Band der Woche: Willing Selves

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Anton und Antonia machen gemeinsam Musik. Und das schon lange. Denn Anton und Antonia sind Geschwister. Mit den “Willing Selves” startet nun ihr zweites gemeinsames Projekt: guter Elektro/Pop.

Das Verhältnis von Geschwistern ist oft seltsam. Das beginnt mit der Eifersucht des Erstgeborenen auf den Nachzügler, trägt sich in Behauptungsstreitigkeiten weiter, bildet ein seltsames Konkurrenzverhältnis, in dem aber gleichzeitig ein kaum zu überbietendes Vertrauen liegt. Kompliziert ist das. Umso erstaunlicher sind dann immer wieder die Geschwister, die kreativ zusammenarbeiten und sich darüber nicht irgendwann zerstreiten. Es gibt da bekannte Beispiele wie die Coen-Brüder, es gibt Fake-Geschwister wie die White Stripes, die eigentlich verheiratet waren und sich nur als Bruder und Schwester ausgaben, und es gibt seltsam künstliche Geschöpfe wie die TV-Zwillinge Ashley und Mary-Kate Olsen.

Fast normal wirken da Antonia und Anton Schröpfer, Geschwister und Münchner Musiker, die zusammenarbeiten, seit sie 16 und 17 Jahre alt waren. Damals spielten sie eine verdrehte Form von Reggae. Danach folgte nicht etwa ein Ablösungsprozess, sondern die nächste Band, sowie ein gemeinsames Haus, in dem sie auch ihr Tonstudio haben. Mit dem zirkushaft-melancholischen Trip-Hop-Soul-Projekt Trallala bekamen sie einige Aufmerksamkeit, seit 2016 treten sie in alter Gemeinsamkeit unter dem neuen Namen Willing Selves auf. „Der Wechsel des Namens soll ganz einfach eine Entwicklung zum Ausdruck bringen“, sagen sie, Trallala habe im Gegensatz dazu einen sehr kollektiven Ansatz gehabt. „Trallala hatte viele Gesichter, die die Band über die Zeit hinweg repräsentierten. Mit jedem neuen Gesicht transformierte sie sich“, erklären sie. Bei Willing Selves wollen die beiden nun als konstante Gesichter erkennbar bleiben. Das funktioniert hauptsächlich über die Stimmen. Antonia hat dabei eine tief-soulige Singstimme, die Anton zum Teil auch rappend unterstützt. Doch auch musikalisch hat sich etwas verändert. Während die Ästhetik von Trallala bisweilen überdreht eklektisch war, klingen Willing Selves nun reduzierter, wenn auch nicht weniger stilübergreifend. Etwa die erste Single „Sunset“: Ein zurückgenommener, subtil schiebender elektronischer Track, der die beiden Stimmen markant in den Vordergrund stellt. Doch nach und nach verdrängen einzelne Klavier-Töne mit unterschwelligem Drama die loungige Atmosphäre. Das ist Popmusik, die im besten Sinne so eigensinnig ist wie etwa die Musik von Aimee Mann, die sich ebenfalls nie ganz einer einheitlichen Ästhetik oder Vermarktung unterordnen ließ.

Doch ganz alleine läuft das nicht. Auch als Willing Selves arbeiten die beiden Musiker mit Produzenten zusammen. Etwa die Kollaboration mit dem Landshuter DJ und Produzenten Future Proof, dem sie für seine EP „People“ ihre Stimmen liehen – aus dieser Zusammenarbeit entsprang der Willing-Selves-Track „4Keeps“.

Dass hier eine elektronische Ästhetik überwiegt, wollen die beiden jedoch keineswegs als richtungsweisend verstanden wissen. Denn gerade sei es auch spannend für sie, wieder zu akustischen Instrumenten zurückzukehren, Anton an die Gitarre und Antonia ans Klavier. Das sei etwas, dass sie sich auch live vorstellen können. Für die Umsetzung der Musik auf der Bühne, wollen sie sich nun von ihrer bloßen Sängerrolle lösen und auch als Instrumentalisten auftreten.

Anton und Antonia sind dabei so etwas wie perlende Außenseiter der Münchner Szene. So ganz haben sie sich nie einer gewissen Ästhetik oder Linie angeschlossen, gleichzeitig zeigen sich ihre Veröffentlichungen immer überraschend und glitzernd anders – auch wenn es in der Musik nie um Verweigerung oder Rebellion gegen bestehende Ästhetiken geht.  Rita Argauer

Stil: Elektro/Pop
Besetzung: Antonia Schröpfer (Gesang, Klavier, Produktion), Anton Schröpfer (Gesang, Gitarre, Produktion)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.facebook.com/willingselves

Text: Rita Argauer

Foto:
Florian Paulus/Kommando Kunst

250 Zeichen Wut:

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Sommer adé,
Herbst okay. Aber.. dass das Fahrradl damit in erster Linie stillsteht und man
wieder auf die Münchner Verkehrsbetriebe, also die „Öffis“, angewiesen ist, widerstrebt
unserer Autorin dann doch sehr.

Grundsätzlich
bin ich dem Herbst ja sehr zugeneigt. Klar, spontan die Füße in die Isar dippen
hat sich vorerst erledigt. Auch kommt niemand mehr auf die Idee, sich für
BallaBeni-Eis bis zur Kreuzung in die Schlange zu stellen und damit die
Vorbeifahrenden zu amüsieren. Doch habe ich persönlich ebenso große Freude an Hokkaido-Sonderangeboten,
die jetzt allerorts im in der Oktobersonne leuchten. Was nun aber gar nicht
geht, sind Windböen und Nieselregen, nasse Fahrradsitze, träge S-Bahnen und
Bauarbeiten an der U2! Ach, und ja natürlich, der finster lauernde Viren-Mob!
Ob an Haltestangen oder Türgriffen, dir gegenüber oder zu deiner Linken: der
Feind in meinem U-Bahn-Abteil, er ist real! Oh du liebes Sommerrad, was wirst
du schmerzlich vermisst!

Text: Yvonne Gross

Optimale Verwertung

Tonnen für die Tonne? Vier Studentinnen haben eine App zur Müllvermeidung erfunden. Das Patent ist angemeldet.

Wir kaufen. Wir essen. Wir vergessen. Pro Jahr landen dem World Wide Fund For Nature zufolge weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Müll. Tonnen für die Tonne. In Deutschland sind das jährlich 82 Kilogramm Nahrungsmittel pro Person. Oft wird dabei nicht darauf geachtet, ob diese auch wirklich schlecht geworden sind. Und genau diese Unaufmerksamkeit wollen jetzt Jana Imling, 21, Franziska Reitinger, 21, Teresa Rumpler, 22, und Christiane Schweda, 20, ändern. Mit einer App.

Sie sind Studentinnen des Studiengangs Design und Innovationsmanagement der AMD in München und sagen: „Unsere Lösung ist eine App, die dem Nutzer hilft, seine Lebensmitteleinkäufe optimal zu organisieren und zu verwerten. Damit wollen wir jedem Menschen die Möglichkeit geben, selbst ein Stück zur Weltverbesserung beizutragen.“

Jana, Franziska, Teresa und Christiane tragen Jeans, einfache Blusen, T-Shirts und Sneakers, wenig bis kein Make-up. Kaum gestylt, ganz natürlich. Die vier jungen Frauen wirken bodenständig. Die Haare sind vom Fahrradfahrtwind verweht, die Blusen knittrig aufgrund der langen Pendelstrecken auch über München hinaus. Sie wirken ein wenig gestresst von den vielen Nebenjobs, die man im teuren München für die teure Akademie dankend annimmt, um sich neben der finanziellen Unterstützung der Eltern auch etwas leisten zu können. Eltern, denen man – wie jeder andere Student auch – gerne mal den Kühlschrank plündert. Und während man meist nach den Lebensmitteln auf Augenhöhe greift, stoßen die vier Studentinnen auch immer wieder auf Lebensmittel, die (weit) über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus abgelaufen sind. 

„Man stellt die Dinge einfach rein, oft aus Faulheit und vergisst dann die älteren Nahrungsmittel nach vorne zu räumen. Irgendwann beginnt dann das große Wegschmeißen“, sagt Teresa. Dass sich die vier einmal während ihres Studiums mit dem Problem der Lebensmittelverschwendung genauer beschäftigen würden, hätten sie anfangs nicht gedacht. Und dass sie daraus auch noch eine Herzensangelegenheit entwickeln würden, die nun weit über ihr Studium hinausgeht, war ihnen ebenso wenig bewusst.

Alles begann in der Lehrveranstaltung „Normatives und ethisches Management“. Die Studierenden sollten innovative Konzeptideen mit Marktreife entwickeln. Es galt eine Idee auszuarbeiten, die ein soziales Problem löst, und der Welt und dem Menschen hilft. Eine Idee, die das Zeug zu einem profitablen Geschäftsmodell hat. Also machten sich die vier jungen Frauen Gedanken.
Von einer App für geflüchtete Menschen bis hin zur Wassereinsparung in öffentlichen Einrichtungen war vieles dabei. Denken macht hungrig – und irgendwann sind sie auf den Kühlschrank gekommen, oder vielmehr auf die Lebensmittelverschwendung.

„Man braucht nur einmal einen Blick in die eigenen vier Kühlschrankwände zu werfen“, sagt Christiane. „Zu viel wird frühzeitig grundlos weggeschmissen, obwohl man die Dinge noch verwerten könnte. Wir wollen das Konsumverhalten der Menschen verändern und ein Umdenken in der Gesellschaft erzielen.“ Die Zielsetzung der vier Studentinnen: Sie wollten eine Lösung finden, die dauerhaft etwas bewirken und die Situation verbessern kann. So kamen sie auf die Idee, eine eigene App zu entwickeln, die sie „Save the Food“ nannten.

Beim Öffnen von „Save the Food“ soll zuerst ein Kühlschrank zu sehen sein. Darunter ist eine Leiste mit verschiedenen Funktionen abgebildet. In der Mitte befindet sich ein Scanner für den Barcode, mit dem die verschiedenen Lebensmittel eingelesen werden müssen. Dafür soll man das jeweilige Produkt vor die Kamera des Smartphone halten, um den Bar- oder QR-Code zu erfassen. Wenn der Code nicht erkannt werden kann oder es sich um Lebensmittel handelt, die nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sind wie zum Beispiel Gemüse und Obst, dann soll die manuelle Eingabe des Datums möglich sein. Auch die Anzahl eines Produktes lässt sich dadurch eingeben. Hat man ein Produkt erfolgreich erfasst, wird automatisch ein Wecker gestellt, mithilfe dessen dann eine Pop-up-Nachricht daran erinnern soll, wann die Lebensmittel ablaufen.

„Das Tolle an der App soll sein, dass wir nicht nur das Bewusstsein der Menschen im Umgang und Konsum mit Lebensmitteln verbessern wollen. Wir wollen auch einen emotionalen Nutzen für den User schaffen: Die App soll nicht nur den Hinweis liefern, dass etwas abläuft, sondern gleichzeitig auch Rezeptideen. So kann man vorhandene Lebensmittel vor dem endgültigen Verfall retten, aber auch zu leckeren Gerichten kombinieren“, sagt Jana. Durch die Verwendung eines Rezepts, wird dann das jeweilige Produkt aus diesem „Weckersystem“ herausgelöscht.

„All unsere Freunde sind begeistert von der Idee. Wir stoßen immer wieder auf
positiven Zuspruch“, sagen die vier Studentinnen stolz. Stolz sind die Erfinderinnen auch auf ihre bereits erfolgte Patentanmeldung. Im nächsten Schritt stehen sie nun vor der Herausforderung, die Apptatsächlich umzusetzen und zu programmieren. Von einer kleinen Idee ist schon lange nicht mehr die Rede. Es gilt nun, das große Projekt endgültig in die Tat umzusetzen.

Und wie sieht es mittlerweile in ihren Kühlschränken aus? Was muss dort immer vorrätig sein? Sie überlegen nicht lange. „Teresa ist eine absolute Ketchup-Liebhaberin, Jana isst gerne viel mit scharfem Senf, Christiane schmiert Mayonnaise auf alles und ich liebe Erdnussbutter“, sagt Franziska. Alles Dinge, die sich lange halten und die man bei täglichem Gebrauch wohl weniger schnell vergisst.


Text: Laura-Marie Schurer

Foto: Privat

Albumkritik // The Tonecooks – Postcards From The Sun

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Mit treibenden Mitsing-Refrains und funky Gitarren zogen die vier Münchner in den vergangenen Jahren durch die Indie-Clubs der Stadt. “Postcards From The Sun” heißt nun ihr neues Album. Voller Musik, die gleichermaßen zum Tanzen und Träumen verleitet

Jungen Bands, so könnte man
meinen, fällt es immer schwerer, eine markante musikalische Handschrift zu
entwickeln. Seitdem Legenden wie Queen oder Pink Floyd vor über 30 Jahren anfingen,
die Popmusik zu revolutionieren ist unglaublich viel passiert. Grenzen selbst
neuartiger Genres wie Psychadelic oder auch Indie scheinen weitestgehend
ausgeleuchtet zu sein. Kraftklub, die bekannte Deutsch-Rap-Rock-Band betitelt diesen
Drang einer Generation nach mehr Selbstdefinition ernüchtert „Egal wo wir
hinkommen, unsere Eltern waren schon eher hier“.  Die frische Indie-Platte „Postcards From The
Sun“ von den Münchnern The Tonecooks zeugt hingegen davon, dass die
Landeshauptstadt sich auch zukünftig keinesfalls auf musikalische Uniformität
einzustellen hat.

Bereits in ihrem ersten Album
„Camel And The Ghost Train“ bewiesen die vier Münchner ein feines Gespür für
einen kreativen und neuen Sound. Funkverhangene Gitarren und treibende Mitsing-Refrains
sollen auch auf dem neuen Album nicht fehlen. Zunächst aber zum instrumentalen
Opener „Nuage Noir“, mehr subtil anmutendes Präludium als Vorschlaghammer. Die
surrenden Gitarren und das Bass-Solo geben gleich zu Beginn den Ton der Platte
an. Denn die findet in den fein-verspielten Instrumentalteilen und
psychedelischen Rhythmen ihre Highlights.

Mit dem darauffolgenden „Carry On“ nimmt das Album dann richtig an Fahrt auf. Die aufwühlenden Schlagzeugbeats
und der eingängige Refrain lassen Tanzstimmung aufkommen. Wahrscheinlich ist es
auch das so verspielte und schnörkelreiche Zusammenspiel von Lead- und
Rhythmusgitarre, dem die Tonecooks ihren so wiedererkennbaren Sound verdanken.
„Dreaming Of Home“ hingegen schlägt ruhigere Töne an. Es ist ein tiefgängiger,
nachdenklicher Song über einen abgehängten alten Mann ohne Sinn für den
Wirrwarr der modernen Welt.

Der Titeltrack „Postcards from
the Sun“
ist ein echter Knüller. Er holt den scheinbar so fernen Festivalsommer
zurück. Jedenfalls gehören der hymnische Refrain und die Gitarrenriffs viel
eher auf große Festivalbühnen als in kleine Kellerclubs. Das abgedrehte Vor-
und Zwischenspiel macht den Song zum wohl reifsten des ganzen Albums.

Als Ruhepol vor dem großen Finale
fungiert „Alright“. Es ist der einzige akustische Song der ganzen Platte. Ganz
anders die folgenden „Rising“ und „Expectations“. Hier dominieren verzerrte
Gitarren und die markante Stimme des Sängers Julius Krebs. Zwei kraftvolle
Nummern, die beide jedoch ein Stück zu sehr lauter Rock-Song sein wollen und eher
überladen scheinen. Live funktionieren die Songs hervorragend, auf Band wirken
sie ein wenig kontrapunktierend.

Den Schlussauftritt machen die
ineinander gekoppelten Stücke „The Bay I“ und „The Bay II“. Rauschhaft bauen
Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang immer weiter aufeinander auf und münden in
ein mal lautes, mal leises Gitarrenfeuerwerk. Ein mehr als würdiger Abschluss
für ein Album das sich immer wieder wie eine wunderschöne Reise hören lässt.

Die Tonecooks verpacken solch ausführliche
kreative Ausflüge in ihre ganz eigene und handgemachte Form von Musik. In eine
erfrischend neue Symbiose. In der einzigartig viele musikalische Ideen auf engstem Raum
gesammelt wurden. “Postcards From The Sun” dürfte viel frischen Wind in die hiesige Indie-Szene bringen. Es ist ein Album das eindeutig Lust auf mehr macht. 

Wie weit die kreative Reise durch
das interstellare System wohl ging? Von der Sonne haben die Münchner zum Glück
ein paar Postkarten mitgebracht. Und das wird gefeiert: Am Montag, den 30.
Oktober ab 20 Uhr 30 in der Milla.

Text: Louis Seibert

Foto: Julian Lopez

Band der Woche: Cadet Carter

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Von unermüdlich Strebsamen und gläsernen Decken des Musikgeschäfts: mit Cadet Carter wagen vier Musiker aus München erneut den großen Wurf.

Das Pop-Business lebt von wunderbaren Aschenputtel-Märchen: Menschen aus einfachen Verhältnissen finden in der Popmusik einen Ausdruck, der dem Zeitgeist entspricht, und schon sind sie weltberühmt, reich und schön, wobei sie letzteres im Idealfall vorher auch schon waren. Besonders in den USA wird diese Art der Karriere immer noch liebend gerne nacherzählt. Doch die viel größere Anzahl von Musikern fristet ein Dasein in der Mitte. In Deutschland ist dieses Mitte-Dasein sogar mehr oder weniger der Standard. Denn selbst Bands und Musiker, die hierzulande überregional besprochen werden und bekannt sind, können nur in wenigen Fällen von der Musik leben. Und richtig glamourös wird es sowieso nicht. Die Bands in der Mitte jedoch, die Touren fahren und auf überregionalen Labels veröffentlichen, die zeichnet alle eine besondere Hingabe, ja Leidenschaft aus. Es ist quasi die gläserne Decke der Popmusik, die hier nicht Frauen von den bestbezahlten Jobs in den Mega-Konzernen trennt, sondern den Großteil der deutschen Bands von den wenigen, die ein Pop-Star-Leben führen können.

Nick Sauter, in München bekannt als Sänger und Kopf der Band Pardon Ms. Arden, möchte es jetzt noch einmal wissen. Pardon Ms. Arden waren der gläsernen Decke schon ziemlich nah gekommen, nachgegeben hat die bei dieser Band allerdings nicht. Jetzt hat Nick mit Cadet Carter eine neue Formation gegründet, mit der erneut der Weg nach oben versucht wird: „Als Band gehen wir ganz klar All-In, wir wollen andauernd auf Tour sein, so viel spielen wie irgendmöglich und so viele Menschen mit unserer Musik erreichen, wie es geht“, erklärt Nick. Für Cadet Carter hat er nun Mitmusiker gefunden, die mit ihren vorherigen Bands alle ein gewisses Level erreicht hatten, dann sei jedoch „irgendetwas dazwischen gekommen, bevor es einen Schritt weiter gehen konnte“. Hardcore- und Punkbands waren das wie Gravity Lost und About An Author, bei denen der Bassist Pascal Theisen und der Schlagzeuger Benny Paska bisher gespielt hatten. Und von der Indie-Band The Backs stößt der Gitarrist John Bauer zu Cadet Carter dazu. Damit habe man eine „Konstellation gefunden, in der die Band für alle das Allerwichtigste ist, und jeder der Band alles unterordnet“, sagt Nick, und das sei für ihn der einzige Weg, wie Bands funktionieren könnten.

Musikalisch gesehen funktioniert diese Konstellation wie eine Zeitreise. Die Musik geht noch weiter zu den Wurzeln der Musiker zurück, Power-Punk und Fun-Punk, wie er Ende der Neunzigerjahre durch Blink 182 in den Mainstream gelangt war. Die Musik ist nicht mehr so indiefreundlich, wie das bei der britisch angehauchten Musik von Pardon Ms. Arden der Fall war. Cadet Carter klingen eine Spur härter und zielen mehr auf die Emo-Szene. Die ist zwar eine Nische, doch eine recht große, und verfügt über ein gut vernetztes und vor allem interessiertes Publikum. Das erste Album ist fertig, man hört dieser Band dabei an, wie genau die Musiker hier wissen, was sie tun: Die Harmonien, die einen mitnehmen, sind wohl geplant, während die verzerrten Gitarren drücken, aber nicht wehtun. Auch das Video zur ersten Single „Car Park Song“ passt genau: Glossy gefilmt spielt das Quartett auf einer Bühne, die auch in einem Stadion stehen könnte, das Publikum fehlt da noch, das könnte aber bald kommen. Ihr erstes Album werden sie im Januar 2018 auf dem überregionalen Label Uncle M veröffentlichen. Darauf erscheinen auch die Münchner Kollegen Blackout Problems, deren Fangemeinde ja durchaus schon eine gewisse Größe hat. Und mit den Donots ist dort auch eine Band unter Vertrag, die zumindest kurzzeitig die gläserne Decke in Deutschland durchbrochen hatte. 

Stil: Pop-Punk / Emo
Besetzung: Nick Sauter (Gesang, Gitarre), John Bauer (Gitarre, Gesang), Pascal Theisen (Bass, Gesang), Benny Paska (Schlagzeug)
Seit: 2016
Aus: München
Internet: www.cadetcarter.com

Text:
Rita Argauer 

Foto:
Käthe deKoe

Neuland: Capri.cious

Unter dem Namen “Capri.cious” arbeiten Studenten aus Wien und München gemeinsam an verschiedenen Produkten. Herauskommen unter anderem spannende Musikvideos und tolle Shirts.

“Capri.cious”. Dieser Name steht für ein Kunst-Kollektiv, das Studenten aus München und Wien vor gut einem Jahr gegründet haben. Neben dem fixen Kern, bestehend aus den vier Freunden Timotheus Ueberall, 24, Lorenz Mylonas, 23, Mira Possert, 23, und Julian Seiser, 25, sind circa zehn Leute involviert. “Durch die vielen unterschiedlichen Ideen, die die Leute in einem Kollektiv mit einbringen, wird eine absolute Traumvorstellung von Zusammenarbeit kreiert”, sagt Timotheus.

Aus dieser Zusammenarbeit entstehen Musikvideos, wie erst kürzlich für den Münchner Musiker Chuck Winter, oder auch eigens gestaltete T-Shirts. “Wir wollten die Mode machen, die wir selbst auch tragen würden”, sagt Timotheus. Die Ergebnisse ihrer kollektiven Arbeit werden alle drei Monate auf “Werkshows” ausgestellt, die mal in München, mal in Wien stattfinden. Für die Zukunft ist die Erweiterung von capri.cious auf andere Städte wie Zürich, Hamburg oder Berlin geplant. Und für jeden, den es im November nach Wien verschlägt: Die nächste “Werkshow" soll dort am 25. November stattfinden, mit so manchen analogen, digitalen und musikalischen "Schmankerln”.

Text: Amelie Völker

Foto: Daniel Schöllhammer, Michael Kraus

München Models: Elisa Teschner

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In München leben viele schöne Menschen. Unter ihnen gibt es auch einigeModels. Wir porträtieren jede Woche ein Münchner Model und erzählen von dem Menschen hinter dem hübschen Gesicht. Heute mit Elisa Teschner.

Blonde Haare fallen über nackte Haut. Ein scheuer Blick zur Seite. Nur mit Bikini-Hose und Jäckchen bekleidet posiert Elisa Teschner für den Fotografen Martin Holzner am Walchensee. Auf Instagram postet das Model diese Aufnahme mit einer Bildunterschrift, die zum Lachen bringt: “Just the truth: This is me posing topeless between plants, while thinking where the hell I can take a piss soon.” Elisa nimmt sich selbst nicht zu ernst, was wohl auch der Grund für die erfrischend sympathische und selbstbewusste Wirkung der 25-Jährigen zu sein scheint.

“Früher war das anders. Ich war noch sehr schüchtern und hatte Schwierigkeiten mit der Oberflächlichkeit der Model-Welt. Nun bin ich älter und pack das viel mehr. Wenn ich mein Seelenwohl brauche, dann finde ich das auch wo anders. Nun kommt das aus der Musik”, sagt sie. Als Frontsängerin der Band Eliza scheint sie wie geboren für das Leben im Rampenlicht. “Wenn ich mich vorstelle, dann sage ich nicht, dass ich Elisa, das Model, sondern Elisa, die Sängerin, bin. In dem Moment, wenn ich vor der Kamera stehe, lege ich meine ganze Persönlichkeit ab und mache einen Job”, erklärt Elisa. “Wenn ich aber mit meiner Band Musik mache, dann kommt das aus der Seele. Denn ich als Mensch, ich als Elisa, bin nicht jemand, der Produkte vor einer Kamera vermarktet, ich bin Musikerin.”

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Alessandra Schellnegger

Ein Leben für Argumente

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Christian Rausch, 21, leitet den Münchner Debattier-Club.
Die Motivation dahinter?  „Ich
rede einfach gerne und bin schon immer politisch interessiert gewesen.“ 

Fünfzehn Minuten. Innerhalb von fünfzehn Minuten eine Rede schreiben. Ganz ohne Hilfsmittel – versteht sich. Also ohne Internet oder Smartphone und ganz aus dem Bauch heraus eine siebenminütige Rede zu einem zuvor unbekannten Thema vorbereiten, die wiederum auch noch überzeugend sowie hieb- und stichfest die eigene Position darlegt. Alles klar soweit?

Für Christian Rausch, 21, ist das jede Woche Alltag, aber genauso auch eine Passion, der er nachgeht. Seit dem dritten Semester, also nun gut zwei Jahre, besucht Christian regelmäßig den Debattier-Club Münchens; seit vergangenem Juli ist er sogar dessen Präsident. Der Club existiert seit 2001 und ist für alle offen, die Spaß am Reden haben und darin ihre Fähigkeiten verbessern möchten. Damit steht er in der Tradition von Universitäten aus dem angelsächsischen Raum, wo das „Debating“ oftmals bereits Teil der Schulausbildung ist.

Bis zu 60 junge Menschen, vor allem Studierende aus allen Fachbereichen, treffen sich auch in München regelmäßig zum gemeinsamen „Trainieren“, überwiegend auf Englisch; schließlich möchte sich der eine oder andere auch auf internationalem Parkett messen. Für Christian ist dieser internationale Austausch mit die schönste Erfahrung beim Debattieren – an bisher acht „World Universities Debating Championships“ hat der junge Mann schon teilgenommen. Nach striktem Regelwerk werden dort zum Teil auch sehr kuriose Themen diskutiert; zum Beispiel, ob die Welt eine bessere wäre, wenn alle Menschen über „Highly Superior Autobiographical Memory“ verfügen würden, also in der Lage wären, jeden Tag ihres Lebens genau zu rekonstruieren. Grundsätzlich gilt für die Themenauswahl der Turnier-Debatten aber, dass sie zumeist doch sehr der allgemeinen öffentlichen Debatte entsprechen.

Aktuell muss sich Christian auf einen rhetorischen Wettstreit zum Thema „Ist Popfeminismus ein konstruktiver Weg zur Gleichberechtigung?“ vorbereiten. Der Debate Club, organisiert unter anderem von CNN, hat ihn angefragt. Sechs Debattanten sollen an diesem Montagabend im Cord Club diskutieren, ob prominente Fürsprecher mit dem Statement „I’m a Feminist“ dem gesellschaftlichen Diskurs tatsächlich einen Gefallen tun.

„Ich habe mich zur Vorbereitung mit verschiedenen Persönlichkeiten beschäftigt, unter anderem mit Nicki Minaj“, sagt Christian Rausch, „und ich möchte niemandem das Recht absprechen, sich in diese Debatte einzubringen. Aber was nützt es, wenn eine prominente Künstlerin proklamiert, sie sei Feministin und dann keinen konkreten, konstruktiven Lösungsansatz bietet?“

Er selbst kam über die Schule zum professionellen Debattieren: Damals habe er bei „Jugend debattiert“ mitgemacht und sei bis ins Landesfinale gekommen. Die Motivation dahinter? Christian überlegt kurz, dann sagt er: „Ich rede einfach gerne und bin schon immer politisch interessiert gewesen.“ Dies scheint auch der Grund zu sein, weshalb sich der Medizin-Student entschieden hat, zusätzlich noch Politikwissenschaft und im Nebenfach Philosophie zu studieren. Für ihn bedeute debattieren, „sich eloquent und logisch stringent mit Themen auseinanderzusetzen“ – eine Aufgabe, die sich auch im geisteswissenschaftlichen Studium häufig stellt.

Als Präsident des Clubs trägt Christian Rausch die Hauptaufgabenlast bei der Organisation für das Training der Anfänger und den Themenvorschlägen für die Treffen. Außerdem müssen Interessenten ja auch erst einmal angeworben sowie Kontakte zu Partnern, darunter Fakultäten, Schulen und auch Firmen, gepflegt werden. Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch das Organisieren der internationalen Turniere. Demnächst findet sogar eines in München statt: die „Munich Open“, vom 24. bis zum 26. November.

Wichtig ist Christian allerdings, dass auch die Arbeit seiner Kollegen im Vorstand gewürdigt wird. Gerade die Gleichstellungsbeauftragte nimmt eine besondere Position ein, denn der Präsident diagnostiziert einen klaren „Männerüberhang“: Der Frauenanteil im Club liege aktuell bei nur 30 bis 40 Prozent. Deshalb sei es wichtig, einen Ansprechpartner für alle zu haben, sagt Christian, um „eine Kultur zu schaffen, in der sich jeder willkommen fühlt.“ Dann setzt er grinsend nach: „Wir würden uns freuen, wenn mehr Frauen sich trauen, eine starke Meinung zu vertreten.“

Feminismus, erläutert der Student, werde „in sämtlichen Spielarten“ bei Turnieren häufig als Debattenthema ausgewählt. Auf das Format des Debate Clubs ist er schon sehr gespannt. Die Regeln seien hier zwar offener als im sogenannten British Parliamentary Style, doch auch das habe seine Tücken, befindet Christian. Er wird bei der anstehenden Debatte im Contra-Lager argumentieren. Und obwohl er natürlich bestätigt, dass es sich immer lohne, zu jedem Thema beide Perspektiven einzunehmen, entspricht die Zuteilung in dieser Debatte schon auch seiner persönlichen Meinung. Gerade mit Blick auf das Thema Popfeminismus fehlt ihm eine klare Botschaft. Ganz diplomatisch relativiert der Student aber zwischendurch diese Aussage. Schließlich sei alles, was er dazu zu sagen habe, auch mit Vorsicht zu genießen. Als weißer Mann in der westlichen Welt mache er selbst keine authentische Erfahrung mit Diskriminierung.

Und die aktuelle Debatte um den Hashtag „#metoo“? Steckt diese nicht auch längst in der Popfeminismus-Falle? Mitnichten, findet der Student. Auch die Kritik, dass mit Popfeminismus lediglich inhaltslose Aufmerksamkeit für eine gute Sache geschaffen werde, scheine da unberechtigt zu sein. Denn das Benennen eines Problems sei der erste Schritt zu dessen Lösung. Dies gelte auch für den Hashtag „#metoo“. Obwohl mittlerweile kontrovers diskutiert, mache er ja vor allem die Bedeutung des Problems sichtbar:
„Sexuelle Übergriffe sind kein Randphänomen, es besteht viel größerer Handlungsbedarf“, sagt Christian und fügt hinzu: „Am Ende ist so ein Hashtag auf jeden Fall viel mächtiger als jedes Nicki Minaj Video.“  Yvonne Gross

Rappen auf der Kanzel

“Als Poetry-Slammerin bin ich Entertainerin, als Pfarrerin verkünde ich das Wort Gottes”, sagt Veronika Rieger, 22. In beiden Fällen gehe es für sie um die Wahl der richtigen Worte. Und um Unterhaltung.

Veronika rappt: “Oh mein Gott, dieser Himmel, wie komm
ich da bloß rein? Oh mein Gott, dieser Himmel, wo zur Hölle soll der
sein?” Es ist der Refrain eines Songs von Marteria. Ihr Publikum ist
an diesem Tag eine kleine Gruppe gekonnt gelangweilter Konfirmanden, die
restlichen Anwesenden dürften wohl alle weit über 50 sein und von diesem Rapper
noch nie etwas gehört haben. Veronika stört das nicht. Sie steht auf der
Kanzel, trägt einen schwarzen Talar und ist der beeindruckende Beweis dafür,
dass Glauben manchmal auch ziemlich cool sein kann.

Als Veronika Rieger, 22, die an diesem Tag ein blaues Kleid
und einen blauen Blumenkranz im rötlichen Haar trägt, von ihrer Rap-Einlage erzählt,
muss sie schmunzeln. Lachfältchen um ihre ebenfalls blauen Augen werden
sichtbar. Sich Veronika in diesem Outfit auf einer Bühne mit einem Mikrofon in
der Hand vorzustellen, fällt nicht schwer. Aber in der Kirche auf der Kanzel?
Das erfordert schon mehr Vorstellungskraft. Doch Veronika kann beides: Seit
einem Jahr ist sie deutschlandweit als Poetry-Slammerin ziemlich erfolgreich.
Zudem studiert sie evangelische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität
in München und wird, so Gott will, einmal als Pfarrerin arbeiten.

Geplant war das alles nicht. Texte geschrieben hat Veronika
zwar schon immer, aber lange nur für sich selbst, nicht für ein größeres
Publikum. Auch der Weg zum Theologiestudium war kein direkter, denn studiert
hat sie zunächst fünf Semester Lehramt, ebenfalls an der LMU. “Dass ich
Theologie studieren werde, wollte ich mir anfangs selbst nicht
eingestehen”, sagt die sie. Pfarrerin sei eben leider kein cooler Beruf.
Sie grinst. Am Ende hat sie sich trotzdem dafür entschieden: Veronika will mit
Menschen arbeiten und sie auf ihrem Lebensweg begleiten. Außerdem sei es
deutlich leichter zu meckern, dass die Dinge nicht so laufen, wie man es gerne
hätte, als selbst etwas zu verändern. Am Ende gehe es doch schließlich um das,
was man selbst daraus mache, sagt sie.

“Von den Stereotypen, die man mit Pfarrern verbindet,
trifft kein einziges auf mich zu”, sagt sie selbstbewusst. Die Bibel habe
sie als Jugendliche zwar gelesen – ebenso wie den Koran -, aber mehr aus
Interesse als aus tiefer Religiosität. “Mit 13 war ich mir auch absolut
sicher, dass es Gott nicht gibt”, sagt sie. Heute noch sagt Veronika, ihr
Gott habe viele Namen – und als bibeltreu würde sie sich nicht unbedingt
bezeichnen. Altgriechisch, Althebräisch und Latein muss sie in den zwölf
Semestern, die ihr Studium in Regelstudienzeit dauert, lernen, auch wenn sie
selbst viel lieber mehr Praxisanteile in den Lehrplan integrieren würde. Sie
nimmt es gelassen, immerhin ist kein Studium perfekt und etwas Eigeninitiative
ist immer gefragt. Veronika nutzt deshalb gelegentlich die Möglichkeit, für
andere Pfarrer auszuhelfen, um so mehr Berufserfahrung zu sammeln.

Von der Kanzel auf die Bühne: Auch zum Poetry Slam kann
Veronika eher durch Zufall. Sie erzählte ihrer Freundin Felicitas Brembeck, die
in der Slam-Szene besser als Fee bekannt ist, von ihrer Schreiberei – und die
ließ nicht locker, bis sie einen ihrer Texte lesen durfte. Fee überredete sie,
bei einem Poetry Slam in der Münchner Kneipe Stragula aufzutreten. “Ich
dachte mir schon, bevor ich einen von ihren Texten gelesen habe, dass Veronikas
Persönlichkeit wie für die Bühne gemacht ist”, sagt Fee. Sie sei sich
sicher gewesen, dass Veronika nicht nur schöne sprachliche Bilder zu Papier
bringen, sondern diese auch für das Publikum lebendig werden lassen könne.

Seit dem ersten Auftritt vor knapp einem Jahr hat Veronika
mehr als dreißig verschiedene Texte auf Bühnen in Bayern und ganz Deutschland
gebracht. “Durch das Slammen kann ich Menschen erreichen, die ich sonst
nicht erreichen würde”, sagt Veronika. Sie hat natürlich auch komische
Beiträge im Repertoire, aber die meisten ihrer Texte sind in irgendeiner Form
politisch. “Ich glaube, dass man politische und nicht-politische Themen
gar nicht so klar voneinander trennen kann”, sagt sie. Ihr Texte handeln
deshalb von Selbstliebe, von Misshandlungen, von Homophobie, von Sexismus –
gegenüber Männern und Frauen. Es sind gesellschaftlich relevante Themen, aber
vor allem Themen, die sie selbst bewegen, wütend machen, nachdenklich stimmen.

Zu ihr als ausgebildeter Notfallseelsorgerin sind schon
häufiger Menschen gekommen, die Opfer von psychischer und physischer Gewalt
geworden sind. Fast täglich wird sie auf den verschiedensten Kanälen mit allen
erdenklichen Formen von Alltagssexismus konfrontiert. In ihren Texten gibt es
natürlich immer ein lyrisches Ich – das heißt aber nicht, dass es zwangsläufig
mit Veronika übereinstimmen muss. Gewisse Parallelen ließen sich aber natürlich
dennoch nicht leugnen, sagt sie – mal mehr, mal weniger.

Slammen? Predigen? Unterscheidet sich hier das Texten?
“Als Slammerin bin ich Entertainerin, als Pfarrerin verkünde ich das Wort
Gottes”, sagt Veronika. In beiden Fällen gehe es aber um die Wahl der
richtigen Worte, darum, seine Zuhörerschaft zu erreichen, aber eben mit unterschiedlichen
stilistischen Mitteln und mit anderer Intention. Auf der Bühne will sie ihr
Publikum unterhalten. Auf der Kanzel vermutlich auch, hier versteht sie sich
selbst aber als Dienstleisterin für ihre Gemeinde.

Trotzdem kann es schon mal passieren, dass bei Veronika die
Grenzen leicht verschwimmen, wie eben an diesem Tag, als sie nicht Worte aus
der Bibel zitiert hat, sondern Marteria. Der Song “OMG!” beschäftigt
sich mit der Frage, welche Art von Leben man führen muss, um in den Himmel zu
kommen, und ob dieses Ziel überhaupt erstrebenswert ist.

Fragen, die Veronika als angehende Pfarrerin zulassen kann,
Fragen, die sie sich selbst als junges Mädchen gestellt hat und heute noch
stellt.

Text: Jacqueline Lang

Foto:

Alessandra Schellnegger

Wo kann man… ? 5 schöne Städtchen und Orte für Tagesausflüge rund um München

Viele von uns teilen eine Meinung: München ist die schönste Stadt
der Welt und macht so ziemlich allen anderen deutschen Großstädten mächtig
Konkurrenz. Aber auch rund um München gibt es viele schöne kleine Städtchen und
Orte, die es sich zu erkunden lohnt.

Und ja, hier spricht ein Landkind. Und
bevor an dieser Stelle abgewunken und die Augen gerollt werden, startet doch
zuerst mal einen Versuch. Denn wer sich immer nur im Komfort von Maxvorstadt
und nicht versiegenden Konsumquellen badet – man bedenke, dass diese auch auf dem
Land bis zum grandiosen 20-Uhr-Moment geöffnet haben –, der verpasst schöne
Orte mit weniger Trubel und dennoch ganz viel Charakter.

Wer also Lust hat, einen
Tagesausflug raus aus der Stadt zu machen und trotzdem eine bunte Mischung aus
Urlaubs-Feeling, Spuk, Kultur und Musik-Events vertragen kann, sollte sich
folgende fünf Tipps zu Herzen nehmen.

1)    Wasserburg
am Inn

Ein kleines Städtchen am Inn. Wenn man dort in einem der vielen
Cafés sitzt, könnte man glatt meinen,
den Sommertag in einem kleinen italienischen Städtchen zu
genießen. Tja, kein Wunder! Wegen der vielen bunten
Häuserfassaden und einer Menge altertümlicher Architektur, trägt Wasserburg im
tiefsten Oberbayern ganz viel südländischen Flair in sich. Weniger Hipster als
in der Maxvorstadt. Authentischer als das Glockenbach. Touristisch und dennoch nicht
so überlaufen wie Stachus und Marienplatz. Manchmal vielleicht sogar weniger
bayrisch als Giesing.

2)    Chiemsee

Der Chiemsee, das Meer der Bayern. Ja, wir Münchner haben hier
den Ammersee, den Eisbach und den Flaucher. Warum ich nun aber noch mit dem Chiemsee
daher komme? Richtig, die Alpennähe. Egal ob
im
Frühling

und Herbst für Radltouren um den See,

im Winter zum Christkindlmarkt auf
der Fraueninsel oder dann wieder im
Sommer zum Flanieren, Baden und an der Beachbar in Übersee Cocktails schlürfen

ein wenig Ruhe und Erholung weit weg
von Surfern und Grünwald-Bewohnern ist dem Ausflügler sicher. Da lohnt sich die Stunde Fahrt raus aus der Großstadt auf alle Fälle.

3)    Ebersberger
Forst

Nein, der Englische Garten ist kein richtiger Wald, trotz der
vielen Bäume. Und wenn euch das bisschen Grün noch nicht genug Natur war, so
empfiehlt sich ein Besuch des Ebersberger Forsts. In der Region München ist er
das größte zusammengesetzte Waldgebiet und bietet allerlei Attraktionen. Vom
Sportln, Wildschweine bestaunen bis hin zum Schwammerl suchen, ist hier alles
möglich. Außerdem handelt es sich um einen besonderer Ort, an dem die weiße Frau zu Hause ist. Was es damit
auf sich hat? Der Legende nach spukt auf Höhe der Hubertuskapelle gleich an der
Straße, die durch den Forst führ, ein Geist. Fahrt hin, seht selbst und nehmt
die Gruselgestalt für ein paar Kilometer mit. Der Geist fährt nämlich per
Anhalter.

4)    Kampenwand

Naja, ich selbst bin nicht so die Alpinistin. Wenn man aber
leidenschaftlicher Berggänger ist, und nach der vielen Wanderei wunderschöne
Ausblicke genießen möchte, dann empfiehlt sich die Kampenwand ganz besonders
für alle Anfänger unter den Wanderleuten. Die Sicht vom Gipfel aus ist
atemberaubend und lässt sich keinesfalls mit der vom Café Vorhoelzer
vergleichen. Noch dazu gibt’s Kaiserschmarrn und Radler auf der Almhütte.

5)    Kirchanschöring

Der Ort im Landkreis Traunstein ist eigentlich so richtig “Dorf” und gleicht
in allerlei Hinsicht so ziemlich jedem anderen in Oberbayern. Doch grade im Frühherbst ist Kirchanschöring
meiner Meinung nach

ein kleiner Geheimtipp. Hier
findet jährlich das Festival im Grünen statt. Dabei handelt es sich um ein
Ein-Tages-Event. Geboten werden viele verschiedene Attraktionen und in
aller erster Linie ein Line-Up, das es in sich hat. Viele Newcomer aus dem
Kreis München, aber auch bekannte Gesichter aus den Bereichen Rap und Mundart-Musik
sind jedes Jahr auf’s Neue bei dem ein wenig alternativen, bunten, kleinen aber feinen
Event in Kirchanschöring zu Gast.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Christian Endt