Band der Woche: Young Chinese Dogs

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Die Young Chinese Dogs zertrümmern mit ihrem neuen Album “Great Lake State” ihren ehemaligen Vorsatz, nur so viele Instrumente in einen Song zu packen, wie die drei Bandmitglieder selbst tragen könnten. Der zusätzliche Ballast an Instrumenten ist nun allerdings eine Bereicherung, denn so können Birte Hanusrichter, Oliver Anders Hendriksson und Nick Reitmeier opulente Geschichten von einem sehnsuchtsvollen Lebensgefühl weit weg von München erzählen.

Glaubensbekenntnisse muss man ab und an über den Haufen werfen, um weiterzukommen. Denn erst durch den Bruch mit dem Alten wird Platz für Neues frei. In der Pop-Musik spielen sich derartige Glaubenskriege oft an den Fronten zwischen Authentizität und Inszenierung ab. Das ist natürlich alles von außen betrachtet nicht so ein großer Unterschied: Denn die vermeintliche Echtheit manch einer Punk-Kapelle ist ebenso gut inszeniert wie die Bubblegum-Welt einer Katy Perry. Und die würde andererseits auch nicht ohne den Verweis auf die Echtheit ihrer Person so durchschlagenden Erfolg haben, weil dann die Identifikation mit ihr bei vornehmlich Teenager-Mädchen nicht mehr funktionieren würde. Die Münchner Band Young Chinese Dogs (Foto: Florian Huber) hat dennoch ihr Credo auf ihrem neuen Album „Great Lake State“ ziemlich zertrümmert.

Die Trümmer wirken auch nur deshalb so groß, weil sie zu ihrem vorherigen Album mit einer großen Vehemenz eine einzelne Aussage in die mediale Welt geschossen haben: „Wir spielen nur so viele Instrumente, wie wir selbst tragen können.“ Ein Straßenmusiker-Spleen, der in der künstlerischen Selbstkasteiung Authentizität verspricht, und der die Band um die Schauspielerin und Sängerin Birte Hanusrichter und ihre beiden Kollegen Oliver Anders Hendriksson und Nick Reitmeier weit gebracht hat: ein Vertrag beim Label Motor, ausgedehnte Tourneen, Musik für Fernsehproduktionen (in denen Birte zum Teil auch selbst spielte) und Gesangseinlagen für den Kinderfilm „Der kleine Drache Kokosnuss“.

Das neue Album, das am Freitag, 21. August, offiziell erscheint und das die Band am gleichen Tag live im Münchner Theatron vorstellt, hat nun rein gar nichts mehr von dem Charme des kleinen Mannes, von dem sie auf dem Vorgänger erzählten. Die opulente Produktion von Oliver Anders Hendriksson ist glatt und voller Glanz, die Tracks sind aufwendig instrumentiert – von wehmütigen Streichern zu bluesig-verzerrten Gitarren. Man kann sich die Bandmitglieder gut vorstellen, wie sie schwer bepackt unter dem Gewicht all dieser Instrumente zusammenbrechen, beim Versuch, um ihre Authentizität zu kämpfen. Oder aber, man gesteht ihnen die künstlerische Freiheit zu, ist nicht so kleinkariert und beachtet die Entwicklung. Denn die Opulenz der Produktion ist künstlerisch konsequent. Auf „Great Lake State“ erzählen die Young Chinese Dogs Geschichten von einem Lebensgefühl, das von ihrem Alltag in München mehr als weit entfernt ist.

Der US-amerikanische Staat Michigan trägt den Spitznamen „Great Lake State“, die fünf großen Seen sind so riesig, dass dort Gezeiten beobachtet werden; außerdem gehören die Niagara-Fälle dazu. Und die Young Chinese Dogs klingen tatsächlich so, als würden sie in einer Bar in einer Kleinstadt des mittleren Westens auftreten, in der ordentlich getrunken und auch sonst wenig Rücksicht auf Verluste genommen wird. Nick und Birte singen weiterhin inbrünstig zusammen, buhlen um das Publikum, Bilder von „Natural Born Killers“ zu „Wild at Heart“ kommen einem in den Kopf. Country im Pop-Folk-Gewand ist das, der auch nicht vor Klischees wie den „Dirty little Boys“ und den „Dirty little Girls“ zurückschreckt, die sich gegenseitig betrügen. Ein Song-Zwillingspaar übrigens, der eine im 4/4-Takt, der andere ein 6/8-Takt, basierend auf der gleichen Melodieführung.

Ja, das Album ist vielmehr ein Kopfkino als die Pseudo-Authentizität der Folk-Bewegung. Damit ist die Band auch näher an den US-Theater-Poppern July Talk als an Münchner Straßenmusikanten. Und das ist auch gut so, denn Rollen sind dazu da, sie zu tauschen. Und Abwechslung bringt das allemal. 

Stil: Country / Pop / Folk

Besetzung: Nick Reitmeier (Gesang, Gitarre), Oliver Anders Hendriksson (Gitarre), Birte Hanusrichter (Gesang, Keys, Percussion)

Aus: München

Seit: 2011

Internet: www.youngchinesedogs.com

Rita Argauer

Foto: Florian Huber

Sofa-Tour Blog Teil 6: Hannover

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Station 6 der Young Chinese Dogs Sofa-Tour: Hannover – Heimatstadt von Gitarrist Oliver. Über „Potluck Dinner“, einem Hund namens Muh und dem Hannoveranischen Humor.

Am späten Nachmittag fahren wir vor einer eingewachsenen Doppelhaushälfte in Hannover vor, die irgendwie aus einem Märchen zu stammen scheint. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir über die Bewohner des Hauses wieder Mal nicht mehr, als eine Anschrift und den Vornamen einer Frau, mit der ich im Vorfeld ein paar Mails geschrieben hatte. Betti, Mädchen Mitte Zwanzig mit strahlenden blauen Augen, empfängt uns herzlich und stellt uns ihre Mitbewohner vor: Ihr Vater Peter und ein jetzt überglückliches schwarzes Wollknäuel namens „Muh“. Muh ist der Hund des Hauses: etwas älter, etwas taub, aber sehr interessiert an allem was jetzt folgt.

Nachdem wir aufgebaut hatten, und Muh jede unserer Taschen nach Essbarem durchsucht hatte, trafen langsam die ersten Gäste im Wohnzimmer ein. Überall standen Couches und alte Sessel herum, die bald bis auf den letzten Platz gefüllt waren.

Der geneigte Leser weiß inzwischen, dass es keinen Young Chinese Dogs Tourblog gibt, ohne dass es ums Essen geht. Unsere Gastgeberin hatte da nämlich ein ganz clevere Idee: Jeder der Gäste musste eine Speise mitbringen, ein sogenanntes „Potluck Dinner“. So türmten sich jetzt auf einem großen Tisch vor uns gefühlt 40 verschiede Salate, Gebäcke, Haupt- und Nachspeisen auf. Band im Paradies! Wir haben natürlich ALLES probiert…. und jammern danach kollektiv über Völlegefühl. Pläne werden geschmiedet, dass wir doch jeden Abend in unserer eigenen Wohnung in München spielen könnten, wenn die Leute uns auch immer etwas zu essen mitbringen.

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Wir rollen endlich auf die „Bühne“, respektive Ecke im Wohnzimmer und spielen. Mittendrin: Hund Muh. Immer wieder schläft der Gute an irgendeinem Fleck im Wohnzimmer während des Konzertes ein, und schreckt dann Mitten im Song wieder hoch. Sein Blick jedes Mal gleich: „Wo bin ich, und was wollen all diese Leute hier?“ Dann steht er auf, geht zwei Meter weiter, legt sich hin und schläft wieder ein. Hach, Hund müsste man sein. Währenddessen singen Birte und ich neue Songs, und machen viele Witze auf Kosten von Oliver, der gebürtiger Hannoveraner ist.

Wir beide hatten uns an diesem Abend vorgenommen, herauszufinden, ob denn nun alle Hannoveraner humormäßig so kühl gelagert sind wie unser Lieblingsgitarrist. Birte und ich reden gern viel Blödsinn, kugeln uns vor Lachen bei unseren eigenen Witzen, während Oliver daneben steht und absolut nicht reagiert. Birte sagt immer: „Ach Oliver, jetz lach doch auch mal!“ Olivers Antwort: „Den kannte ich schon“, oder: „Na ja, so lustig war der jetzt echt nicht!“

Es galt also herauszufinden, ob die alle so sind. Die Antwort ist: nein, sind sie nicht. Die lachen zwar auch nicht über unsere Witze, finden es aber doch lustig, wenn ich den Text vergesse und angsterfüllt dreinblicke. Hannover hat Humor. Hahaha-nnover! Und sie haben Zugabe gerufen. Laut, in dialektfreiem Hochdeutsch.

Nach dem Konzert wird noch viel geratscht oder, wie der Hannoveraner sagt, „geplaudert“ und es werden die letzten Reste des Buffets verdrückt. Wir haben so viel gegessen die vergangenen Tage. Wenn das so weitergeht, sehe ich bald aus wie Elvis in Las Vegas.

Erschöpft falle ich nachts ins Bett, und denke an den Hund Muh. Mir geht’s nämlich auf Tour auch oft so, dass ich irgendwo aufwache, mich frage: „Wo bin ich, und wo kommen all diese Leute her?“

Nick Reitmeier für Young Chinese Dogs

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In Hamburg treffen die Young Chinese Dogs auf jede Menge Freiberufler. Sänger Nick hat das Gefühl, einige der interessantesten Lebensentwürfe kennengelernt zu haben. Zum Glück können die interessanten Menschen nicht nur arbeiten, sondern auch feiern.

„Moinsen Leudde! Heudde: Hambuich!“ Jedes Mal, wenn wir kurz hinter Bremen auf der Autobahn sind, und man glaubt, das Meer schon riechen zu können, fangen Birte und meine Wenigkeit an, wie Käpt’n Blaubär zu sprechen. Voller Vorfreunde geht’s an den Containerschiffen vorbei, durch den Elbtunnel in die Stadt. Hamburg war, seit es diese Band gibt, immer sehr gut zu uns. Und jedes Mal wenn wir hier spielen, treffen wir alte Freunde. Schön ist das.

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Unser heutiges „Wohnzimmer“-Konzert ist eigentlich ein Firmen-After-Work-Konzert im Social Impact Lab. “Das Lab ist ein Co-Working-Space von Freelancern in jungen Start-Ups mit sozialem Anklang.“ So oder so ähnlich lautet die Erklärung von Lab-Betreiber Daniel.

Wer jetzt den letzten Satz problemlos versteht, kann nun auf seinem iPad oder Macbook Air selbstgefällig nach unten scrollen, zu seiner Mate / LaMa greifen oder eine Minute ironisch über seine Nike Airs nachdenken. Für alle Anderen eine Erklärung was das denn heißt… soweit ich das Ganze selber überhaupt verstanden habe:

Heutzutage sind viele Erwerbstätige Freiberufler (sog. Freelancer), und arbeiten zu Hause an ihrem Schreibtisch an tollen Projekten. Da das aber sehr einsam und unsozial ist, treffen sich jetzt mehrere dieser Freiberufler in einem Großraum-Büro, um nebeneinander jeweils an ihren eigenen Projekten zu arbeiten. Im Falle des „Social Impact Labs“ waren das echt spannende und gute Projekte. Etwa ein Team, das sich um umweltfreundliche Kompost-Toiletten auf großen Festivals kümmert. Gleich daneben ein paar Leute, die Praktika für Studenten revolutionieren wollen, indem sie ungenutzte Schreibtische in Firmen an Studierende vergeben, damit man dort an seiner Masterarbeit arbeiten kann, und zeitgleich in den Kaffeepausen die Firma kennen lernen kann.

Und auch unsere Freunde von Sofaconcerts.org, die uns diese deutschlandweite Wohnzimmer-Tour mit ermöglicht haben, haben im Lab einen Sitzplatz. DA spielen wir heute!

Nachdem uns die Leute vom Lab beim Instrumente tragen geholfen haben, essen wir gemeinsam einen Borschtsch (heute gibt’s ausnahmsweise kein Rezept). Danach füllt sich das Büro schnell bis unters Dach mit Leuten. Erst jetzt stelle ich fest, dass irgendwie all meine Mundharmonikas weg sind. Verdammte Sch—-e! Die liegen noch in Münster auf dem Dachboden. „Ja, da liegen’s gut! Der ganze Bua a Depp!“

Birte kommt auf die „großartige“ Idee, ich solle die Mundharmonika-Solos doch auf einem Weinglas spielen. Auf einem Ton. Qietsch Qietsch. Irgendwie demütigend. Aber es trifft keinen Unschuldigen. Ich bin für meine Vergesslichkeit und Schlampigkeit in dieser Band bekannt. Ich habe, glaube ich, in fast jeder Stadt des Landes noch irgendetwas rumliegen.

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Einzig der sympathischen und geschickten Ansage meiner Bühnenpartnerin Birte verdanke ich es, dass ich mit meinem Ein-Ton-Solo auf einem Weinglas nicht nur beim Publikum durchkomme, sondern sogar Applaus dafür ernte. Danke Birtibär! Das Konzert geht fulminant mit mehreren Zugaben zu Ende, nachdem die Hamburger ihre Seebären-Qualitäten im Chorsingen von „Sweet Little Lies“ mehr als bewiesen hatten.

Danach beginnt der für mich fast schönste Teil der Wohnzimmer-Konzerte: Viele neue Leute kennen lernen, mit Bier anstoßen, ratschen. Ich genieße das sehr, weil man nach den normalen Konzerten in Clubs und Hallen meist einsam am Merch-Stand steht, Platten verkauft, ein paar Autogramme schreibt und oft nur wenige Worte mit den Konzertbesuchern wechselt. Eine Stunde nach Konzertende ist man in den Hallen dann entweder ganz allein oder in einem Club mitten in einer lauten Party. Bei den Sofakonzerten ist kein Zeitdruck, die Leute bleiben – und man kommt sofort mit vielen interessanten Menschen ins Gespräch. Ich kann jetzt schon als Zwischenfazit für diese Tour ziehen, dass ich einige der interessantesten Lebensentwürfe in diesen wenigen Tagen Sofatour kennengelernt habe. Sehr glücklich, höchst inspiriert und zugegebenermaßen auch leicht angetrunken lege ich mich spät Nachts neben Oliver auf eine Doppelmatratze, die im Konferenz-Separee für uns bereit liegt. Und jetzt komme ich zu meinem absoluten Lieblingsteil der Sofatour neben, spielen, essen und ratschen: schlafen!

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Gutnacht.

Nickibär für Young Chinese Dogs

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Folk-Pop in der Hip-Hop-WG

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„Hey man, wir machen vorne weg bisschen so Freestyle und dann kommt ihr. Is that cool with you?“ Auf einer Sofa-Tour erlebt man häufig Überraschungen. Für Young Chinese Dogs gab es beim ersten Stop in Stuttgart eine Rap-Einlage, Breakdancer und am Ende viel Rotwein mit Andy Ypsilon.

Der Sommer stand vor der Tür, und wir, die Young Chinese Dogs, wollten einen gemeinsamen Sommerurlaub machen. Das Ganze sollte irgendwie gemeinsames Musizieren beinhalten, Leute treffen – und bisschen rumkommen wollten wir auch. Die Idee zu einer Sofatour reifte in unseren Köpfen: Lasst uns paar Wohnzimmerkonzerte spielen. Das ist entspannt. Wir lernen neue Leute kennen, können neue Songs ausprobieren. Das wird super!

Dieser schöne Urlaubs-Plan, der mir unserem ersten Wohnzimmerkonzert bei Emma in München ja noch ganz harmlos und schön begonnen hat, wird nun mehr und mehr surreal. In einem heillos überfüllten Kombi fahren eine Nordrhein-Westfälin, ein Niedersachse und ein Bayer nach Stuttgart. Mehrmals muss ich mich umdrehen, um mich zu vergewissern, ob wir unsere Sängerin Birte nicht in München vergessen haben. Sie sitzt unter einem Haufen Instrumente und Koffern begraben auf der Rückbank. Nurmehr ein Haarbüschel ist zu sehen. Sie scheint wenig Luft zu bekommen. Es ist ungewohnt ruhig.

Nach den üblichen vierzig Staus auf der A8 passieren wir die Ortsschilder von Stuttgart. Noch am Ortsrand schickt uns das Navi den Berg hoch. Oliver, der wortkarge Gitarrist unserer Band, bricht die seit München herrschende Stille: „Ich habe gehört, je höher auf dem Berg die Leute in Stuttgart wohnen, desto reicher sind sie.“ Da Oliver, wenn er denn redet, meist kluge Sachen sagt, glaube ich ihm. Wir bei reichen Leuten? Passt das denn?

Besonders an dieser Sofatour ist, dass wir über unsere Gastgeber oft vorher oft nicht mehr wissen, als einen Namen, eine Adresse und eine Telefonnummer. Ich weiß, dass der Gastgeber für heute Nathan heißt, und in Haus Nummer 50 wohnt. Das ist das vorletzte Haus ganz oben auf dem Berg. Uns öffnet ein cooler Hip-Hopper, etwa Anfang 30, ein schier vor positiver Energie platzender Amerikaner. Mit seiner WG, bestehend aus Hip-Hopper-Kumpels sowie Frau und Kind bewohnt er eine „fette“ Architekten-Villa aus den Sechzigerjahren. Wir werden sehr herzlich begrüßt – und uns wird erst mal ein „Tannenzäpfle“ in die Hand gedrückt.

 Nachdem wir unser Instrumente ausgepackt haben, füllt sich das Wohnzimmer nach und nach mit Musikerinnen und Musikern, Breakdancern, Sprayern und einer Handvoll kleiner Kinder. die Nathan eingeladen hat. „Hey man, wir machen vorne weg bisschen so Freestyle und dann kommt ihr. Is that cool with you?“, fragt mich unser Gastgeber. Ich sage ja. Was dann passiert, lässt uns Drei die Kinnlade runterfallen. Erst legt einer der Jungs auf einem Klavier los, Nathan schnappt sich ein Mikro und legt einen Freestyle-Rap hin, in dem er alle willkommen heißt. Scheinbar nebenbei steht einer aus dem Publikum auf, singt, rappt, heizt die Bude an. Weitere vier Jungs stehen auf und breakdancen zu Klavier und Beatbox. Danach singt ein sehr junges Mädchen eigene Songs auf der Gitarre.

Nach zehn Minuten „Vorprogramm“, das vieles an die Wand nagelt, was ich die vergangenen Jahre gesehen habe, sollen wir ran! Befeuert von Tannenzäpfle und Ehrgeiz, mit all diesen talentierten Menschen mitzuhalten, geben wir unser Bestes, das Hip-Hop-Wohnzimmer feiert mit uns. Die Leute haben eine Menge Spaß – und bei den schnelleren Songs helfen uns die kleinen Kinder, die im Publikum sind, an den Trommeln fleißig mit. Zwar etwas gegen den Takt, aber extrem lustig. So was erlebt man auf den Clubbühnen nicht so oft!

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Nach diesem fulminanten Konzert gehe ich zielstrebig in die Küche. Ein freundlicher Mann in Jogginghose spricht mir sein Lob aus, dass wir es geschafft haben, so tight zu spielen, obwohl sein kleiner Sohn so falsch getrommelt hat. Ich danke höflich, interessiere mich aber erst mal mehr für den Rotwein, den er in der Hand hält. Als er mir ein Glas davon abgegeben hat, fängt er erneut an: „Ich steh ja so voll auf tighte Rhythmik!“ Ich frage, ob er denn Drummer sei? Er verneint. Er produziere so Sachen. Der Rotwein ist verdammt gut, und ich würde gerne noch mehr davon haben. Ich frage höflich, was er denn produziere, und nehme mir noch was von seinem Rotwein.

Er sagt, die Band heiße „Die Fantastischen Vier“ und er heiße Andy Ypsilon. Er sei der Nachbar von Nathan. Ich beginne zu lachen, und ein Gespräch um den Wein und Musik entwickelt sich.

 Im Verlaufe des Abends leeren Andy, Birte, die dazu stößt, und ich noch mehrere dieser Rotweinflaschen. Wir sitzen gemeinsam auf dem Sofa, hören laut auf dem Handy „Rage Against The Machine“. Auch dann noch, als schon alle anderen Gäste längst gegangen sind. Wir entdecken viele gemeinsame musikalische Vorlieben.

 Spätnachts geht es ins Bett, das bei Wohnzimmerkonzerten zum Glück nur im 1. Stock ist. Ich freu mich auf morgen. Kann man als Hund nen Kater haben?

Nick Reitmeier für Young Chinese Dogs

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„Wir hatten noch nie einen Proberaum“

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„Young Chinese Dogs“, die Band des Jahres der Junge-Leute-Seite, hat mit ihrem akustischen Folk-Pop plötzlich Erfolg – und ein Problem: Wirkt Lagerfeuermusik auch vor 1000 Menschen? Jetzt gehen die drei Musiker auf eine Sofa-Tour. Ein Interview.

Angefangen hat bei Young Chinese Dogs alles mit der Idee, nur Instrumente zu spielen, die jeder tragen kann. Seit vergangenem Jahr wächst der Erfolg für Nick Reitmeier, Oliver Anders Hendriksson und Birte Hanusrichter – und wie zuletzt bei einem Festival muss sich die „Band des Jahres“ der Junge-Leute-Seite eine Frage stellen: Wirkt Lagerfeuermusik auch vor 1000 Menschen? Gitarrist Nick Reitmeier, 26, sucht Antworten.
 
SZ: Man kann sagen, 2013 war euer Jahr: Vertrag bei Grand Hotel van Cleef, neues Album, Band des Jahres 2013 bei der SZ – was lief denn plötzlich anders als die Jahre davor?
Nick Reitmeier: Für mich persönlich waren die Jahren davor auch schön.
 
Bitte?  
Okay, 2013 sind viele richtig große Sachen passiert. Wir haben unser Album aufgenommen und veröffentlicht. Anfang des Jahres haben wir eine Tour gespielt, im Herbst waren wir drei Wochen am Stück unterwegs, unter anderem auch mit Young Rebel Set.

Trotzdem: Euch gibt es ja schon länger. Wieso war gerade 2013 so erfolgreich?
Schwierig zu sagen. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass wir davor weniger erfolgreich waren. Wir hatten gefühlt schon nach zwei Wochen zehn Songs geschrieben – und im ersten Jahr schon 40 Konzerte gespielt. Natürlich waren die Auftritte damals nicht vor 300 Leuten, sondern vielleicht vor 30.
 
Das macht aber schon einen Unterschied.
Erfolg ist ja immer etwas Subjektives. 2012 haben wir gespielt wie die Blöden. 2013 kam aber erst die Außenwirkung, weil wir in den Jahren davor einen Grundstein gelegt hatten. Bei den ersten Konzerten kennt dich natürlich kein Schwein – und nach einem Jahr veranstaltest du in derselben Location ein Konzert, und dann ist es plötzlich voll.
 
Baut sich also alles langsam auf?
Nur weil kein Album erscheint, heißt das ja nicht, dass wir nichts getan haben. Wir sind trotzdem die ganze Zeit auf Tour gewesen. Gerade ist die neue Single zur Sofa-Tour erschienen, ein cooles Video kommt raus. Das passiert ja auch nicht alles über Nacht.

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Wie kommt es zu dieser Sofa-Tour?
Nachdem Emma bei der Junge-Leute-Seite das Wohnzimmerkonzert mit uns gewonnen hat, war klar, dass wir das auch mal als Tour machen. Und im Prinzip ist das auch eine Rückkehr zu unseren Anfängen – Straßenmusik, ohne großen Aufwand ein intimes Konzert spielen.
 
Was genießt ihr denn mehr? Intime Shows oder Konzerte vor 1000 Zuschauern?
Cool ist beides. Ist aber beides was ganz anderes. Ich möchte auf die großen Shows nicht verzichten. Es ist ein tolles Gefühl, auf einer großen Bühne rumzulaufen. Aber auch kleine Shows sind spannend, wenn die Nase in der ersten Reihe gerade mal 50 Zentimeter entfernt ist. Nervöser bin ich bei den kleineren Sachen.

Angefangen hat bei euch ja alles mit der Idee, nur Instrumente zu spielen, die jeder tragen kann – geht das mit dem wachsenden Erfolg auch? Wirkt Lagerfeuermusik auch vor 1000 Menschen?
Ich bilde mir ein, dass das funktioniert. Es ist eher die Frage, ob man es sich traut. Ich hatte auf der Bühne nie das Gefühl, dass wir zu wenige Instrumente dabei hatten. Ich hatte nie das Gefühl, dass es nicht fett genug oder nicht laut genug ist.
 
Jetzt wo alles größer ist: Wollt ihr dann auch als Band größer werden? Bislang verzichtet ihr auf ein richtiges Schlagzeug.

Nur weil es mehr wird, heißt es nicht, dass es besser wird. Zehn Kilo Pommes machen das Essen auch nicht besser. Es kommt auf Zutaten und Mischungsverhältnis an. Das Ziel soll sein, besser zu werden, nicht größer. Ein Song muss mit einer Gitarre und einer Stimme gut sein. Wenn mich dann ein Song nicht umhaut, ist er höchstens mittelmäßig. Und mich interessieren keine mittelmäßigen Songs.

 Mit Mumford & Sons und anderen Bands wurde in den vergangenen Jahren ein Folk-Hype ausgelöst. Ist euer Erfolg unabhängig davon zu sehen?
Schwer zu sagen, ob es davon abhängig ist. Ich habe Mumford & Sons erst kennen gelernt, als Leute uns in Interviews mit denen verglichen und gesagt haben, wir hören uns so an wie die. Keiner von uns ist aber ein Folk-Experte. Und: Wir haben wenig Ähnlichkeit mit Mumford & Sons.
 
Inwiefern?
Mumford & Sons sind klassischer. Wir kommen mehr aus der Punkrock-Ecke, auch wenn man das nicht mehr hört.
 
Wenn ihr alle musikalisch eigentlich aus einer ganz anderen Ecke kommt, wieso macht ihr dann Folk-Musik?
Ich weiß nicht, ob wir wirklich eine Folkband sind. Wir machen einfach Musik zusammen und das klingt halt so. Das kommt vielleicht auch daher, dass wir nie einen Proberaum hatten. Wir haben mehr in der Küche oder in der U-Bahn geprobt. Aber wir suchen gerade ernsthaft einen Proberaum.

Erfolg ist schnelllebig – was macht ihr, wenn der Folk-Hype wieder vorbei ist?
Nachdem wir uns nie als Folk-Band gesehen haben, glaube ich auch nicht, dass wir so stark von diesem Trend abhängig sind.
 
Wenn ihr euch nicht als Folk-Band seht, was seid ihr denn dann?
Wir sind Young Chinese Dogs. Wir spielen akustischen Pop, vielleicht sind wir eine akustische Folk-Band.

Das wart ihr auch schon 2011 – was hat sich verändert?
Anfang 2011 war die Birte noch nicht dabei. Wir haben jetzt eine verdammt gute Frontfrau. Und wir haben verdammt viel gelernt.
 
Gelernt?
Wir machen immer alles selbst. Vom Booking bis hin zur Entscheidung, wie viele saubere T-Shirts packe ich mir auf die Tour ein. Wir haben nach wie vor das Glück, dass wir keinem die Kontrolle abgeben müssen wie größere Bands. Es macht am Ende glücklicher, wenn man alles selbst macht. Auch wenn es manchmal vielleicht leichter wäre.

Was macht ihr denn alles?
Wir überlegen etwa, welches Video wir machen. Die Band kocht auch für die Hauptdarsteller und fahren das Essen zum Set. Es ist nicht so, dass unser Management sagt, ihr müsst jetzt ein Video machen und los. Auf Tour ist es genauso. Uns sagt niemand, an dem und dem Tag holt euch der Nightliner ab. Wir buchen selbst Hotels, Autos und koordinieren die Zeiten.

 
Und wie soll es weitergehen?  
Wir wollen uns neuen Herausforderungen stellen. Gerade haben wir Filmmusik aufgenommen – für den ZDF-Film „Zweimal zweites Leben“ mit Heike Makatsch und Benno Fürmann.

Wie ist das ZDF auf euch gekommen?
Wir haben mal bei einem Fest der Produktionsfirma gespielt.
 Nach ein paar Monaten haben sie gefragt, ob wir die Filmmusik machen können.
 
So einfach kann es also manchmal gehen.
Uns hat nie jemand bei der Hand genommen und gesagt, was wir machen sollen, um besser anzukommen. Wir haben alles selbst ausprobiert, wir hatten auch Songs, die nicht so gut angekommen sind. Das mussten wir alles auf die harte Tour lernen.

Interview: Gabriella Silvestri

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Der Einfluss aus dem Irish Pub

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Unsere Band des Jahres Young Chinese Dogs ist mit ihrem Debütalbum „Farewell to Fate“ auf großer Deutschlandtournee. Zwischen Radioauftritt und Soundcheck fand Sängerin Birte Hanusrichter Zeit für ein Gespräch mit der SZ-Jugendseite. Am Samstag spielt die Band im Münchner Feierwerk.

Im vergangenen Jahr haben Nick Reitmeier, Oliver Anders Hendriksson und Birte Hanusrichter (Foto: Florian Huber) ihr erstes Album Farewell
to Fate veröffentlicht.
Dafür wurden sie bei dem Berliner Label Motor Music unter Vertrag genommen. Die
Münchner benutzen seit ihrer Gründung 2011 nur Instrumente, die sie selbst
tragen können. Mit Gitarren, Trommel, Kinderklavier, Akkordeon, Mundharmonika
und ihren Stimmen bringen sie akustischen Indie-Folk auf die Bühne. Auf der
aktuellen Tour spielen sie Klassiker wie This town is killing me, Sweet
little Lies und die
neue Single Don‘t talk about. Außerdem
kann das Publikum auf bisher unbekannte Lieder vom neuen Album gespannt sein.

SZ-Jugendseite: Ihr tourt gerade mit eurem
Album „Farewell to Fate“ durch Deutschland. Wie ist es, als Headliner und nicht
mehr als Vorband zu spielen?

Birte Hanusrichter: Man darf erst später trinken, weil man später
mit Spielen fertig ist. Und man muss früher da sein, weil man als erstes den
Soundcheck macht. Es gibt aber auch Vorteile: Man hat den größeren
Backstage-Raum und darf so lange spielen, wie man möchte.

Die Vorbereitungen für euer
zweites Album laufen. Werden eure Zuschauer schon neue Lieder hören?

Wir haben einige neue Songs geschrieben und
spielen auch schon vier davon auf der Tour. Diese Lieder werden auch auf dem
neuen Album sein.

Was ist wichtiger: die
Konzerte oder das Album?

Wir haben schon viele Songs für das neue
Album. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Konzerte, fahren durch die Gegend
und spielen. Währenddessen feilen wir noch an den neuen Liedern, aber alles
ohne Stress.

Am Samstag spielt ihr im
Feierwerk in München, quasi ein Heimspiel. Macht das für euch einen
Unterschied?

In gewisser Weise macht es einen Unterschied,
weil wir in München angefangen haben. Natürlich haben wir da unsere ältesten
und treusten Fans, die die Texte am besten auswendig können und alles
mitsingen. In anderen Städten haben wir das auch erlebt, das hat uns sehr
gefreut. In München ist das aber noch mehr. Wir treffen dort viele Freunde und
Leute, die schon seit unserem ersten Konzert dabei sind.

Ihr macht akustischen
Indie-Folk. Bleibt ihr eurem Stil auf dem neuen Album treu?

Wir bleiben unserem Stil auf jeden Fall treu.
Sachen, die wir auf Tour erlebt haben, beeinflussen uns aber natürlich. Wir
waren zum Beispiel in Irland unterwegs. Dabei entstanden zwei neue Trinksongs,
die tatsächlich sehr stark nach Pub klingen. Wir benutzen auch dieselben
Instrumente wie immer. Ein bisschen experimenteller wird es vielleicht, aber
eigentlich haben wir es wie immer gemacht: Wir fahren rum, spielen, und das,
was uns begegnet, wird eingebaut.

Woher stammt die Idee, nur
Instrumente zu benutzen, die ihr selbst tragen könnt?

Wir hatten anfangs keinen Proberaum, deshalb
mussten wir flexibel sein. Wir konnten uns die Instrumente einfach über die
Schulter werfen und irgendwo spielen: bei jemandem von uns zu Hause, draußen an
der Isar, überall.

Was habt ihr für die Zeit
nach der Tournee geplant?

Im Sommer werden wir auf Festivals unterwegs
sein und viel live spielen. Währenddessen experimentieren wir an unseren neuen
Songs und schreiben sie fertig. Irgendwann, wenn es kalt wird, können wir ganz
in Ruhe ins Studio gehen und die Lieder aufnehmen.

Interview: Jenny Stern