Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Jackie

Unsere Autorin mag ja eigentlich den Herbst und freut sich, ihre Winter­depression noch um ein paar Tage vertrösten zu können. Tagsüber plant sie einen Ausflug zur Kirchweihdult oder ins Lost Weekend, abends geht’s ins Müller’sche Volksbad oder in die Milla.

Hoch die Hände, Wochenende! Am
Freitagabend scheint zwar leider nicht mehr die Sonne, aber ich mache trotzdem
einen kleinen Ausflug auf die andere Seite der Isar um mir die neue
Fotoausstellung von Julian Mittelstädt anzuschauen. Unter dem Motto “Streetz”
stellt der Fotograf dort Bilder aus, die reale Menschen auf der Straße zeigen –
ohne gestellte Posen und gekünsteltes Lachen. Drinks gibt’s im Container
nebenan in der BAR of BEL AIR. Läuft.

Auch der Samstag steht im Zeichen
der Kunst – zumindest abends. Nach einem ausgiebigen Frühstück radle ich aber
erst einmal erneut auf die andere Seite der Isar: Diesmal nach Giesing. Von
heute an bis einschließlich 22.Oktober findet auf dem Mariahilfplatz die
wunderbare Kirchweihdult statt. Allerlei Leckereien schnabulieren und mal mehr
mal weniger sinnlosen Kram bestaunen – was könnte schöner sein an so einem
Samstag im Herbst? Abends gehört die alljährliche Lange Nacht der Museen
natürlich zum Pflichtprogramm. In diesem Jahr nehmen auch verschiedene Bäder an
der langen Nacht der Museen teil. Ich entscheide mich für eine Führung durch
das wunderbare Müller’sche Volksbad
. Ab 21Uhr finden diese alle 30 Minuten
statt und dauern ca. 20 Minuten. Da bekommt man fast Lust, sich einfach nackig
zu machen und selbst in den Pool zu springen oder sich in der Sauna
aufzuwärmen. Beim nächsten Mal dann!

Sonntag ist eigentlich Katertag,
doch dafür habe ich heute keine Zeit. Stattdessen steht heute Fair Fashion auf
dem Programm. Genauer: Der Fair Fashion Showroom meets Klimaherbst Dult. Hier
stellen nachhaltige Labels ihre Konzepte und Designs vor. Mit dabei Phasenreich
und Iki M., aber auch das Flüchtlingsprojekt Nähstube. Am Ende gibt es dann
auch noch eine Fashion Show bei der die Labels ihre akutellen Kollektionen
vorstellen. Einige schöne Teile dabei, aber ganz billig ist fair halt leider nicht.
Sowieso bin ich immer wieder in dem Dilemma zwischen bewusst einkaufen und
insgesamt einfach mal weniger kaufen. Immerhin ist es ja nicht so, als wäre
mein Kleiderschrank leer – auch wenn sich das zuweilen so anfühlen mag.

Viel wurde schon im Voraus
berichtet, seit der Eröffnung quillt meine Timeline zumindest gefühlt über mit
Veranstaltungen in der Location und ich bewege mich irgendwo  zwischen Abneigung und Neugierde. Zu viel
Hype macht mich zwar immer etwas skeptisch, aber anschauen will ich sie mir
schon, diese neue In-Location: The Lovelace. Was eignet sich da besser als eine
Filmvorführung? Am Montagabend wird der Film „Das Wunder von Mals” gezeigt.
Thema der Doku: Ein Dorf in Südtirol entscheidet sich gegen Pestizide und für
eine ökologische Landwirtschaft. Klingt spannend und lässt sich wunderbar
kombinieren mit Bier und Popcorn. Off-topic: Ist euch eigentlich schon aufgefallen,
dass es in immer weniger Kinos Popcorn gibt, sprich auch nicht mehr nach
Popcorn riecht? Traurig macht mich das!

Mehr Kunst für mich und alle
anderen Besucher des Lost Weekend an diesem etwas tristen Dienstag. Hier
findet heute die Vernissage der Ausstellung „Energiewende in Kambodscha“ statt.
Bewaffnet mit einem Bier schländere ich durch die Reihen und sehe mir die
Fotografien von Claire Jul und Viga F. Widjanarko an. Spannend zu sehen, dass
es für eine Energiewende nicht immer neuster Technologien bedarf, sondern das
manchmal auch ein paar Ziegel und eine Ladung Mist Wunder bewirken können. Zu
sehen ist die Ausstellung noch bis einschließlich 27.Oktober. Statt mit einem
Bier kann man sich die Ausstellung wahlweise auch wunderbar mit einem leckeren
Café tagsüber anschauen.

Ab ins Milla. Ein Satz den ich
viel seltener sage, als ich sollte, denke ich mir, als ich an diesem
Mittwoch die Treppe hinuntersteige. Das Milla ist einfach ein Wohlfühlort.
Und vor allem ein Ort, an dem gute Musik gelebt wird. Natürlich weiß ich nicht,
was mich beim Milla Song Slam an diesem Abend erwartet, aber wie schlimm kann
es schon werden mit dem wunderbaren Bumillo als Gastgeber und einem Gin Tonic
in der Hand? Zumal ja spätestens ab 23Uhr die Boys und Girls von Fancy Footwork
an den Turntables stehen. Kostenpunkt: 8€ im Vorverkauf, 10 € an der
Abendkasse.

Kann man schon mal machen.

Wärmstens zu empfehlen: Die
Infoveranstaltung von afk M94.5 und afk tv am Donnerstag! Alle die Mal Radio oder Fernsehen
machen wollen, sollten sich dieses Event auf keinen Fall entgehen lassen – ich
selbst mit eingeschlossen. Davor oder danach will ich auf jeden Fall noch auf
der ArtMuc vorbeischauen, wo auch in diesem Jahr vom 19. bis 22.Oktober wieder
90 Künstler und Galerien aus ganz Europa ausstellen. Mehr Kunst also. Aber
Kunst und Bier, das rat ich dir sowieso. Natürlich geht auch das Eine ohne das
Andere, aber warum denn halbe Sachen machen?

Lange steht die
Veranstaltungsreihe schon auf meiner To-Do-Liste, endlich schaffe ich es am Freitag

hinzugehen. Ich geh tanzen! Leider ist die Veranstaltung vom Import Export ins
Ampere umgezogen, aber an der guten Mischung aus Hip Hop, Funk und Electro hat
sich glücklicherweise nichts geändert und so schwinge ich das Tanzbein bis tief
in die Nacht. Ich muss gestehen, die langen, durchzechten Nächte werden
seltener, aber genießen tue ich sie umso mehr – auch wenn der  Kater am nächsten Morgen mich wohl noch bis
Sonntag begleiten wird. Aber man ist ja bekanntlich nur einmal jung und dumm.

Nachhaltig unter der Discokugel

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Den Vorwurf, nichts zu sagen zu haben, kann man der Gruppe rehab republic nicht machen. Mit Kleidertauschpartys und außergewöhnliche Partys möchten sie Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in die Mitte der Gesellschaft rücken. Zuletzt luden sie unter dem Namen „Clubmob“ ins Milla ein, um den gewaltigen Co2-Verbrauch in Diskotheken zu verringern.

Im Kino läuft zur Zeit „Wir sind die Neuen“ – eine Komödie, in der drei Alt-68er feststellen müssen, dass die jungen Menschen von heute für nichts mehr kämpfen außer für ihre Examen. „Es hat nie eine Generation gegeben, die über so viele Kommunikationsmittel verfügt und dabei nichts zu sagen hat“, behauptet der 60-jährige Alt-Hippie Johannes gegen Ende des Streifens. Aber stimmt das? Kreisen die jungen Leute von heute wirklich nur noch um sich selbst, interessieren sie sich nur für ihre eigene Karriere und haben ansonsten zu nichts eine Meinung?

Den Vorwurf, nichts zu sagen zu haben, kann man zumindest einer Gruppe junger Münchner nicht machen. Unter den Namen „rehab republic“ haben sich Studenten, junge Pädagogen, Medienschaffende, Informatiker, Philosophen und Wissenschaftler zusammengeschlossen, um die Themen Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz noch mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Auch die Studentin Dorothea Kimmerle ist schon seit einiger Zeit ein engagiertes Mitglied bei rehab republic, da sie es zu „einseitig und langweilig“ findet, sich nur um ihr Studium zu kümmern. „Die Gleichgültigkeit der Leute macht mich traurig“, sagt sie, „ich mag Menschen, die eine Leidenschaft haben.“

Und so suchte die 25-Jährige in der Münchner Gesellschaft, wo „jeder in seiner kleinen Mühle vor sich hin arbeitet“, nach Personen, die mal „einen Leerlauf einlegen, um Sachen zu erkennen“. Dorothea schätzt „das Positive“ und die Effizienz an den Kampagnen von rehab republic, die sich nicht gegen, sondern für etwas einsetzen und radikale, aktivistische Umtriebe ausklammern. 

Die Macher von rehab republic sind keine realitätsfernen Idealisten, die sich in ihrem Selbstversorger-Bauernhof verschanzen. Sie rennen nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Straßen, sie hausen nicht in autonomen Kommunen, sie schreien keine Parolen auf Demos. Sie belohnen Fahrradfahrer, indem sie ihnen Äpfel schenken. Sie tanzen in einer Silent-Parade auf Münchner Plätzen und verteilen Kopfhörer, durch die Wortbeiträge nachhaltig lebender Menschen schallen. Sie veranstalten Kleidertauschmärkte. Und nicht zuletzt feiern sie außergewöhnliche Partys. Sie sind sich der Größe der Herausforderungen der jetzigen Generationen bewusst und möchten mit „kleinen Schritten“ in eine nachhaltige Zukunft gehen, „um schwere Krisen und Konflikte zu vermeiden“, und möglichst viele Menschen einbinden.

Erst kürzlich haben sie mit dem Jugendverband vom Bund Naturschutz den sogenannten „Clubmob“ (Fotos: rehab republic) organisiert. Um den gewaltigen jährlichen Kohlenstoffdioxid-Verbrauch eines Clubs zu senken, bietet die rehab republic den Münchner Clubbetreibern eine kostenlose Energieberatung an. Die Clubbetreiber versprechen im Gegenzug, mit den Einnahmen einer Clubnacht Energiesparmaßnahmen vorzunehmen. Und so stieg kürzlich in der Münchner „Milla“ eine große Party, die Tanzfläche füllte sich gegen Mitternacht mit Nachtschwärmern und die Menge wippte zu funkigen Beats. Doch über den Köpfen glänzte nicht nur die Discokugel. Hier flimmerten auch Schriftzüge, die ein Beamer an die Wand warf: „Wusstest du, dass ein mittelgroßer Club 90 Tonnen CO₂ im Jahr ausstößt? Das ist in etwa so viel, wie wenn du 25 mal von München nach Tokio und zurück fliegen würdest“, oder „wie wenn du 325 Tage im Jahr ununterbrochen heiß duschen würdest“. Und: „Um diese Menge an CO₂ zu absorbieren, müsstest du zehn Fußballfelder Wald pflanzen, nur kann man dann nicht mehr Fußballspielen“. Diese Zahlen und Fakten verdarben niemanden an diesem Abend im Milla die Laune. Im Gegenteil. Die Menge wusste, umso mehr sie feiern würde, desto mehr Geld käme in die Kasse für energieeffizientere Ton-, Licht- und Kühlungsanlagen.
 
Dorothea war zufrieden mit dem Abend, mit der Stimmung und damit, dass rehab republic mal wieder der Öffentlichkeit gezeigt hat, dass Energiesparen Spaß machen kann. Es war nicht schwer, die Club-Betreiber zu überzeugen, beim Clubmob mitzumachen. „Zum Glück ist es zur Zeit einigermaßen modern, nachhaltig zu sein“, sagt Dorothea und ergänzt schmunzelnd: „Wer weiß, vielleicht mobben wir irgendwann das P1.“

Bis dahin veranstalten sie allerdings noch eine Menge andere Aktionen. Bald gibt es eine „Turboschnibbelparty“, bei der rehab republic und die Initiative Foodsharing aussortiertes Obst und Gemüse aus Supermärkten holen, um es zu Partyfutter zu verarbeiten. Bei Live-Musik und Speed-Dating laden sie zum „Schnibbeln“, Essen und Tanzen ein. Während die Leute eine Gurke zerlegen, plaudern sie dann zum Beispiel über die Nahrungsmittelverschwendung, über die 80 Kilogramm Lebensmittel, die jeder Deutsche im Jahr im Durchschnitt in die Mülltonne wirft und dass „die Karotte sich ihr Ende sicher auch anders vorgestellt hat“. Auf jeden Fall aber wird mal wieder gefeiert – so, als gäbe es ein Morgen. Susanne Brandl