In der Musik, die Kevin Zaremba und Matthias Kurpiers produzieren, geht es meist um Großes. Um Liebe, ewige Nächte, stille Augenblicke. Das hat Erfolg. Großen Erfolg.
Matthias Kurpiers? Kennt kaum einer. Sein Gesicht? Vermutlich noch nie gesehen. Und doch ist der 26-Jährige derzeit wohl einer der erfolgreichsten Musiker in München. Wenn seine Songs live auf der Bühne gespielt werden, steht er jedoch irgendwo im Publikum und hört zu. Während etwa About Barbara Matthias’ Song „Bis der Himmel sich dreht“ zum Besten gibt. „Ich glaube, wir sind nicht unbedingt die Typen, die sich ständig in den Mittelpunkt stellen müssen“, sagt Matthias über sich und seinen Kollegen Kevin Zaremba. Zusammen sind sie Achtabahn. Ein Produzenten-Duo aus München.
Die beiden jungen Männer sind gerade dabei, bislang unentdeckte Münchner Talente in die Welt des Pop-Business zu katapultieren. Und das fast schon wie am Fließband. Inzwischen arbeiten sie vorrangig als Produzenten mit einem guten Dutzend Künstler zusammen. Und sie alle eint ein „berauschender Erfolg“, wie es Matthias nennt. Erfolg zumindest auf den Musikplattformen im Internet. Die meisten der von ihnen produzierten Songs können sechs- bis siebenstellige Klickzahlen bei Youtube nachweisen. Kritiker wenden ein: Gute Musik macht aber mehr aus. Sie ist mehr als nur eine Zahl.
Matthias, kräftige Statur und ein umso weicherer Blick, und Kevin, der Ruhepol des Duos. Die beiden jungen Musiker haben als Produzenten und Songwriter ihre Nische gefunden. Sie sorgen seitdem für den medialen Erfolg anderer Künstler. „Es ist ja nicht so, dass wir nicht gerne selbst auftreten“, sagt Matthias. Die Arbeit als Produzenten, als Drahtzieher im Hintergrund, habe irgendwann einfach Überhand gewonnen.
Die Erfolgsgeschichte von Achtbahn ist geprägt von Willensstärke. Von einem Gespür für die deutsche Popwelt. Dafür, mit welchen Songs man bis ganz nach oben kommt. Kevin bastelt gerade im Nebenzimmer eines gemütlich eingerichteten Tonstudios im Münchner Westen an neuen Aufnahmen. Matthias trägt Hoody, Shorts und Markenschuhe, sitzt breitbeinig unter einem Plakat, die Hände ineinander gefaltet. Er zupft sich seine schwarze Cap, die mit einem schwarzen Achtabahn-A bestickt ist, immer wieder zurecht. Mit tiefer, angenehmer Stimme beginnt er zu erzählen: Früher habe er viel gerappt, sagt er. In der Musikszene seiner Heimatstadt Wolfratshausen traf er auf Kevin, der damals noch im Dance-Bereich agierte. Die beiden beschlossen, gemeinsam Musik zu machen.
Matthias erzählt von „Budapest“, ihrem ersten Remix, mit dem sie erst eine Abmahnung von Sony bekamen, weil sie es mit dem Urheberrecht nicht ganz genau genommen haben. Der Track wurde dennoch tausendfach abgespielt. Schnell standen sie so auf dem Merkzettel mehrerer Major-Plattenfirmen. „Da haben sich dann die Türen geöffnet“, sagt Matthias. Die beiden machten einfach weiter. Konzentrierten sich aufs Musik produzieren, so viel es eben ging. Matthias schmiss die Schule. Zog nach München. Tagsüber ließ er die Ausbildung als Industriemechaniker über sich ergehen, nachts bastelten sie an den ersten eigenen Songs. „Das war nicht einfach damals“, sagt Matthias. Heute arbeiten sie hauptberuflich an ihrer Musik.
Anfangs traten Kevin und Matthias noch häufig als DJs auf Festivals auf. Und sie begannen, sich in der Münchner Szene umzusehen. Nach Musikern, mit denen sie arbeiten könnten. Inzwischen haben sie Achtabahn Records gegründet. Eine Plattenfirma, mit der sie einige ihrer Künstler unter Vertrag nehmen. Sie schleudern, so der Plan, unentdeckte Musiktalente gewissermaßen ins ganz große Rampenlicht.
Beachtlich ist das vor allem, wenn man bedenkt, dass keiner von ihnen studierter Musiker ist. „Eigentlich spielt auch keiner von uns wirklich ein Instrument“, gibt Matthias zu. „Aber ich glaube nicht, dass das heutzutage überhaupt noch notwendig ist“. Elektronische Musikprogramme werden immer ausgefeilter und beginnen, das Konzept einer Band mit Instrumentenbesetzung zu überrollen. Mancherorts haben sie das vielleicht schon. „Das Musikbusiness hat sich zu einer richtigen Maschinerie entwickelt“, sagt Matthias. Romantik werde meist nur nach außen verkauft.
Falsche Romantik? Matthias scheint das zu stören. Sein lockerer Erzählton versinkt in Nachdenklichkeit. Trotzdem: Den beiden kam das immer gut gelegen. In der Musik, die sie mit Künstlern wie Körner, Julia Kautz, Fabian Wegerer oder eben auch About Barbara produzieren, wird meist dick aufgetragen. Es geht um Großes, um Liebe, ewige Nächte, stille Augenblicke. „Wenn es böse oder schlecht/ Wenn es gut ist, oder echt/ Gänsehaut lügt nie“, heißt es etwa in Körners Debüt-Single „Gänsehaut“. Jeder Künstler verleiht einem Song eine eigene Handschrift.
Dennoch ähnelt sich bei Achtabahns Musikern vieles erstaunlich stark: Sanft angeschlagene, wippende Akkorde leiten einen einprägsamen Mitsing-Refrain ein. Immer wieder werden die Strophen von langen Instrumental-Loops durchbrochen. „Unseren Style versuchen wir immer unterzubringen“, sagt Matthias. Ihr Style? Deep-House, kommerzialisierter Singer/Songwriter sozusagen. Nach Ecken, Kanten, Überraschungen sucht man lange. Besonders innovativ ist das nicht – ein gewisses Händchen für einen guten Song kann man den beiden Männern im Hintergrund allerdings keineswegs absprechen.
Gearbeitet wird dann oft in einer Art „Dreiecksstruktur“, wie Matthias es beschreibt. Er schreibt die Texte, Kevin baut die Beats. Der Künstler trägt die Songs – die er durchaus mitentwickelt – dann nach außen. Kevin und Matthias bleiben meist abseits des Rampenlichts.
Dafür arbeiten sie umso effektiver. „Irgendwann hat man es raus, wie das Ganze funktioniert“, sagt Matthias. Er und Kevin sind auch ein Beleg für eine Generation, die mit dem sich durch Youtube und Spotify rasant ändernden Musikmarkt aufgewachsen ist. „Heute kann es jeder schaffen, ohne überhaupt Geld für Werbung ausgeben zu müssen“, sagt Matthias. Seine Stimme wird fest vor Überzeugung. Der Erfolg ist für Achtabahn fest an die sozialen Plattformen geknüpft. „Wir glauben an uns. Wir glauben an unsere Künstler.“ Eine Verbindung, die bisher verlässlich Ergebnisse liefert. Und junge Musiker fördert.
Barbara Buchberger, 23, kann davon ein Lied singen. Seitdem Matthias sie im Oktober 2014 angesprochen hat, musiziert sie als About Barbara mit und für Achtabahn. „Ich habe davor auf jeden Fall eine andere Musik gemacht“, sagt die Studentin. In ihrem Nebenprojekt SEA:K widmet sie sich meditativ angehauchtem englisch-sprachigen Dream-Pop. Die Zusammenarbeit mit den beiden Münchnern, das Singen deutscher Songs sei für sie vor allem eine Möglichkeit, sich weiter auszuprobieren. „Wir finden immer einen gemeinsamen Nenner“, sagt Barbara, die am 1. Juli auf dem Stadt-Land-Rock-Festival der SZ-Junge-Leute-Seite auftritt. Die 500 000 Klicks, die ihre Debütsingle „Bis der Himmel sich dreht“ innerhalb kürzester Zeit auf Youtube einbrachte, nennt Matthias noch heute „Wahnsinn“.
Zahlen, Deals, Radioplays, Chartplatzierungen. Immer wieder nennt Matthias diese Begriffe, wenn er von Erfolgen spricht. Damit wird nicht jeder übereinstimmen. Besonders jene Künstler abseits des Massengeschmacks, die sich schon immer schwertaten mit dem Ausverkauf ihrer Kunst. „Erfolg ist wie eine Sucht“, erzählt Matthias. Dafür wollen die beiden unter dem Namen „Achtabahn“ wieder verstärkt eigene Songs und Remixes veröffentlichen. Und im Sommer dann auch wieder als DJs auftreten. Matthias will wieder auf einer Bühne stehen. Nicht bloß davor.
Text:
Louis Seibert
Foto: Achtabahn