Disco-Funk und Lichtermeer

Nach der Gesprächsrunde und dem Sound of Hongkong now ging es direkt weiter mit Musik aus dem Bereich Electronica. Die Künstler kreierten einen bunten Klangteppich aus verschiedensten Sounds.

Bunter Lichterrausch, ein Einhorn-Regenschirm hüpft durch die Menge, große Augen auf kleinen Bildschirmen starren den Tänzern entgegen. Ein bisschen Nebel und ganz viel Bass. Die Atmosphäre ebenso wie die Stimmung scheinen sich wirbelnd zu verändern, abhängig von Stil und Klangfarbe.

Verdammt bunt und funky startet COEO, ein junges Münchner DJ-Duo seinen Auftritt. Der Stil der Tanzenden beginnt sich zu verwandeln. Das Publikum wird grooviger, ein wenig shaky. Man fühlt sich in eine 70er-Jahre-Disco zurückversetzt. Mit weniger Disco und mehr House. Als die Jungs den Auftakt von „Crazy in Love“ Sängerin Beyoncé und Rapper JAY-Z einspielen reagiert die Menge asap. Alles ganz locker, alles ganz smooth.

Die Tracks von COEO scheinen einen perfekten Kontrast zum Slot von Sam Goku zu bilden. Der Münchner DJ gestaltet die Stimmung im Raum mechanisch, treibend und sorgt für teils sehr elektrisierte Spannung. Jeder Übergang sitzt. Die Performance wirkt locker, ganz ohne auch nur einen Hauch von Langeweile. Sam Goku gelingt die perfekte Balance. Der Zuhörer fühlt sich geborgen, schenkt Vertrauen.

Verschnaufpause an der Bar. Auf dem Weg raus stößt man auf drei verschiedene Kunstinstallationen. Das passt: wechselnde Electronica-Auftritte  im Nebenraum, dazu buntes Lichtermeer im Barbereich. Die Stimmung verändert sich in Loops.

Natanael Megersa, dem zweiten DJ des Abends, gelingt es mit sehr vielseitigen Sounds und einer durchzogenen charakteristischen Note eine Brücke zu bauen. Eine Brücke zwischen Sam Goku und der Künstlerin Muun, die das Warm-Up gestaltet. Ganz klassischer Wannda-Sound tönt zu Beginn des Abends durch die Halle. Die Stimmung wirkt kein bisschen aufdringlich. Der Zuhörer wird sanft in den Abend eingeführt. Muun selbst wirkt in ihrer Performance konzentriert, gibt dem Publikum viel Platz zur Eigeninterpretation. Ihre Bewegungen sind langsam, zurückhaltend, ein wenig mechanisch.

So wird das Publikum durch den Abend geleitet. Stück für Stück, Künstler für Künstler. Die Veranstaltung endet mit Sounds von An Wii und Lena Barth, bekannt als Resident-DJane des Harry Klein. Die Musikerinnen schaffen einen gelungenen Ausklang des Festivalauftakts.

Text: Anastasia Trenkler

Schluss mit Touri-Techno

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Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Impulse aus München mit dem famosen DJ-Duo COEO.

Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Denn der Blick auf die Hauptstadt sei „einfach ein bisschen Panne“, sagt Florian Vietz. Gemeinsam mit Andreas Höpfl steckt er hinter dem DJ-Duo COEO, das man beim „Sound Of Munich Now Electronica“ dieses Jahr live erleben kann. Angefangen haben die Künstler aus der Nähe von Deggendorf mit einem „30-Euro-Programm zum Musikbasteln“. Mittlerweile in München angekommen, gelten COEO als erfolgreichster Act des Labels Toytonics, das seit vier Jahren Dance-Musik in Richtung Disco- und Funk-House veröffentlicht und vor allem Künstler aus München betreut.

Und das wird gefeiert: mit einer Labelparty zur Eröffnung des LIT am 17. November im Werksviertel. Denn der Erfolg spricht für sich: 2016 belegte das kleine Label Platz drei der „Bestselling Deep-House Labels“ auf der Online-Plattform Beatport, dem Gradmesser für elektronische Musik. Darin sieht Label-Chef Matthias Modica Anzeichen für einen weitläufigeren Trend: eine Gegenreaktion zum düsteren Berliner Techno, hin zu soul- und funkinspiriertem Elektrosound. München scheint in dieser Gegenreaktion bereits angekommen zu sein, für Modica dank des „positiven, sommerlichen Vibes“, den die einstige Discometropole München verströmt. Auch COEO fühlen sich hier wohl: Die Stadt sei einfach schön und habe die richtige Größe, „um alles zu kriegen, was man kulturell braucht“.

Wahrscheinlich ist München eben genau das Dorf, über das man wahlweise schimpft oder schwärmt – und wer sich zu vernetzen weiß, kann Erfolg haben. Das weiß auch Moritz Butschek, selbst DJ und Betreiber des München-Blogs „Tow in a Row“. Für ihn steht fest, dass „sowohl der funky Sound, als auch ganz neue Ausrichtungen elektronischer Musik koexistieren und regen Zulauf haben. Es gibt tolle etablierte Locations, immer wieder spannende Zwischennutzungen und vor allem für fast jeden Geschmack eine Szene mit tollen DJs und Live-Acts.“ Matthias Modica allerdings wünscht sich, dass die großen Münchner Clubs aufhören, den Berliner „Touri-Techno“ zu imitieren. „Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es in München weniger Clubs, dafür mehr Vielfalt. Impulse aus München gingen in die Welt“, sagt er. Mit COEO scheint dieser Trend nun hoffentlich wiederbelebt zu sein. 

Text: Yvonne Gross

Foto: Kerstin Rothkopf

Wer es in München schafft, der schafft es überall

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Silviu Slavu

alias Top Shotta spielt UK-Bass – damit durfte der 23-Jährige im legendären Boiler Room auflegen.

München – Es ist eng. Der ganze Körper ist nass. Es ist eine Mischung aus Eigen- und Fremdschweiß, plus dem Kondenswasser, das von der Decke auf die Tanzfläche tropft. Zudem ist im Club auch noch das Licht gedimmt, man lässt sich von der Masse um einen herum zu wilden Sprungeinlagen mitreißen – jedes Mal, wenn der Bass einschlägt. Hier ist jeder für sich selbst und lässt sich von den bebenden Tieftönen massieren. Mutige Gäste treten eine Armlänge an die eigens für das Event aufgestellte Wand aus Lautsprechern und Subwoofern heran. Dort gleicht die Massage eher einem Durchrütteln.

Von dem Geschehen auf der Tanzfläche bekommt Top Shotta gar nichts mit. Nicht nur, weil der DJ mit den Augen die CD-Player fixiert, sondern vielmehr, weil sein Pult absichtlich mit dem Rücken zum Publikum steht. Der 23-Jährige tritt heute im Boiler Room auf. Der Boiler Room ist kein Club – die ursprünglich überschaubare Eventreihe aus UK hat sich zu einer der einflussreichsten Tastemaking-Plattformen für elektronische Underground-Musik entwickelt. Das Konzept ist schlicht: Vielversprechende, aber noch unbekannte Künstler sowie etablierte Acts spielen ihre Musik vor laufender Kamera. Das Event wird live im Internet gestreamt. So erklärt sich auch die merkwürdige Anordnung von DJ-Pult und Publikum – alles soll im Bild sein.

Sonst findet der Boiler Room in Städten wie Los Angeles, Berlin oder London statt. Umso größer ist die Ehre für Top Shotta, die Münchner Bassmusik-Szene auf das internationale Radar zu bringen. 34 000 Zuschauer verfolgen das Event live im Web. Top Shotta, der mit bürgerlichem Namen Silviu Slavu heißt, steht kurz vor dem Durchbruch – und das mit Musik, bei der man meinen würde, sie würde in München nicht auf fruchtbaren Boden stoßen. UK-Bass heißt die Musikszene, mit der sich Silviu am meisten identifiziert. Dunkle, ruppige Klänge sind kennzeichnend.

Ortswechsel: Top Shotta sitzt in der Sonne und schenkt Sekt nach. Nicht in Gläser, sondern in Plastikbecher. Der Sekt ist vom Discounter. Er steht auf und geht zurück in den umfunktionierten Schiffscontainer des Webradios „Radio 80000“, in dem der Münchner seine eigene wöchentliche Sendung hat: die „Ruffhouse Radio Show“. „Ruffhouse“ startete 2013 als vierköpfige DJ-Crew. Der Name steht für House- und Technoproduktionen mit schroffer Klangästhetik. „Kein glatt poliertes und einfallsloses Zeug“, sagt er.

Der Leitfaden war es, allerlei elektronische Musik zu spielen, die nur auf Sidefloors oder gar nicht in Clubs zu hören war. Aus dem Konzept der Crew wurde eine Eventreihe, später eine Plattenfirma. Mittlerweile veröffentlichen Künstler von Helsinki bis Osaka ihre Musik auf Ruffhouse. noch in diesem Jahr kommt der erste Vinyl-Release.

Neben Radio 80000 vertritt Top Shotta Ruffhouse auch im Londoner Radar Radio. „Wenn die Show nachträglich hochgeladen wird, erreicht man Leute, die man sonst nicht erreichen würde“, sagt er. Ganz abgesehen davon ist Radio für ihn einfach ein wöchentliches Vergnügen. „Man kann dort aufdrehen und mit den Mandems auflegen.“ Mit Mandems meint er den Rest seiner Crew, UK-Jugendsprache. Er steckt tief in seiner Szene.

Silviu fiel in jungen Jahren schon auf, dass er mit der Musik, die andere hörten, nichts anfangen konnte. Was ihn viel mehr beschäftigte, war der Soundtrack seiner Computerspiele. Aus Neugier legte er einmal eins dieser Spiele in einen Discman ein. Er fand heraus, dass man so die Tonspur abspielen kann. „Wenn man kein Internet hat, wird man kreativ“, sagt er. Seine Kindheit verbrachte Silviu in Rumänien. Um im Netz zu surfen, musste man damals ins Internetcafé gehen. Später in Deutschland wird das Internet zum Katalysator für seinen breit gefächerten Musikgeschmack.

Es stellt sich heraus, dass einer seiner Klassenkameraden ähnlich musikaffin ist. Jener Schulfreund stellt den Kontakt zwischen Top Shotta und dem Münchner Basswerkstatt-Kollektiv her. Die Jungs überrumpeln Silviu, überreden ihn aufzulegen. Er sucht nach Wegen, sich aktiver in der Szene zu etablieren und wagt den Schritt zum Musikmachen. „Auflegen alleine reicht heutzutage nicht mehr, um in der Szene Fuß zu fassen“, sagt er. „Jeder kann sich heute für minimale Investitionen einen Controller und Software holen, dadurch hat das Handwerk an Wertschätzung verloren.“

Insgeheim erhofft sich Silviu, als Top Shotta und mit seinem Label langfristig finanziell unabhängig zu machen. Gleichzeitig weiß er, dass er es mit seiner Art von Musik sehr schwer hat, die Massen zu erreichen.

Aus dem Radio-Container ertönt ein Track, den Silviu kennt. In der Ruffhouse-Radio-Show sind gerade zwei Gast-DJs am Werk. Er eilt hinein und plärrt im Jamaika-UK-Slang eine Ansage ins Mikrofon. In und um den Container herum haben sich ein Dutzend Mandems versammelt. Auf diesen Track scheinen sie besonders anzusprechen, zumindest tanzen die meisten. Es gibt genug Menschen, die diese Musik und die Szene, die sie umgibt, verstehen. Eine Willkommenskultur kann man München gegenüber neuen Szenen aber leider nicht nachsagen. Deswegen finden Events nur in kleinen Clubs, am Stadtrand oder illegal statt. Top Shotta und die Ruffhouse-Gang schaffen es gerade, aus

den Grenzen der Stadt auszubrechen: Wer es in München schafft, der schafft es überall.

Text: Hubert Spangler

Foto: Lucas Bergmüller

Neuland: Spreadmix

Immer auf dem neuesten Stand bleiben und live Feeedback geben, das ermöglicht die neue App
„Spreadmix”. Eine Möglichkeit für DJs und Zuhörer.

Mit „Spreadmix“ hat Daniel Heltemes, 24, eine App entwickelt, über die man sich DJs anhören kann, die gerade in Clubs oder auf Festivals auflegen. Darüber hinaus können DJs ihre neueste Musik abseits der Bühnen hochladen, sogenannte „Snaptapes“, die nach einer Woche von der App verschwinden. Das Besondere an Spreadmix ist, dass der Zuhörer während des Auftritts live Feedback geben kann. Außerdem kämen „in vielen Musikapps Musikrichtungen wie Deep House oder Electro seltener vor als andere Genres, vor allem da DJs dieser Genres das Klischee anhängt, keine richtige Musik zu machen“, sagt Daniel. „Mit Spreadmix versuchen wir, jungen, aufstrebenden DJs eine Plattform zu geben, da wir als DJs selbst die Probleme von DJs kennen.“


Text: Serafina Ferizaj

Foto:
Spreadmix.com

Fremdgänger: Teure Exzesse

Der Wahnsinn von Oxford zeigt sich für unsere Autorin diesmal anhand der alljährlich abgehaltenen Bälle: Alle Organisatoren wollen mit noch mehr Show das Vorjahr in den Schatten stellen. Eine Karte kostet dann auch mal eben 200 Pfund.

Die Ahnen starren uns von ihren Leinwänden aus an. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Resignation, möchte man im Schein der Discokugel meinen. Im Speisesaal des Harris Manchester Colleges hüpfen in Abendkleider und Smokings gewandete Studierende zu Abba auf und ab. Der Alkoholpegel ist mittlerweile so hoch, dass niemand zu bemerken scheint, dass der auf der Orgel-Empore positionierte DJ mit „Give me a man after midnight“ zum dritten Mal innerhalb einer Stunde den gleichen Song spielt. Abgesehen von der Möglichkeit, dass dies der schlechteste DJ der Welt sein könnte, lässt sich meine erste Ball-Erfahrung in Oxford jedoch durchaus sehen – eine Tatsache wiederum, die vor allem mich selbst überrascht.

So gut wie jedes der 38 Colleges rühmt sich mit einem solchen alljährlichen Großereignis, wobei natürlich jedes neue Ball-Komitee alles Vorhergegangene in den Schatten zu stellen versucht. Deshalb befindet Oxford sich, was Bälle angeht, in einer kontinuierlichen Aufwärtsschleife aus Bemühen und Größenwahn. Man munkelt, vor einigen Jahren habe Coldplay auf einem der Bälle gespielt – die Latte liegt also hoch. Dieses Beispiel lässt allerdings auch vermuten, dass großes Vergnügen teuer ist. Unter 70 Pfund kommt niemand auf einen Ball. Der Durchschnitt bei den „angeseheneren“, älteren Colleges liegt eher bei 150 bis 200 Pfund. Wie viele Bälle kann man sich da schon leisten? Meine studentische Sparsamkeit verbündete sich noch dazu mit einer gewissen feministischen Frustration angesichts der Beobachtung, dass auf einmal überdurchschnittlich viele Mädchen um mich herum in regelmäßigen Abständen von Abendkleidern, Frisuren, Make-up und potenziellen Dates zu sprechen begannen, während meine männlichen Freunde debattierten, ob es sich für einen oder maximal zwei Abende lohnen würde, ein White-Tie-Outfit (70 Pfund) zu kaufen. Gender-Diskurs hin oder her, „the Oxford experience“ stellte sich einmal mehr als Totschlagargument heraus. Ich rechtfertigte meine Entscheidung, wenigstens zu einem der billigsten Bälle (50 Pfund) zu gehen, damit, dass mein Abiball-Kleid unbedingt noch einmal getragen werden wollte.

Als ich dann jedoch, nach Hüpfburg, Foto-Boot, Süßigkeiten-Brunnen, fünf unglaublich guten Bands, exquisitem Büffet, Pimms, Wodka-Shots und Zaubershow zum dritten Mal Abba höre und meine ursprünglich sorgfältig gelockten Haare nur noch in losen Strähnen in meinem schwitzigen Nacken kleben, denke ich mir, dass die Situation vielleicht gar nicht so übertrieben ist, wie ich sie mir ausgemalt habe. Auch in München zahlen meine Kommilitonen Hunderte von Euros, um auf Festivals zu tanzen, zu trinken, zu flirten und dem Universitätsalltag für kurze Zeit zu entkommen. Auch wenn sich zu Hause niemand erst in einen Smoking oder ein Abendkleid zwängt, haben wir in diesen Outfits ebenso viel Spaß, sind teilweise ebenso betrunken und freuen uns ebenso wie Münchner Studenten, dass es Freitag ist. Dass wir viel Geld dafür gezahlt haben, einen Abend lang vergessen zu dürfen, dass nach dem Wochenende ein Montag auf uns wartet, an dem wir wieder vor unseren Büchern und Computern, Hausarbeiten und Prüfungsvorbereitungen sitzen. Insofern sollte das Entsetzen auf den Gesichtern der gemalten College-Ahnen angesichts des feucht-fröhlichen Exzesses in ihren ehrwürdigen Speisesälen nicht allzu groß sein, denn auch sie werden hin und wieder gefeiert haben – möglicherweise sogar noch sehr viel exzessiver und exzentrischer als wir.


Text: Theresa Parstorfer

Foto: Privat

Klicks und Beats

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In der Musik, die Kevin Zaremba und Matthias Kurpiers produzieren, geht es meist um Großes. Um Liebe, ewige Nächte, stille Augenblicke. Das hat Erfolg. Großen Erfolg.

Matthias Kurpiers? Kennt kaum einer. Sein Gesicht? Vermutlich noch nie gesehen. Und doch ist der 26-Jährige derzeit wohl einer der erfolgreichsten Musiker in München. Wenn seine Songs live auf der Bühne gespielt werden, steht er jedoch irgendwo im Publikum und hört zu. Während etwa About Barbara Matthias’ Song „Bis der Himmel sich dreht“ zum Besten gibt. „Ich glaube, wir sind nicht unbedingt die Typen, die sich ständig in den Mittelpunkt stellen müssen“, sagt Matthias über sich und seinen Kollegen Kevin Zaremba. Zusammen sind sie Achtabahn. Ein Produzenten-Duo aus München.

Die beiden jungen Männer sind gerade dabei, bislang unentdeckte Münchner Talente in die Welt des Pop-Business zu katapultieren. Und das fast schon wie am Fließband. Inzwischen arbeiten sie vorrangig als Produzenten mit einem guten Dutzend Künstler zusammen. Und sie alle eint ein „berauschender Erfolg“, wie es Matthias nennt. Erfolg zumindest auf den Musikplattformen im Internet. Die meisten der von ihnen produzierten Songs können sechs- bis siebenstellige Klickzahlen bei Youtube nachweisen. Kritiker wenden ein: Gute Musik macht aber mehr aus. Sie ist mehr als nur eine Zahl.

Matthias, kräftige Statur und ein umso weicherer Blick, und Kevin, der Ruhepol des Duos. Die beiden jungen Musiker haben als Produzenten und Songwriter ihre Nische gefunden. Sie sorgen seitdem für den medialen Erfolg anderer Künstler. „Es ist ja nicht so, dass wir nicht gerne selbst auftreten“, sagt Matthias. Die Arbeit als Produzenten, als Drahtzieher im Hintergrund, habe irgendwann einfach Überhand gewonnen.

Die Erfolgsgeschichte von Achtbahn ist geprägt von Willensstärke. Von einem Gespür für die deutsche Popwelt. Dafür, mit welchen Songs man bis ganz nach oben kommt. Kevin bastelt gerade im Nebenzimmer eines gemütlich eingerichteten Tonstudios im Münchner Westen an neuen Aufnahmen. Matthias trägt Hoody, Shorts und Markenschuhe, sitzt breitbeinig unter einem Plakat, die Hände ineinander gefaltet. Er zupft sich seine schwarze Cap, die mit einem schwarzen Achtabahn-A bestickt ist, immer wieder zurecht. Mit tiefer, angenehmer Stimme beginnt er zu erzählen: Früher habe er viel gerappt, sagt er. In der Musikszene seiner Heimatstadt Wolfratshausen traf er auf Kevin, der damals noch im Dance-Bereich agierte. Die beiden beschlossen, gemeinsam Musik zu machen.

Matthias erzählt von „Budapest“, ihrem ersten Remix, mit dem sie erst eine Abmahnung von Sony bekamen, weil sie es mit dem Urheberrecht nicht ganz genau genommen haben. Der Track wurde dennoch tausendfach abgespielt. Schnell standen sie so auf dem Merkzettel mehrerer Major-Plattenfirmen. „Da haben sich dann die Türen geöffnet“, sagt Matthias. Die beiden machten einfach weiter. Konzentrierten sich aufs Musik produzieren, so viel es eben ging. Matthias schmiss die Schule. Zog nach München. Tagsüber ließ er die Ausbildung als Industriemechaniker über sich ergehen, nachts bastelten sie an den ersten eigenen Songs. „Das war nicht einfach damals“, sagt Matthias. Heute arbeiten sie hauptberuflich an ihrer Musik.

Anfangs traten Kevin und Matthias noch häufig als DJs auf Festivals auf. Und sie begannen, sich in der Münchner Szene umzusehen. Nach Musikern, mit denen sie arbeiten könnten. Inzwischen haben sie Achtabahn Records gegründet. Eine Plattenfirma, mit der sie einige ihrer Künstler unter Vertrag nehmen. Sie schleudern, so der Plan, unentdeckte Musiktalente gewissermaßen ins ganz große Rampenlicht.

Beachtlich ist das vor allem, wenn man bedenkt, dass keiner von ihnen studierter Musiker ist. „Eigentlich spielt auch keiner von uns wirklich ein Instrument“, gibt Matthias zu. „Aber ich glaube nicht, dass das heutzutage überhaupt noch notwendig ist“. Elektronische Musikprogramme werden immer ausgefeilter und beginnen, das Konzept einer Band mit Instrumentenbesetzung zu überrollen. Mancherorts haben sie das vielleicht schon. „Das Musikbusiness hat sich zu einer richtigen Maschinerie entwickelt“, sagt Matthias. Romantik werde meist nur nach außen verkauft.

Falsche Romantik? Matthias scheint das zu stören. Sein lockerer Erzählton versinkt in Nachdenklichkeit. Trotzdem: Den beiden kam das immer gut gelegen. In der Musik, die sie mit Künstlern wie Körner, Julia Kautz, Fabian Wegerer oder eben auch About Barbara produzieren, wird meist dick aufgetragen. Es geht um Großes, um Liebe, ewige Nächte, stille Augenblicke. „Wenn es böse oder schlecht/ Wenn es gut ist, oder echt/ Gänsehaut lügt nie“, heißt es etwa in Körners Debüt-Single „Gänsehaut“. Jeder Künstler verleiht einem Song eine eigene Handschrift.

Dennoch ähnelt sich bei Achtabahns Musikern vieles erstaunlich stark: Sanft angeschlagene, wippende Akkorde leiten einen einprägsamen Mitsing-Refrain ein. Immer wieder werden die Strophen von langen Instrumental-Loops durchbrochen. „Unseren Style versuchen wir immer unterzubringen“, sagt Matthias. Ihr Style? Deep-House, kommerzialisierter Singer/Songwriter sozusagen. Nach Ecken, Kanten, Überraschungen sucht man lange. Besonders innovativ ist das nicht – ein gewisses Händchen für einen guten Song kann man den beiden Männern im Hintergrund allerdings keineswegs absprechen.

Gearbeitet wird dann oft in einer Art „Dreiecksstruktur“, wie Matthias es beschreibt. Er schreibt die Texte, Kevin baut die Beats. Der Künstler trägt die Songs – die er durchaus mitentwickelt – dann nach außen. Kevin und Matthias bleiben meist abseits des Rampenlichts.

Dafür arbeiten sie umso effektiver. „Irgendwann hat man es raus, wie das Ganze funktioniert“, sagt Matthias. Er und Kevin sind auch ein Beleg für eine Generation, die mit dem sich durch Youtube und Spotify rasant ändernden Musikmarkt aufgewachsen ist. „Heute kann es jeder schaffen, ohne überhaupt Geld für Werbung ausgeben zu müssen“, sagt Matthias. Seine Stimme wird fest vor Überzeugung. Der Erfolg ist für Achtabahn fest an die sozialen Plattformen geknüpft. „Wir glauben an uns. Wir glauben an unsere Künstler.“ Eine Verbindung, die bisher verlässlich Ergebnisse liefert. Und junge Musiker fördert.

Barbara Buchberger, 23, kann davon ein Lied singen. Seitdem Matthias sie im Oktober 2014 angesprochen hat, musiziert sie als About Barbara mit und für Achtabahn. „Ich habe davor auf jeden Fall eine andere Musik gemacht“, sagt die Studentin. In ihrem Nebenprojekt SEA:K widmet sie sich meditativ angehauchtem englisch-sprachigen Dream-Pop. Die Zusammenarbeit mit den beiden Münchnern, das Singen deutscher Songs sei für sie vor allem eine Möglichkeit, sich weiter auszuprobieren. „Wir finden immer einen gemeinsamen Nenner“, sagt Barbara, die am 1. Juli auf dem Stadt-Land-Rock-Festival der SZ-Junge-Leute-Seite auftritt. Die 500 000 Klicks, die ihre Debütsingle „Bis der Himmel sich dreht“ innerhalb kürzester Zeit auf Youtube einbrachte, nennt Matthias noch heute „Wahnsinn“.

Zahlen, Deals, Radioplays, Chartplatzierungen. Immer wieder nennt Matthias diese Begriffe, wenn er von Erfolgen spricht. Damit wird nicht jeder übereinstimmen. Besonders jene Künstler abseits des Massengeschmacks, die sich schon immer schwertaten mit dem Ausverkauf ihrer Kunst. „Erfolg ist wie eine Sucht“, erzählt Matthias. Dafür wollen die beiden unter dem Namen „Achtabahn“ wieder verstärkt eigene Songs und Remixes veröffentlichen. Und im Sommer dann auch wieder als DJs auftreten. Matthias will wieder auf einer Bühne stehen. Nicht bloß davor.

Text:
Louis Seibert

Foto: Achtabahn

DJ-Abende mit Schlagzeuger

Nie wieder Auflegen ohne fließende Übergänge- Manuel Palacio bringt neuen Schwung in die Münchner Indie-DJ-Szene. Mit Tänzern, einem Live-Schlagzeuger oder selbst gedrehten Filmen

Die Stimmung ist ausgelassen. Am Plattenteller steht Star-DJ Monika Kruse, die Menge ist begeistert, tanzt im Takt der Musik, der kleine Club ist zum Bersten gefüllt. Und live dabei sind Tausende von Menschen, allerdings reicht denen ein PC-Bildschirm, um den Auftritt zu sehen. Sogenannte Boiler-Room-Videos werden immer beliebter und bringen einem den Club samt Atmosphäre ins heimische Wohnzimmer. 

„Warum also noch vor die Tür gehen, wenn es reicht, einfach nur ins Internet zu gehen?“, sagt Manuel Palacio, 26. „Man muss den Leuten also heutzutage schon etwas Besonderes bieten.“ Manuel trägt Weihnachtspulli, Hut und Hipsterbrille, und nippt grinsend an seinem Spezi. Denn natürlich hat er schon eine Lösung, was das sein kann: Unter dem Label „Fancy Footworks“ veranstaltet er innovative Indie-Abende in der Milla, die der angestaubten Münchner Indie-Club-Szene neue Impulse verleihen sollen. Dabei setzt er etwa auf Anleihen aus anderen Genres oder Live-Elementen, die „das Event näher an ein Konzerterlebnis bringen sollen“. Aber der Reihe nach.

Geboren wurde Manuel in Mexiko-Stadt, aber seine Eltern – Vater Deutscher, Mutter Mexikanerin – zogen mit ihm schon früh nach München, weil sie fanden, dass ein Kind hier besser aufwachsen könne. Nach dem Abitur verkauft er erst einmal ein Jahr lang Surfbretter, auch weil Manuel das Verkaufen lernen will – seiner Ansicht nach eine der wichtigsten Fähigkeiten, die man haben kann. Parallel dazu legt er schon mit 16 Jahren in den ersten Clubs auf, mit 18 ist er unter den Ersten, die Raves unter den Isarbrücken veranstalten – „ein Generator, ein paar Boxen und wir waren solange da, bis die Party gesprengt wurde.“ Auch die Clubs werden schnell auf ihn aufmerksam, bald schon hat er eine Resident-Night im „Cafe King“, dem Vorläufer des „Kong“. Gleichzeitig legt er aber auch in Clubs auf, die er selbst „Schickeria-Läden“ nennt, er ist in der Auswahl seiner Locations nicht wählerisch. 

“Warum also noch vor die Tür gehen, wenn es reicht, einfach nur ins Internet zu gehen?”

Mit 21 veranstaltet er schon große Events, etwa in der Muffathalle, es geht vor allem um „Global Bass“ – Weltmusik. Mit einigen anderen DJs zusammen betonen sie hier explizit ihre lateinamerikanischen Wurzeln, wollen aber auch aktueller Musik aus München eine Basis geben. Gleichzeitig langweilt sich Manuel zunehmend in der Münchner Indie-Club-Szene: „Wenn ich unterwegs war, habe ich immer die gleichen Playlists, die gleichen DJs gehört, meistens ohne Übergänge. Ende. Pause. Nächster Song. Da könntest du auch im Wohnzimmer sitzen.“ Als sich die Veranstalter der Global-Bass-Events schließlich trennen, beginnt die Geschichte von „Fancy Footworks“.

Manuel möchte Indie-Musik auflegen, aber gleichzeitig möglichst ein durchgängiges Set haben, ohne Pausen oder abgehakte Übergänge. Deshalb mischt er angesagte Indie-Musik mit Disco-Klängen, Hip-Hop und ein bisschen Elektromusik. Er arbeitet viel mit Effekten, Wiederholungen, Verzerrungen – allesamt Techniken, die eher im Bereich des Hip-Hops zu finden sind, aber auch hier erstaunlich gut funktionieren. Gleichzeitig sollen Live-Elemente auf der Bühne sein, etwa wenn Schlagzeuger Lennart Lil’L Stolpmann die Lieder live begleitet. Oder wenn die Musik auf Ausschnitte aus Filmen oder Musikvideos abgestimmt wird. Oder wenn der DJ „selbst zum Rockstar wird“, mit Pyrotechnik und Spraydosen der Menge eine Show bietet, „wie auf einem Kiss-Konzert“. 

So wird der Club-Abend immer mehr ein Konzert, das Erlebnis wieder mehr ein einzigartiges. Und das Konzept kommt an, die Veranstaltung feierte vor kurzem ihr zweijähriges Bestehen und die Milla ist regelmäßig rappelvoll. Auch Mira Mann, Bookerin der Milla ist davon überzeugt: „Die Abende mit Fancy Footworks sind auch für uns immer etwas Besonderes. Die Stimmung im Club ist noch besser als sonst, irgendwie wärmer. Es gibt auch immer ausgefallene Aktionen, die die Reihe einzigartig machen.“

Um all das versucht er Geschichten zu spinnen, als Marketing-Student kennt er sich damit aus. So sind sein mächtigstes Werbemittel kleine, lustige, kreative Videos, die er für jedes Event gemeinsam mit seiner Crew – DJ Anna Lindener, 24, Grafiker Fernando Gonzalez, 25, Dominik Schelzke, 23, und einige andere – produziert. Das Ziel: Ohne viel Budget möglichst viel Aufmerksamkeit generieren, Guerilla-Marketing. Und das kommt an, Fancy Footworks läuft erfolgreich, soll dieses Jahr von einer Veranstaltungsmarke hin zu einem großen Musikblog erweitert werden. Man will so auch eine Plattform für aufstrebende Bands werden, die man durch gezielte Werbemaßnahmen unterstützen kann. Auch eine Expansion in andere Städte ist geplant, etwa nach Augsburg oder Hamburg. 

Gleichzeitig hat Manuel noch ein zweites großes Projekt. Als im Sommer entschieden wurde, die Café-Cord-Lounge abzuspalten, fragte ihn der neue Geschäftsführer, ob er nicht das musikalische Konzept des neuen Clubs ausarbeiten wolle. Im neuen „Maxe Belle Spitz“ ist jetzt eine Mischung aus Rockbar und bayerischer Boazn entstanden, mit Holz-Vertäfelung an der Decke und Instrumenten für eine Jam-Session. Und auch hier mischt Manuel munter die Genres, zu klassischer Rockmusik kommt viel Indie, aber auch bayerischer Brass oder eben Hip-Hop.

Er selbst legt hier ein- bis zweimal die Woche auf, die anderen DJs dürfen sich relativ frei entfalten, aber „als roter Faden sollte schon einmal AC/DC kommen und LaBrassBanda wäre auch nicht schlecht, damit eine Linie zu erkennen ist“, sagt Manuel und schmunzelt. 

Zur Eröffnungsfeier spielten Whiskey Foundation, in Zukunft sollen hier noch mehr Bands auftreten. Und auch Fancy Footworks soll wachsen, vielleicht mal als Marke für alle von Manuels Aktivitäten dienen.
 Einflüsse und Stilrichtungen, Ideen und Konzepte, Konzerte und Dj-Sets – Dinge mischen und daraus Neues entstehen lassen, Grenzen fließend werden lassen, diese Idee zieht sich durch alle Veranstaltungen und Pläne von Manuel. Man muss den Menschen wohl heutzutage mehr als nur eine Sache bieten, um sie bei Laune zu halten. Und das macht Manuel mit Fancy Footworks oder mit einem seiner zahlreichen anderen Projekte. Dabei ist ihm aber bewusst, dass er das Rad nicht neu erfinden kann, sondern nur andere Herangehensweisen bietet. Oder wie Manuel selbst sagt: „Ich gebe den Dingen neue Kleider.“ 

Text: Philipp Kreiter

Foto: Thomas Kiewing

Marrys unter Harrys

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Die elektronische Musikszene wird von Männern dominiert – warum eigentlich? Eine Spurensuche mit DJ Joolz, Stefanie Raschke und Alma Gold.

Es wummert im Hintergrund, mal lauter, mal leiser. Das Séparée des Electro-Clubs Harry Klein ist gut gefüllt. Die Menschen bewegen sich im Rhythmus der Musik. Die Mode ist einseitig: Sneakers und weiße T-Shirts. Auf der Tanzfläche, aber auch hinter den Turntables. Auch dort wird getanzt, dezenter als das Publikum – und die Bewegungen scheinen den Klängen immer einige Sekunden voraus zu sein. Julia Maria, Künstlername Joolz, weiß schließlich, welche Bässe als nächstes kommen – die junge Frau ist Resident-DJ im Harry Klein. Das ist in der Szene eine Seltenheit – denn in dem Dschungel des Electro mit den vielen Stilrichtungen bleibt eine Konstante: DJs sind in der Mehrheit Männer.

Julia stört das nicht, denn sie ist eine Größe in der Münchner Elektroszene. „Es scheint schon eine weibliche Unterbesetzung zu existieren“, stellt sie fest, „lokale und internationale Line-ups spiegeln das meist wider.“ Aber: „Ich möchte nicht behaupten, dass generell weniger Frauen auflegen können oder wollen als Männer – vielleicht sind die Zugangshürden nur höher“.

Wenn Julia von Zugangshürden spricht, dann sieht sie nicht nur die elektronische Musikszene vor sich. „Frauen neigen in vielen Lebensbereichen dazu, sich Dinge nicht zuzutrauen, in männerdominierten Feldern diesen lieber den Vortritt zu lassen und ihre Fähigkeiten unter Wert zu verkaufen“, sagt sie.

Auf die Musikszene bezogen, können diese Hürden dank Projekten wie dem Club-Festival Marry Klein eingerissen werden. Während des ganzen Aprils wird das Harry Klein zum Marry Klein – der Club bietet dann nicht nur ausschließlich weibliche DJs, sondern auch Workshops. „Eine solche Veranstaltung kann zumindest temporär einen Raum schaffen, in dem sich Frauen ungezwungen treffen, vernetzen und ausprobieren dürfen“, sagt Julia.

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Diesen Raum hat auch Stefanie Raschke genutzt. Seit sie sechzehn ist, begeistert sich die junge, elegant gekleidete Frau für elektronische Musik – „sobald ich angefangen habe, feiern zu gehen, hat mich der kreative Aspekt, das Ausprobieren und Austoben gereizt.“ Zwar waren viele in ihrem Umfeld skeptisch, andere haben sie jedoch gefördert. „Ich hatte das Glück, die Grundkenntnisse zu erlernen – Fehler sind für einen selbst nicht so schlimm und man bekommt erste Kontakte, ohne gleich ins kalte Wasser geschmissen zu werden.“ Die Management-Studentin sieht auch technische Hürden als Grund dafür, dass weniger Frauen als DJ arbeiten. „Leidenschaft für Musik ist ja total unabhängig vom Geschlecht, daran kann es nicht liegen. Aber die Technik, die beim Auflegen und beim Produzieren verwendet wird, kann sehr abschreckend wirken.“ Bei ihrem ersten Auftritt habe es einen Technikausfall gegeben, sagt Stefanie und schmunzelt – und das, obwohl sie davor alles hundertfach gecheckt habe. „An genau diesen Erfahrungen wächst man aber – und seitdem will ich nicht mehr aufhören aufzulegen“, erzählt sie glücklich, aber noch etwas erschöpft von einer „wahnsinnigen 10 Stunden Session“. Am 1. April hat Stefanie mit Bebetta, einer der bekanntesten Frauen der Szene, den Marry-Klein-Monat eröffnet. Daneben legt sie regelmäßig bei Events vom Wannda Circus auf.

Auch im Bahnwärter Thiel ist an diesem Abend von der Männerdominanz am Mischpult nichts zu sehen. Mit Alma Detloff alias Alma Gold ist eine der Vorreiterinnen von Münchens weiblichen DJs zu Gast. „Anfang 2000“, erwähnt Alma fast nebenbei, „da hat alles angefangen – und ich schätze, dass es damals noch viel weniger Frauen waren als heute, etwa fünf Prozent.“ Alma hat schon einige Entwicklungen miterlebt, unter anderem die Anfänge von Marry Klein. „Ich stehe total hinter dem Projekt“, schwärmt sie. „Auf der einen Seite ist es für uns DJs eine tolle Möglichkeit, sich mal unter Frauen auszutauschen – man macht dann doch andere Erfahrungen.“ Ebenso glaube sie, dass das Publikum großes Interesse daran zeigt – und „das bringt der weiblichen DJ-Szene natürlich auch Aufmerksamkeit“.

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Alma sieht trotzdem unter weiblichen DJs große Unterschiede. „Es gibt natürlich die C-Promi-DJs, die wegen ihrer Bekanntheit gebucht werden. Aber besonders in Clubs wie dem Harry Klein wird niemand gebucht, nur weil sie eine Frau ist.“ Der Meinung ist auch Musikblogger und DJ Moritz Butschek von Two in a Row. „Die Musik muss immer stimmen, egal ob Mann oder Frau“, erklärt er. Viele Frauen würden es sich trotzdem nicht so schnell zutrauen, spontan auf die Bühne zu gehen. „Ein Kenner der Szene hat mir mal erzählt, dass sich einige Frauen mehr Gedanken um ihr Set machen und sich dann trotzdem manchmal nicht trauen, den Anfang zu machen.“

Die Entwicklung gehe in den vergangenen Jahren dennoch in die richtige Richtung. „Man sieht mittlerweile nicht nur beim Marry Klein immer mehr Frauen hinter den Plattentellern in München“, sagt Moritz. Stefanie, Julia und Alma sind keine Ausnahme mehr – und freuen sich alle auf rege Beteiligung bei den DJ-Workshops beim Marry Klein. „Es gibt viele Frauen, die Lust darauf hätten, aufzulegen – die Zusammenarbeit mit erfahrenen DJs hat mir auch einen Ruck gegeben, immer weiterzumachen“, sagt Stefanie. Und Alma sieht Positives für die gesamte elekronische Musikszene: „In der Musik ist es wie in den Chefetagen – die Mischung macht es. Mehr Frauen bereichern die Szene, und eine gute Mischung führt zu einem schönen Resultat“. Das verschwitzte Publikum im Bahnwärter Thiel vor ihrem Mischpult sieht das genauso. Und während Alma mit gekonnten Handgriffen die Tanzschritte der Feierwütigen dirigiert, wummern die Bässe weiter durch die Nacht.  

Fotos: Said Burg, Andi Kusy  und Jens Moiré

Von: Matthias Kirsch

Ein Abend mit: Leon Weber alias L C A W

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Leon Weber alias Lcaw ist Musiker und DJ. Zwar ist er erst 21, aber verwüstete Hotelzimmer während der Tournee, das kennt er schon.  Wenn er gerade mal nicht in Australien, Shanghai oder New York die Leute mit seiner Musik zum Tanzen zu bringt, findet man ihn im Nachtleben seiner Heimatstadt München.

Hier beginnt mein Abend: Bei mir zu Hause. Ich bin immer gerne Gastgeber  für das frühe Abend-Programm.  

Danach geht’s ins/zu: Wenn es Tanzabende sind: ins MIAO, MMA oder ins Harry Klein. Für Abende in einer Bar sind das Katopazzo oder das Cafe Kosmos sehr empfehlenswert

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: „Ich gebe die erste Runde aus.”

Mit dabei ist immer: Jemand, der spontane und verrückte Ideen hat.

An der Bar bestelle ich am liebsten: Augustiner, im Ausland Gin Tonic.

Der Song darf auf keinen Fall fehlen: Ich denke einiger der wenigen Artists, die regulär in meinen Playlisten auftauchen, ist „Totally Enormous Extinct Dinosaurs”, wenn es ein bestimmter Track sein muss: “Household Goods”.
Ansonsten darf von “Bonobo” das Lied “Kong” nicht fehlen.

Mein Tanzstil in drei Worten: Hoffentlich schaut keiner

Der Spruch zieht immer: “Hier haste nen Fuffi… “

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist:
Da gibt es München ja leider nur wenig gute Alternativen zum Döner

Meine dümmste Tat im Suff war: Nach einem Auftritt, auf meiner Australien Tournee, mit den anderen DJs und Freunden für die Afterparty auf mein Hotelzimmer zu gehen. War ein wunderbarer Abend, aber die Folge war eine gigantische Hotelrechnung. ( Kommt leider öfter vor )

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s bei:
Mama.

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Dem Atomic Cafe, schöne Erinnerungen sind mit dem Club verbunden.

Webseite: https://soundcloud.com/l-c-a-w , www.facebook.com/Official.LCAW

Stephanie Albinger
Foto: Marco Lowes

Ein Abend mit: Moritz Butschek

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Wenn jemand in München weiß, wo das Weggehen Spaß macht, dann ist es Moritz Butschek. Er legt nicht nur in der ganzen Stadt als DJ auf, er betreibt auch zusammen mit Angelika Schwarz den mittlerweile fünf Jahre alten Blog Two in a Row, auf dem jeden Tag das junge Münchner Kultur- und Nachtleben vorgestellt wird.

Der beste Ort zum Vorglühen: Wo die Freunde sind

Danach geht’s ins/zu: Miao, Harry Klein, MMA, Kong, Registratur, Rote Sonne, Bob Beaman, Pathos oder wo auch immer es sich am jeweiligen Abend anbietet.

Mit dabei ist immer: Motivation

An der Bar bestelle ich am liebsten: Helles

Betrunken philosophiere ich über: Betrunken?

Der Song darf auf keinen Fall fehlen: www.twoinarow.com/tag/track-of-the-week

Mein Tanzstil in drei Worten: Betrunken?

Meine dümmste Tat im Suff war: So etwas gibt es bei mir natürlich nicht

Das beste Katerfrühstück gibt`s im/bei: Bett

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Café King/ Loft

Die nächsten Auftritte: Im Sisyphos in Berlin, Pathos, dem Miao der Gomma-Crew und Sound of Munich der Süddeutschen Zeitung im Feierwerk

Stefanie Witterauf

Foto: Ferdinand Zahn