Zeichen der Freundschaft: Vanilleeis und Frühlingsrollen

Ein hoch auf das Jungsein: Am liebsten nutzt unsere Autorin die Sonntagabende, um sich mit ihrer Freundin über die vergangene Partynacht auszulassen. Ganz un-ladylike und ohne schlechtes Gewissen.

Gähnend stehe ich hinter der Theke der kleinen Bäckerei. Es ist noch viel zu früh, kurz nach sieben Uhr morgens. Und um all das noch auf die Spitze zu treiben: es ist Sonntag. Wie jedes Wochenende arbeite ich hier als Aushilfe und versuche trotz Schlafmangel und durchgefeierten Samstagnächten ein paar Euro dazu zu verdienen. Bis jetzt waren erst drei Kunden im Laden. Meine Chefin ist gerade nach draußen gegangen, um eine Zigarettenpause zu machen. Müde und noch fast im Halbschlaf ziehe ich mein Handy aus der Schürzentasche. Ich stutze und muss gleichzeitig grinsen. Drei Sprachmemos von Sophia. Das kann ich mir erst nach Feierabend anhören und doch muss ich bereits jetzt den Kopf schütteln, denn ich habe so eine gewisse Vorahnung, was den Inhalt der Audiodateien betrifft.

Einige Stunden später, halb ein Uhr mittags.

Feierabend. Meine Vermutungen in Bezug auf die Sprachmemos haben sich bewahrheitet. Ich halte mein Handy gespannt ans linke Ohr während ich zum Parkplatz laufe.

Sophia

hebt sofort ab und ein lautes „Giiirl!“ ertönt am anderen Ende der Leitung. Erneut muss ich grinsen. Dieses Mal wegen der ironisch-liebevoll gemeinten Begrüßung. Meine Fingerspitzen kitzeln schon ein wenig vor Aufregung und Neugierde. Es ist Sonntagmittag und natürlich ist mir klar, dass meine Freundin mal wieder eine gute Geschichte von der letzten Partynacht zu erzählen hat. Lachend begrüße ich sie und mit verkatertem Oberbayrisch beginnt Sophia von der chaotischen Heimfahrt, wunderschönen blauen Augen und unfreundlichen Türstehern zu erzählen.

Das ist kein Einzelfall, keine Seltenheit, das ist beinahe schon gewohnte Wochenendroutine.

Sophia

und mich verbindet eine Vorliebe für’s lange-wach-bleiben, für’s spät-Heimkommen und für’s Geschichten-Erzählen am nächsten Morgen, wenn die Erinnerungen mit dem Tageslicht wieder ein wenig heller werden. Mit Vergnügen wird am Sonntag zusammen getratscht, gegähnt, gelacht und die Köpfe geschüttelt. So ein typischer Frauentratsch bei Kaffee, Kuchen und rot geschminkten Lippen. Nur das es bei uns etwas anders aussieht: Wir sitzen im Bett, mit zerzaustem Haar und essen Vanilleeis und Frühlingsrollen. Ganz ladylike. Oder auch nicht. Aber das ist egal, solange man gut reden kann. Für den letzten Tag der Woche vergessen wir gerne den gemeinsamen Schulstress und ich pfeif’ da auch auf’s schlechte Gewissen wegen dem Vanilleeis. Und den Frühlingsrollen. Sonntags geht’s bei uns um’s Jungsein. Darum, aus kleinen Geschichten ganze Buchbände zu basteln. Und darum, Screenshots zu verschicken und Audiodateien anzuhören. Mädchenkram, der irgendwie sein muss. Der dazu gehört.

Also sitzen wir gemeinsam zwischen den vielen Kissen und mit zwei Schalen Eis in Sophias Bett und erzählen. Dieses Mal bin ich diejenige, die mit weit geöffneten Augen angestarrt wird. Aussagen benötigen in diesen Momenten Erläuterung und man beginnt ins Detail zu gehen, weil man sich vor Freunden bekanntlich nicht zu schämen braucht. Keine Kleinigkeit wird weggelassen. Darum erzähle ich weiter während ich meine verstrubbelten Haare zum Dutt binde und Sophia mir einen Maskarafleck von der Wange wischt. Vielleicht braucht man das, brauchen wir das einfach. Weil es nicht immer nur um Abistress und Zukunftspläne geht. Am Montagmorgen werden wir eh wieder gemeinsam im Sozialkunde- oder Deutschunterricht sitzen müssen. Der Sonntagstratsch und verwirrende Audiodateien sind für uns ein Teil vom Jungsein. An Wochenenden dürfen auch mal Geschichten geschrieben werden, die nichts zu tun haben mit Gedankenganganalyse oder Stilmitteln. 

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Yunus Hutterer