Annelie Boros: Unser Thema war auch die Erinnerung – woran erinnert man sich, wenn man für immer weg ist? Was nimmt man im Geiste von der Erde mit? Dafür haben die technischen Fragen wie auch die Organisation „Mars One“ keine Rolle gespielt.

Am Tag der Premiere wurde bekannt, dass die Protagonisten eures Films nicht in der Endauswahl für die Marsmission gelandet sind. Wie seid ihr damit umgegangen?
Annelie Boros: Ich war komischerweise traurig, dabei haben ganz viele der Zuschauer gesagt: „Oh, super, sie sind nicht weiter“, weil sie die beiden auf der Erde behalten wollen. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich nicht unbedingt will, dass Pauls Irbins zum Mars fliegt. Seine Söhne sind fünf und sieben – das ist eine krasse Verantwortung.
Vera Brückner: Andererseits hat man wirklich gespürt, wie sehr sie sich das wünschen. In den Interviews für den Film haben wir sie gebeten, sich in die Rolle des Raumfahrers auf dem Weg zum Mars zu versetzen. Ich habe beim Dreh regelmäßig geweint, weil ich total nachvollziehen konnte, wie es den beiden damit geht und wieso sie das wollen.
Annelie Boros: Wir haben ihnen irgendwie gewünscht, dass sie ihren Traum noch weiter träumen dürfen.

Vergangene Woche lief der Film auf dem „DOKUart“-Festival in Kroatien, die Deutschlandpremiere findet Ende Oktober auf dem „DOK Leipzig“ statt.

Einer wie Bully

image

Matthias Lang sammelte Erfahrung bei „Harry Potter“, „Two and a half men“ und „Criminal Minds“. Eine Vita, die nach Hollywood-Glamour klingt. Jetzt dreht der Filmstudent seinen Abschlussfilm

Ja, da gibt es Ähnlichkeiten. Mit Michael „Bully“ Herbig. Wie er redet, wie er aussieht. Es kommt einem irgendwie so bekannt vor. Und tatsächlich: Matthias Lang war mal Licht-Double. Licht-Double für Bully. Passt. Damals war Matthias Assistent beim Dreh der Sitcom „Bully macht Buddy“. Da hatte der Student der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) schon einiges hinter sich: „Harry Potter“, „Brides Maids“, „Two and a half men“, „Criminal Minds“. Eine Vita, die nach Hollywood-Glamour und großen Filmstars klingt. „Klar, als Filmstudent ist Hollywood der große Traum“, sagt Matthias und hört sich dabei nicht wie einer an, der eitel wird, weil er mal dabei war, bei „Harry Potter“ oder „Two and a half men“ – als Praktikant. Jetzt, Jahre später, dreht er seinen Abschlussfilm an der HFF.

Viele Menschen machen Praktika, auch beim Film. Irgendwo zwischen Werbefilmdrehs und den Rosenheim-Cops. Matthias kennt diese Jobs auch: „Ich war so der typische Set-Praktikant, der morgens um vier in irgendwelchen bayerischen Kuhdörfern Straßen absperren muss“, sagt er. Doch beim bayerischen Kuhdorf soll es nicht bleiben. Matthias, Jahrgang 1986, hat Ehrgeiz – das merkt man schon an seinem ersten HFF-Film „In Formatica“, der auf verschiedenen Filmfestivals ausgezeichnet worden ist. Von der Deutschen Film- und Medienbewertung hat er das Prädikat „wertvoll“ erhalten. Nicht selbstverständlich für eine Hochschulproduktion. 

Am Ende stand sein Namenicht mal im Abspann –
wegen der Gewerkschaft

Dann also Amerika, 2010 war das. Dort in die Filmbranche reinzukommen, ist nicht einfach, das weiß Matthias inzwischen. „Ich habe recherchiert, welche Filme gerade gedreht werden, und dann direkt Leute angeschrieben, von denen ich wusste, die sind in der Filmcrew.“ Einhundert Mails verschickt er. 20 Leute antworten. Bei vier Produktionen klappt es mit dem Praktikum. In einem Land wie den USA nicht ganz leicht, denn die Filmbranche dort ist viel stärker über Gewerkschaften organisiert als die deutsche. Wer nicht in einer Gewerkschaft ist, hat es schwer in der Branche. Matthias erinnert sich: „Die waren da alle sehr streng, deswegen ist es ein Wunder, dass ich da überhaupt hindurfte“, sagt er. Am Ende steht sein Name nicht mal im Abspann – wegen der Gewerkschaft.

Enttäuschung? Nicht bei Matthias. Viel hat er mitgenommen aus den USA. Wenn er von der Zeit dort redet, geht es oft um den Enthusiasmus, die Professionalität, mit der dort Filme gedreht werden. „Alle kennen sich mit Film wirklich gut aus – sogar der Set-Fahrer hat dramaturgisches Grundwissen“, sagt Matthias. 

Nun, fünf Jahre später, arbeitet Matthias an seinem Abschlussfilm „König Laurin“. Ein „Abenteuerfilm“ soll es werden. Im Werbejargon würde man sagen: Kino für die ganze Familie. Erzählt wird die Geschichte von König Laurin, dessen Rosengarten in den Bergen man der Sage nach sieht, wenn einem zur Dämmerung das Alpenglühen entgegenleuchtet. Matthias‘ Vorhaben ist ungewöhnlich. Ein HFF-Student, der einen Kinderfilm dreht? „Das deutsche Publikum sieht gerne seine eigene Realität im Kino“, erklärt Matthias mit Rückblick auf seine USA-Zeit, „das ist ein Phänomen, das es nur hier gibt. Oft akzeptieren die Leute dann auch nicht, wenn Deutsche Filme machen, wo in Berlin ein Ufo mit Aliens landet. Aber wenn das Ufo in New York landet, ist es natürlich absolut glaubwürdig.“ Bei Familienfilmen sei so etwas noch eher erlaubt, sagt Matthias, der für Filme wie „Die fabelhafte Welt der Amélie“ schwärmt, weil man dort eintauchen könne in eine magische Welt.

Eintauchen. Das will auch Matthias. In Südtirol soll „König Laurin“ spielen, denn dort kommt Matthias ursprünglich her. Traumhafte Berglandschaften, weitläufige Weinberge. Klingt eher nach norditalienischer Romantik als nach kalifornischer Coolness. Sein Vorhaben kommt an: Die Schauspieler Volker Zack und Rufus Beck hat Matthias für das Projekt begeistern können, Filmförderungen wie das FFF Bayern und Fernsehsender wie der BR unterstützten das Projekt finanziell. Kürzlich wurde Matthias von einem lokalen Radiosender zum „Südtiroler des Tages“ gewählt. Man ist stolz auf ihn in seiner Heimat.

Ein Film wie „Hui Buh“
oder „Wickie auf großer Fahrt“
soll es werden

Trotzdem reichte das Geld nicht zum Drehen, deswegen startete Matthias, wie so viele junge Filmemacher seiner Generation, eine Crowdfunding-Kampagne. Ein Film wie „Hui Buh“ oder „Wickie auf großer Fahrt“ soll es werden, wirbt Matthias auf der Finanzierungswebseite. Mal wieder Bully. Kein Wunder, denn Matthias und Bully arbeiten nach einem ähnlichen Prinzip, schließlich soll der Film nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene ansprechen. Matthias redet dann von „Double coding“, einer Technik, die viele Familienfilme benutzen. Während Kinder über offensichtliche Witze lachen – wenn jemand stolpert oder etwas Dummes sagt –, wird für Erwachsene mit Hilfe kultureller Anspielungen und versteckter Symboliken eine Meta-Ebene eröffnet. Erwachsene können so noch etwas anderes aus einem Film herauslesen und fühlen sich unterhalten. Funktioniert? Offensichtlich. Die Besucherzahlen für solche Filme sind gut.

Die Werbung fruchtet. Schon am ersten Tag spielt Matthias’ Crowdfunding-Kampagne 17 000 Euro ein. 17 000 Euro, die für „Ritterrüstungen“ und „irre Kamerafahrten“ ausgegeben werden. Klingt nicht nach einem jungen Mann mit Hollywood-Allüren. 60 000 Euro sind so zusammengekommen. Ein Erfolg für Matthias. Ein Erfolg nach dem Bully-Prinzip.

Carolina Heberling

Foto: Ivan Poletti

Anderswo ist es immer schöner

image

Drei Münchner Filmstudenten machen sich Gedanken über den Sehnsuchtsort – ihr Film läuft diese Woche bei der Berlinale 

Die Blasmusik ist im Probenraum längst verstummt, die Musiker sind nach Hause gegangen. Nur drei sitzen noch im schummrigen Licht auf
den Holzbänken. Ein letztes Mal heben die Männer gemeinsam ein Bier. „Jeder
Mensch hat nur eine Heimat. Da kann er noch so weit gehen, die wird er nicht
los“, sagt einer der Freunde zu Frank. Denn der wird mit seiner Familie aus der
ländlichen Gegend in die Stadt ziehen. Doch in dem Moment, in dem Frank den Ort
verlassen muss, wird ihm bewusst, wie sehr er ihn liebt.

Ein idealer Ort – so heißt das Werk der jungen
Filmstudenten, das diese Woche auf der Berlinale läuft. Ein wenig wie ein
verschworenes Geschwistertrio wirkt das Team (Foto: Lion Bischof). Da sind Isabelle Bertolone, 24,
und Benedikt Weber, 27, gemeinsam haben sie neben dem Studium die junge
Produktionsfirma „WIRfilm“ gegründet. Und dann ist da Anatol Schuster, 29,
Regisseur und Drehbuchautor in einem. Aufgewachsen sind die drei in Klein- und
Großstädten, darunter München. Wie kommt man da dazu, sich mit dem Thema Landflucht
zu beschäftigen? Fasziniert am Stoff hat die drei Filmemacher vor allem der
Widerspruch darin. „In den Städten haben wir Probleme, eine Wohnung zu finden,
und auf dem Land stehen die Häuser leer“, sagt Isabelle. „Dabei gibt es den
gegenläufigen Trend auch“, wirft Benedikt ein. „Die Leute sehnen sich nach
Ländlichem, nach Ursprünglichkeit.“ Selbst am Land leben – das können sich die
drei Filmemacher höchstens in einer Light-Variante vorstellen.

Doch im Film geht es gar nicht so platt darum, Vor- und
Nachteile von Stadt und Land gegeneinander abzuwägen. Im Zentrum steht eher das
Gefühl, das man mit bestimmten Orten verbindet. „Für mich ist ein idealer Ort
ein Sehnsuchtsort“, sagt Anatol. „Das ist das treibende Gefühl in der
Hauptfigur Frank. Und das ist, was die Familie im Film unterscheidet. Alle
haben ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte, aber da gibt es dann Barrieren.“ Frank
hat Frau und Kindern versprochen, in die Stadt zu übersiedeln. Doch plötzlich
spürt er eine neue Verbundenheit mit dem Ort. Seine Frau Kathrin sitzt bis zum
Umzug auf gepackten Koffern. Aus den Kindern, der pubertären Tochter und dem
autistischen Sohn, soll etwas werden. Und das geht doch nicht, am Land – direkt
neben der „größten Ferkelfabrik Europas“, über deren Blutgestank Kathrin die
Nase rümpft.

„Ich glaube, ich habe
ein Faible für eine gewisse Trostlosigkeit“, sagt Anatol. Gedreht wurde drei
Wochen lang in Mecklenburg-Vorpommern – Bayern kam nicht in Frage, zu
idyllisch. Der Film zeigt kein beschauliches Postkartendorf, sondern eine
heruntergekommene Peripherie: unschöne Fassaden, abgelebte Häuser, leere
Ortschaften mitten im Nirgendwo. Und dann wieder, ganz unvermutet, Versatzstücke
einer Idylle; Wind, der durch endloses hüfthohes Gras weht. Fünf Tage fuhr
Anatol durch den Norden, ging lange spazieren, bis er den idealen Drehort
gefunden hatte (Foto: Johanna Raimann).
image

„Filme machen, heißt immer, Entscheidungen zu treffen“, sagt
er. Wenn man dem jungen Regisseur zuhört, glaubt man sofort, dass er die
Entscheidungen nicht leichtfertig trifft. Der 29-Jährige mit dem strähnigen
schwarzen Haar spricht bedächtig, überlegt viel. Auf den ersten Blick würde man
ihm eine strenge Organisiertheit unterstellen. Doch tatsächlich lief am Dreh
vieles anders als ursprünglich geplant. „Wir wollten eine größtmögliche
Authentizität zwischen den Schauspielern und dem Ort“, sagt Anatol. „Und da
haben wir uns gefragt: Wie kann man glaubwürdig machen, dass die dort leben?“
Die Antwort: indem man die Bewohner einfach mitspielen lässt. Etwa den
selbsternannten Bürgermeister des Ortes. Weil der beleibte Herr mit dem Spitz
jeden Tag neugierig am Dreh vorbeispazierte, überredeten sie ihn zu einer
kleinen Rolle. Die Blaskapelle im Film gibt es genauso wie die Ferkelfabrik.
Als ortsansässige Tierschützer während der Dreharbeiten gegen den Betrieb auf
die Straße gingen, hielten die Filmemacher die Demonstration kurzerhand mit der
Kamera fest.

„So hat sich das
Drehbuch oft weiterentwickelt“, sagt Anatol. Und ihnen einige Flexibilität
abverlangt. An einem Schauplatz des Films, der Tiernotstation, konnte man nur
von neun bis 13 Uhr drehen. Für die jugendlichen Laiendarsteller, die man an
Schulen gecastet und über eine Annonce aufgestöbert hatte, gab es nur
ausnahmsweise schulfrei. Das hieß: Dreh am Wochenende (Foto: Johanna Raimann). „Das war gerade die
Herausforderung und letztlich auch der Charme daran“, sagt Anatol. Authentische
Motive könne man eben nicht ganz für sich beanspruchen. Dafür hätten sich
interessante Begegnungen ergeben: Ein junger Makler stellte ihnen ein desolates
Haus zur Verfügung. Für den Dreh richteten sie es gemütlich ein – so gemütlich,
dass der Makler es schlussendlich verkaufen konnte.
image

Professionelle Darsteller für die Hauptrollen zu finden,
dauerte ein halbes Jahr – denn das studentische Projekt sah keine Gagen vor,
aber: „Bei uns haben sie die Möglichkeit, sich anders auszuprobieren als bei
Fernsehfilmen, intensiver zu arbeiten“, sagt Anatol. Und im Gegensatz zu den
Filmemachern selbst, die spartanisch in einem Schullandheim einquartiert waren,
fanden sich über Sponsoren edle Schlafplätze für die Darsteller – in einem
Schloss. Damit, dass einige Schauspieler wesentlich älter waren als er selbst,
kam der junge Regisseur gut zurecht. „Das Schöne war, dass ich mit den
Hauptdarstellern rasch eine gemeinsame Kommunikationsebene gefunden habe. Da
ist das Alter dann gar nicht mehr so entscheidend.“

Auf der Berlinale läuft der Film in der
Kategorie „Perspektive Deutsches Kino“, für die sich das junge Team im
vergangenen Jahr beworben hatte. „Wir sind gespannt und freuen uns sehr auf den
Abend“, sagt Benedikt – aber nicht nur auf die Show am roten Teppich, sondern
auch auf das Wiedersehen mit der Filmcrew. Bis dahin heißt es: DVDs eintüten
und Pressemappen fertigstellen. „Natürlich sind wir alle etwas nervös. Man gibt
sozusagen sein Baby weg“, sagt Isabelle und lächelt noch im Satz über die
Floskel. Wettbewerbsgedanken hätten sie keinen. „Es ist einfach nur schön, dass
,Ein idealer Ort‘ mit den anderen Filmen auf der Berlinale läuft!“

Vor ein paar Monaten hieß das Werk noch „Anderswo“ – bis ein
anderer Film mit gleichem Namen in den Kinos startete. Durchaus ärgerlich. Doch
den Blick zurück, auf eine andere, vielleicht bessere Lösung, verbieten sie
sich. „Für mich gibt es keine andere Version mehr. Es ist der einzig mögliche
Titel“, sagt Anatol mit ein wenig Fatalismus in der Stimme. „Der Film ist so,
wie er ist.“

Elsbeth Föger