Inneres nach außen

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20 mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Fotografin Alina Cara Oswald.

Bekleidet, nackt oder sogar beim Orgasmus. Das sind die drei
Optionen, zwischen denen die Models beim Shooting mit Alina Oswald, geboren
1992, wählen können. Auf die Körper ihrer Modelle projiziert Alina mit einem
Beamer noch zusätzlich Muster und Farben. Vor dem Shooting unterhält sie sich
mit ihnen und gemeinsam werden die Muster ausgesucht. Es geht ihr darum, was
innen ist, nach außen zu tragen. Das Muster soll deshalb zum Charakter
des Portraitierten passen. Am liebsten fotografiert Alina die Models bei einem
Orgasmus. Am sexuellen Höhepunkt kann niemand mehr steuern, wie er aussieht. In
diesem Moment sind Menschen wahrhaftig
und verletzlich zugleich. Da ihr jedoch
bewusst war, dass sich nicht alle für den Orgasmus entscheiden würden, wollte
Alina ein Überkonzept formulieren. „Es ist schwierig, wenn man sich noch fremd
ist, zu sagen: ‚Fotografier mich bei meinem Höhepunkt!‘“, sagt Alina.

Bereits in ihrer Fotoreihe „Moments“ hat Aline etliche
Menschen unterschiedlichen Alters bei ihrem Höhepunkt fotografiert. Die
Fotoreihe sorgte für Aufsehen: In vielen Zeitungen, Zeitschriften und Webseiten
war sie Thema. Außerdem stellte Alina „Moments“ sehr oft aus. Sie hat eine
Ausbildung zur Kommunikationsdesignerin gemacht. Ein Jahr lang setzte sie
außerdem freie Projekte um. Nun holt Alina das Abitur nach, um danach studieren
zu können. Mit der Fotografie möchte sie den Teil des Inneren eines Menschen
zeigen, den er normalerweise nicht offenbart, weil er es nicht gewöhnt ist oder
ihn verstecken muss. „Ich fotografiere außergewöhnliche Merkmale, Narben,
Dinge, die in der Gesellschaft als nicht ästhetisch gelten“, erklärt Alina. Für
sie sind Menschen, die ihre Makel oder Verletzlichkeit zeigen, wahrhaftig und
authentisch. „Es macht einen Menschen stark, wenn er all seine Seiten zeigen
kann“, sagt sie.

„Ob man beim Shooting Kleidung trägt und wenn ja, wieviel,
und mit welcher Körpersprache man sich zeigt, liegt in der Entscheidung des
dargestellten Künstlers“, sagt Alina. „Ich habe alles mir Entgegengekommene
eingefangen und festgehalten. Ich denke, so war alles ausführbar und
wundervoll.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Larissa Nitsche

250 Zeichen Wut: Kampf um die Geräte

Statt winterlichem Joggen im Freien kann man bequem auf ein Fitnessstudio setzen. Doch freie Fitnessgeräte in der Feierabendzeit zu ergattern, ist alles andere als bequem.

Fitnessstudios sind gerade im Winter beliebt, weil nur
Hartgesottene bei Minusgraden und Schnee joggen gehen. Doch im Fitnessstudio
angekommen, muss man erst mal anstehen, um überhaupt einen freien Spind zu
bekommen. Hat man einen und auch noch die Sportklamotten angezogen, beginnt der
nächste Kampf: um freie Crosstrainer oder Laufbänder. Sobald jemand ein Gerät
verlässt, stürzen sich alle darauf. Möge der Schnellste und Sportlichste gewinnen. Genug Sport gemacht.

Text: Lena Schnelle

Indie, Rock und andere Naturgewalten

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„Ni Sala“ ist Band des Jahres. Der große Gewinner ist aber München – weil es so eine spannende Musikszene gibt.

Die Haare kleben nass an der Stirn und das Gesicht ist schweißbedeckt. Die Augen sind geschlossen, das Gesicht ist verzerrt. Robert Salagean, Sänger von Ni Sala, ist ganz in der Musik versunken. Das Publikum im Bahnwärter Thiel tanzt, springt und bewegt sich zu den rockigen Klängen von Ni Sala, die gerade den Titel „Band des Jahres“ der Junge-Leute-Seite der SZ gewonnen haben. „Wir haben gar nicht damit gerechnet“, sagt Robert, „aber wir sind sehr stolz auf uns, weil Band des Jahres ein echt cooles Ding ist!“

Die Discokugeln, die von der Containerdecke hängen, drehen sich im Scheinwerferlicht und werfen kleine, weiße Punkte an die Wand. Es sieht aus wie in einer Galaxie. Im roten Kleid schwebt Martina Haider, Sängerin von Chaem, barfüßig auf die Bühne. Passend zu den Sternen an der Wand ertönen sphärische Klänge. Zu elektronischen Beats bewegt sich Martina wie in Trance hin und her. Nach ein paar ruhigen, melancholischen Nummern, stimmt Chaem den dynamischen Song „Carousel“ an und auch das Publikum erwacht.

Und mit Schwung geht es weiter. Wie Moderatorin Kathi Hartinger ankündigt, kommt „eine Naturgewalt“ auf die Bühne: Swango. Skill-Gott Heron begleitet den Gesang mit einer Stepptanzperformance auf dem Parkett, dazwischen klatscht er in die Hände. Sobald Moco Mariachi mit seiner Akustikgitarre und Manekin Peace mit dem Rap einsetzen, werden die ersten Handys gezückt, um den außergewöhnlichen Hip-Hop-Style festzuhalten. „Habt ihr ein Wort für uns?“, ruft Manekin in die Menge. „Wir machen einen Beat draus!“ Die Fans rufen: „Bahnwärter Thiel“ und „Waschmaschine“. „Es ist washmachine triangle geworden!“, ruft der Rapper, während Skill-Gott Heron einen Waschmaschinenbeat steppt. Nach dem Auftritt sind die Zugabe-Rufe so laut, dass Swango sich locker einen „Freestyle-Shit“ aus dem Ärmel schüttelt.

Währenddessen muss der U-Bahn-Waggon hinter dem Container erst noch warmlaufen. Den Auftakt macht Liedermacher Alex Döring, der mit seinem „Tiefkühltruhen-Lied“ im noch etwas kühlen Bahnwärter-Waggon eine sehr gute Stimmung vorlegt. Wie es sich für eine Münchner U-Bahn gehört, sind alle Sitzplätze belegt, Zuschauer stehen im Gang – wie zur Rushhour. Spätestens beim vorletzten Act sind auch die Fenster des Bahnwärter-Waggons beschlagen, und innen herrscht eine wohlige Wärme. Zu guter Letzt zelebriert der Kabarettist Julian Wittmann in seiner Bier-Hymne alle möglichen Biermarken in einem Song.

Zurück im Bahnwärter: Auf der kleinen Bühne schlingt Elisa Giulia Teschner gerade Lichterketten um das Mikrofon und Schlagzeug. Es entsteht eine romantische, heimelige Stimmung, die zu den sphärischen Feenklängen von Eliza passt. Besonders als Elisa zusammen mit ihrem Gitarristen Wolfgang Stefani von der Bühne direkt ins Publikum steigt. Ein „Pscht“ macht im Container die Runde. Man hört nur noch den Regen draußen und klirrende Geräusche von der Bar. Dann setzt leise die Stimme von Elisa ein, dazu Gitarrenklang – ohne Mikrofon und Verstärker. Gebannt lauschen die Zuschauer.

Unter den Zuschauern ist auch Maria Lang, 21, die die Veranstaltung auf Facebook entdeckt hat. „Ich besuche gerne Konzerte“, sagt sie. „Hier sind viele Bands auf einem Haufen. Da kann ich neue Eindrücke holen.“ So auch bei der nächsten Band, Beta. Es ist vernebelt, nur das glimmende Ende der Zigarette von Bassist Markus Sebastian Harbauer ist zu sehen. Kaum setzen die Instrumente und der Rap ein, kann keiner im Raum mehr still stehen. Körper bewegen sich hin und her, in der ersten Reihe singen Fans den Text mit. „Alle Hände mal HipHop-mäßig nach oben“, ruft Sebastian Grünwald und für die Fans gibt es kein Halten mehr. Die HipHop und Rap-Vibes sind im Container angekommen.

Auch wenn einige Fans traurig sind, dass Beta keine Zugabe spielt, freuen sich drei Mädchen in der ersten Reihe auf den nächsten Auftritt. Seit 2015 sind Daniela Wiegand, Vivian Donner und Isabel Staudenmaier Matija-Fans – leicht erkennbar an ihren weißen Matija-T-Shirts. „Die haben einen guten Style“, sagt Daniela, und Vivian ergänzt: „Wir mögen sie, weil sie nicht Mainstream sind, sondern ihr eigenes Ding machen.“ „Und sie sind live unglaublich gut“, erklärt Isabel. Das zeigt Matija auch. Sänger Matt Kovac singt eine einfache Melodie vor, die von Mal zu Mal komplizierter wird, und die Zuschauer machen es ihm nach. Das Lachen und Tanzen von Matt ist ansteckend – er reißt das Publikum mit. Die Feier steht im Mittelpunkt. Und die Münchner Musikszene.

Wie jede Band beim Verkünden ihres Votings erklärt, ist das Bewerten von Musik „echt bescheuert, weil man Musik nicht bewerten kann“. Das sagt Matt Kovac, Sänger von Matija. Und Martina Haider von Chaem findet, dass „in jeder Kategorie der gewinnen soll, der nominiert ist“. Am Ende heißt der Sieger Ni Sala – dem Sänger ist der Titel dann aber doch nicht zu wichtig. Er habe vor allem Lust gehabt, an diesem Abend auf der Bühne zu stehen. Mit seiner Band und den anderen Bands des Jahres.

Text: Lena Schnelle

Fotos: Robert Haas

München-Models: Laura Charlotte Elibol

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In München leben viele schöne Menschen. Unter ihnen gibt es
auch einige Models. Ob hauptberuflich, als Nebenjob oder Hobby: Wir
porträtieren jede Woche ein Münchner Model und erzählen von dem Menschen
hinter dem hübschen Gesicht.

In der ersten Klasse hat Laura Charlotte Elibol, 27, fast nie die Schule besucht, weil sie auf der Bühne stand. Sie spielte Theater in den Kammerspielen bis spät in die Nacht und war am nächsten Tag vom Unterricht befreit. Und auch sonst führte sie nicht unbedingt ein normales Leben: Während andere Kinder gespielt haben, stand Laura im Studio und hat geshootet. Für Avalon, Triumph, Ferrero oder Milka. Auch wenn es modelmäßig gut lief, hatte sie es in der Schule schwer. „Ich hatte schon immer einen ernsten Blick und kam erwachsen rüber“, sagt Laura. „Das haben viele wohl als arrogant aufgefasst.“

Schon mit drei Jahren stand Laura als Model vor der Kamera. „Andere Kinder haben geweint, ich war ruhig, konzentriert und hatte eine schnelle Auffassungsgabe“, sagt Laura. Bis sie 14 Jahre alt war, hat sie viele Modeljobs gemacht, ist rumgereist und hat viel erlebt. Weil sie nur 1,69 Meter groß ist, modelt sie heute bloß noch im Werbe- und Videobereich. Das mag sie sowieso am liebsten, weil sie mehr spielen und in verschiedene Rollen schlüpfen kann. Außerdem hat sie gerade den Bachelor in Kunstpädagogik gemacht und wartet darauf, sich für den neuen Master in Kunsttherapie an der Akademie der bildenden Künste bewerben zu können. Bis dahin konzentriert sich Laura auf die Musik. Sie lernt gerade, elektronische Musik zu produzieren und aufzulegen. Sie möchte bald eine EP rausbringen und sich dann auch wieder mehr um die Malerei kümmern. „Es ist schwierig für mich, sich auf eins zu konzentrieren, da würde mir etwas fehlen, ich brauche die Abwechslung.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Stephan Rumpf

Neuland: Wer wird Band des Jahres?

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Wer wissen will, wer sich mit dem Titel “Band des Jahres” schmücken darf, muss sich den 15. Februar rot im Kalender anstreichen. Neben den nominierten Bands treten auch Comedians und Kabarettisten auf.

Hip-Hop trifft auf Bluesrock. Indie-Pop auf Art- und Alternative-Pop. Das Line-Up der Veranstaltung „Wer wird Band des Jahres?“ ist vielfältig: Chaem, Eliza, Matija, Ni Sala, Swango und Beta. Diese Bands und vier weitere standen zur Wahl für die Band des Jahres der Junge-Leute-Seite der SZ. In einer ersten Runde konnten Facebook-User für ihre Lieblingsband abstimmen. In einer zweiten Runde haben die Bands ein Ranking erstellt, wobei sie nicht für sich stimmen durften. Diese beiden Votings wurden zu einem Gesamtvoting verrechnet. Am Ende des Abends wird die Band des Jahres gekürt. Für ein buntes Rahmenprogramm sorgen die Comedians Julian Beysel, Sebastian Ulrich und Michael Mauder, die Kabarettisten und Musiker Julian Wittmann und Peter Fischer, Poetry-Slammer Philipp Potthast und Liedermacher Alex Döring. Bis spät in die Nacht kann zu House- und Funk-Klängen von DJ Alex Blum getanzt werden.

Wer wird Band des Jahres? Donnerstag, 15. Februar, Bahnwärter Thiel, Tumblinger Straße 29, Beginn 19.30 Uhr, Eintritt fünf Euro.

Text: Lena Schnelle

Foto: Fabian Christ

Neuland: Designing the Disaster

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Svenja Wamser hat ihre Masterarbeit aufgeschoben und hat das einfach zum Thema ihrer Arbeit gemacht: Prokrastination.

Prokrastination – das ist extremes Aufschieben von Arbeiten. So ging es auch Svenja Wamser, als sie parallel zu ihrem Studium selbständig war und die Masterarbeit vor sich hingeschoben hat. „Prokrastination wird in der Gesellschaft immer negativ dargestellt“, sagt sie. „Dabei kann das auch etwas Positives sein, weil eine Pause ganz gut sein kann.“ Deswegen hat sie sich in ihrer Masterarbeit damit beschäftigt. Entstanden ist das Buch „Designing the Disaster“. Skizzen, spontane Gefühlsausbrüche, Fotos, Texte und weiße Seiten wechseln sich ab. Freien Platz, den der Leser mit eigenen Gedanken füllen kann. Die Informationen werden immer wieder unterbrochen und aufgeschoben, um dem Leser das Gefühl von Prokrastination zu vermitteln. Gleichzeitig schafft Svenja einen dreidimensionalen Raum – vom 9. bis 17. Februar in der Färberei. Sie möchte nicht nur das Buch dem Publikum vorstellen, sondern auch Prokrastination erlebbar machen. „Der Raum soll beim Betrachter Kopfkino erzeugen, den Verzweiflungsmoment auflösen und stattdessen Befreiung auslösen“, sagt Svenja. 

Text: Lena Schnelle

Foto: Svenja Wamser

Internationale Familie

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Teresa Bertram, 27, hat MindLinks gegründet. Es ist eine Gemeinschaft in München, die Studenten und Geflüchteten die Möglichkeit geben will, sich auf Augenhöhe zu begegnen.

Auf einem Hügel steht eine majestätische Burg. Krak des Chevaliers heißt sie. Dieses Bild ist auf eine Wand im Institut für Soziologie projiziert. Ein junger Mann mit schwarzen, kurzen Haaren und Bartstoppeln steht neben dem Bild und redet über sein Heimatland Syrien. „This is my favourite one“, sagt Ghassan Abdulhadi, 24. „You should do Wandern.“ Im Raum lachen alle auf, weil dem Syrer eher das deutsche als das englische Wort einfällt. Die Tische sind an die Wand geschoben, 16 Menschen sitzen im Stuhlkreis und hören dem Syrer zu. Die meisten sind jung, zwischen 20 und 30 Jahre alt. Die Truppe ist bunt gemixt: Geflüchtete, Münchner, internationale Studenten ohne Fluchthintergrund. Es sind sowohl Frauen als auch Männer da. Alle sind leger gekleidet, aber nicht spießig, sie haben Jeans und dazu Pulli oder Sweatshirt an. Die Atmosphäre ist locker und entspannt.

Auch Teresa Bertram besucht dieses Seminar. Die 27-Jährige hört interessiert zu. Es geht um Syrien vor dem Krieg. Eines von vielen Themen, um das es in den Diskussionsseminaren von MindLinks geht. Zusammen mit dem Ägypter Mahmoud Bahaa und der Amerikanerin Mallissa Watts hat Teresa MindLinks vor fast zwei Jahren gegründet. Es ist eine Gemeinschaft in München, die Studenten und Geflüchteten die Möglichkeit geben will, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Die drei Gründer fanden es toll, dass es viele Hilfsangebote für Flüchtlinge gibt. „Aber oft entsteht ein Hierarchiegefälle in irgendeiner Art und Weise, wenn einer bedürftig ist und ein anderer die Ressourcen hat“, sagt Teresa. „Mallissa hatte davor schon ganz viel in Flüchtlingsheimen und bei Essensausgaben geholfen und dann auch gemerkt, dass ihr der Austausch fehlte. Und ich habe in der Zeit, in der das Flüchtlingsthema in Deutschland so groß war, in London studiert und wollte auch gerne etwas machen.“

Jeden Montagabend um 19 Uhr findet ein Diskussionsseminar im ersten Stock des Instituts für Soziologie an der LMU statt. Dabei geht es jede Woche um die unterschiedlichsten Themen: Politik, Religion, Naturwissenschaft, Soziologie, Psychologie, Sexualität. Nach dem Vortrag wird diskutiert. Je nachdem, welches Thema sich der Vortragende aussucht, wird mal hitziger gestritten, mal gibt es kaum Wortmeldungen. Geredet wird auf Englisch, weil sich so alle verständigen können. Da die Flüchtlinge und inzwischen auch viele internationale Studenten ohne Fluchthintergrund auch Deutsch lernen wollen, bietet MindLinks davor eine Deutschstunde an. „Sprich mit!“ heißt sie. Außerdem koordiniert MindLinks ein Partnerprogramm. Es nennt sich „Peer-Partner-Programm“. Dabei bilden eine Person mit und eine ohne Fluchthintergrund ein Tandem. Gemeinsamkeiten, ähnliche Interessen oder ein akademischer Hintergrund sind Voraussetzungen, um zwei Personen zusammenzubringen. Wichtig ist, dass es nicht einen Mentor und einen Schützling gibt, sondern dass beide Personen sich auf einer Ebene begegnen. „Ich glaube, dass Sprache im Vordergrund steht, aber viele tauschen auch mehr als nur Sprache aus, zum Beispiel die Kultur, und machen viel zusammen“, sagt Teresa Bertram. „Da waren einige dabei, die enge Freunde geworden sind.“ So auch Ghassan und Duygu Büyükerzurumlu, 24. Sie interessieren sich beide für Medizin und haben viel gemeinsam unternommen.

Ghassan sieht inzwischen die ganze Gruppe als seine Familie an. Er freut sich auf die Seminare, weil er dort seine Freunde, aber auch neue Menschen trifft. Außerdem besucht er den Deutschkurs, um die Sprache zu verbessern, denn er möchte irgendwann in Deutschland Medizin studieren – so wie seine Tandempartnerin Duygu. Ghassan hat in Syrien bereits Anästhesiologie studiert und wartet momentan auf einen Studienplatz. Zuvor hat er als Freiwilliger in einem Second-Hand-Shop der AWO und in einem Restaurant gearbeitet.

Kinan Al Akhmar, 23, besucht seit anderthalb Jahren die Veranstaltungen von MindLinks, hat beim Peer-Partner-Programm mitgemacht und engagiert sich jetzt im Seminarteam. „MindLinks hat mir geholfen, die Sprache und Kultur zu lernen“, sagt Kinan. Er war zuvor in einem Integrationskurs. Dort wurde ihm gesagt, dass er keine Freunde in Deutschland finden wird, außer er ist Teil einer Gruppe. Als er aus Syrien hierher kam, hatte er 250 Freunde auf Facebook, nun hat er 700 – auch wenn das nichts heißen muss. Er lebt bereits seit zwei Jahren in Deutschland. Jetzt macht er in München eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Kinan mag die Gruppe, weil sie abwechslungsreich ist und er keine Angst hat, seine Ideen mitzuteilen. Er kommt jeden Montag zu den Diskussionsseminaren, weil es ihm viel Spaß macht und viel gelacht wird.

Während Kinan auf dem Laptop eine Seite weiterklickt bei der Präsentation, erzählt Ghassan etwas zu den Bildern. Auf der Wand sieht man das römische Theater in Bosra. Medizinstudentin Anna Raabe, 26, fragt, ob es noch steht. Darauf antwortet Ghassan, dass die meisten Ruinen zerstört worden sind. Der Vortrag und die anschließende Gesprächsrunde laufen ruhig ab. Das kann aber auch anders sein: Gerade bei emotionalen Themen wie Politik gibt es auch mal Konfliktsituationen. Vor ein paar Monaten hat ein Geflüchteter nach langem Überlegen des Teams einen Vortrag über den Krieg in Syrien gehalten. „Vor allem in der Gruppe der Geflüchteten war es schwierig“, sagt Teresa, „weil da natürlich auch Leute zusammenkommen, die in Syrien auf ganz unterschiedlichen Seiten standen und das natürlich superemotional aufgeladen ist.“ Die Situation ist aber nicht eskaliert, denn zu dem Zeitpunkt kannten sich alle so gut, dass manche zwar ein bisschen aneinandergeraten sind, aber danach war wieder alles gut.

Die Gesprächsrunde ist beendet. Manche bleiben noch sitzen und reden mit ihrem Sitznachbarn weiter – auf Englisch, aber auch auf Deutsch. Andere gehen nach vorne und gießen sich Saft oder Wasser in einen Plastikbecher und stellen sich zusammen. Wie auch schon beim Diskussionsseminar ist die Atmosphäre locker und rundherum sind oft Lacher zu hören. „Nach einem Jahr sind es deine Freunde und deswegen komme ich“, erzählt Anna. Sie hat so etwas wie bei MindLinks noch nie erlebt: „Man lernt, auf höfliche Art und Weise zu diskutieren, jede Meinung ist akzeptiert.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Stefanie Preuin

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Lena

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Die Premiere von “Stand UpUnderground” des Comedians Michael Mauder möchte sich unsere Autorin nicht entgehen lassen. Genauso wie die EP-Release-Party von King Pigeon im Milla Club. Filme, Ausstellungen und Reiselust dürfen auch nicht fehlen.

Ins Wochenende starte ich am Freitagabend mit dem Besuch einer
Fotografieausstellung von Tobias Meier. Sie heißt „Plastic Vanity“. Er hat in
den letzten drei Jahren Puppen fotografiert, so wie er sie gefunden hat. Sie
haben ein Eigenleben entwickelt und die Gesichter zeigen Emotionen. Die ausgestellten Fotos im Feierwerk Farbenladen sehen echt cool aus. Ist mal was anderes… 

Am Samstag schlafe ich nach der anstrengenden Arbeitswoche
aus und gehe eine Runde im Englischen Garten spazieren. Das ganze Gesitze im
Büro muss ja irgendwie ausgeglichen werden. Abends schaue ich bei der Villa
Flora vorbei, denn da ist wieder Zeit für den Mädelsflohmarkt: Klamotten,
Schmuck und andere Schätze wechseln dort die Besitzerinnen. Nachdem mein
Geldbeutel großen Verlust hinnehmen musste, brauche ich etwas zur Aufmunterung.
Was ist da passender als gute Musik? King Pigeon feiert im Milla den Release
ihrer EP „About the stock life“
. Bevor ich zum Indie-Pop der Jungs abgehen
kann, lausche ich erst mal neugierig den Aggressive Swans. Das Duo ist eine
Alternative-Pop Band, die modernen, elektronischen Pop mit dem Musikstil der
80er kombiniert. Da ich noch total in Partystimmung bin, gehe ich mit Freunden
noch etwas trinken.

Am Sonntag bin ich betrübt, weil der Samstagabend und
der EP-Release vorbei sind. Deswegen schleppe ich eine Freundin zum „Comedy
Sprungbrett – Open Stage“
in die Vanilla Lounge an der Münchner Freiheit. Der
Comedian Alex Profant moderiert die Veranstaltung. Wer möchte, kann sein
Comedy-Programm zeigen. Der Abend stellt meine Bauch- und Mundmuskulatur auf
eine harte Probe. So viel habe ich schon lange nicht mehr gelacht.

Der Anfang der neuen Woche ist immer hart. Also brauche ich
für den Montag etwas Ruhiges. Perfekt ist da die „HFF Film Night vol. 2“ im
Lovelace. Alle drei Monate laden Studenten der Hochschule für Fernsehen und
Film zu einer Screening Night ein. Diesmal zeigen sie unter anderem einen Dokumentar-,
Spielfilm, eine Webserie und ein Action Musical. Besonders das Action Musical
beeindruckt mich, weil ich die Kombi Actionfilm und Musical so noch nie gesehen
habe.

Das ständige Hin und Her des Wetters nervt mich ziemlich und
ich wünschte, ich könnte in wärmere Gebiete fliehen und ein wenig durch die
Natur wandern. Deshalb passt es gut, dass am Dienstag die zwei Studenten
Korbinian Faust und Johannes Hochholzer erzählen, wie sie 14.650 Kilometer von
Patagonien bis Kolumbien gefahren sind. Der Reisevortrag „Auf’m Radl durch
Südamerika!“
wird sehr interessant. Ich überlege mir tatsächlich, im Sommer den
südamerikanischen Kontinent zu erkunden.

Nur noch zwei Tage bis zum Wochenende! Und der Mittwochabend
verspricht gut zu werden! Ich schnappe mir eine Freundin, um mir die Premiere
der StandUp-Show “StandUp Underground” im zehner Club anzuschauen.
Der StandUp-Comedian Michael Mauder präsentiert vier aufstrebende
StandUp-Comedians aus München und Deutschland. Den Club verlassen wir mit einem
breiten Grinsen. Hach, es gibt doch so viele kleine Dinge im Leben, die schön
sind.

Den Donnerstagabend verbringe ich gemütlich mit einer Tasse
Tee im Bett und einer guten Serie. Ein bisschen Ruhe und Entspannung muss auch
mal sein.

Dafür habe ich genug Kraft gesammelt, um am Freitagabend
wieder etwas zu unternehmen. Es zieht mich wieder mal in den Farbenladen. Dort findet
die Vernissage der Ausstellung „EQUILIBRIUM“ statt. Gregory Borlein ist
Malerei-Student an der Akademie der Bildenden Künste. Über seine Ausstellung heißt
es: „"EQUILIBRIUM" zeigt das Gleichgewicht von männlichen und
weiblichen Ästhetiken in der Malerei. Das Gleichgewicht von Oberfläche und
Räumlichkeit und der Komposition von Strukturen, Form und Farbe.“ Um das
möglichst beste Bilderlebnis zu haben, wird nicht das Konzept erklärt. Daneben
gibt es eine analoge Fotoserie. Danach muss ich meine überschüssige Energie noch loswerden. Ein bisschen Bewegung kann da nie schaden. Also
geht’s zum Austanzen der Arbeitswoche in den Live-Club Milla. Bei den Klängen
von Funk, Soul und HipHop vergeht die Zeit viel zu schnell und ich falle tot
ins Bett.

Text: Lena Schnelle

Foto: privat

Neuland: SAMT

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Swallow Tailed hat einen neuen Namen, einen neuen Musikstil und ein Bandmitglied weniger. Das Trio startet jetzt nach zweijähriger Pause wieder durch – als SAMT. Sie haben sich nun dem Elektro-Pop verschrieben.

„Wir sind jetzt erwachsener geworden“, sagt Philip-Maximilian Maier. „Unsere Musik kann man nicht mehr dem klassischen Indie zuordnen, sondern sie ist jetzt elektronischer und poppiger.“ Philip spielt Gitarre und singt bei der Band SAMT – früher Swallow Tailed. Swallow Tailed hatte im Dezember 2015 eine Pause eingelegt, nachdem Schlagzeuger Lenny die Band verlassen hatte. „Wir waren zuerst traurig, weil es gut lief und wir viel Spaß hatten, aber er hatte das Gefühl, uns auszubremsen, weil er andere Verpflichtungen hatte.“ Nun sind die anderen drei Bandmitglieder, Philip, Pia Kreissl und Jakob Arnu, zurück – mit neuem Namen und neuer Musik. Für die Fans war es eine zweijährige Pause, doch das Trio hat still und heimlich im Studio Musik geschrieben. „Wir haben uns viel mehr Zeit für die Songs genommen als früher“, sagt Philip. „Es war uns eine Freude und Ehre, an einer Webserie musikalisch mitzuarbeiten.“ Außerdem möchte SAMT jeden Monat einen neuen Song herausbringen. In den nächsten Monaten folgen auch Musikvideos und von Frühling an Konzerte.

Text: Lena Schnelle

Foto:

Johannes Kliemt

Politik statt Beauty

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Florian Seif, 23, ist mit seinem Youtubekanal
Alternatiflos” für den „Youlius Award“ nominiert.
Er möchte seinen Zuschauern eine andere politische Meinung nahebringen als die, die die breite Masse hat.

Ziemlich erfolgreich im Netz sind Youtuber, die Beauty- und Lifestyletipps geben, Bibi’s Beauty Palace oder Dagi Bee sind deshalb große Namen. Politische Kanäle sucht man vor allem im deutschsprachigen Bereich vergebens. Florian Seif, 23, möchte das ändern. Er studiert an der TU Politikwissenschaft und lädt auf seinem Kanal „Alternatiflos“ Videos zu politischen Themen hoch. Er ist für den „Youlius Award“ nominiert, der am 27. Januar in Essen verliehen wird.

SZ: Florian, Dein Youtube-Channel hat um die 300 Abonnenten. Hättest du gerne mehr?
Florian Seif: Klar will ich mehr Abonnenten. Nicht nur, um mehr Leute erreichen zu können, sondern auch, weil ich gerne im medialen Bereich arbeiten würde: Fernsehen, Webvideo, Film.  

Momentan schauen sich aber noch nicht so viele Menschen deine Videos mit politischen Themen an. Warum?
Die Menschen arbeiten, gehen in die Uni oder die Schule und abends haben die meisten wahrscheinlich keine Lust, sich noch mit Politik zu beschäftigen. Ich produziere ja keine kurzweiligen Videos, die man sich nebenbei angucken kann, weil sie lustig sind und unterhalten. Sondern dafür braucht es einen klaren Kopf. Es bringt ja nichts, wenn ich mir ein Video angucke und nicht aufnahmefähig bin.

Ist Politik nicht mehr gefragt?
So würde ich das nicht sagen. Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Menschen eine Protestpartei wie die AfD wählen. Das sind alles Leute, die sind soweit politisch interessiert, dass sie sich über etwas empören können. Außerdem gibt es auch viel mehr Parteien als früher.

Was möchtest du deinen Zuschauern vermitteln?
Ich möchte nicht nachplappern, was alle sagen, sondern eine Seite beleuchten, die noch nicht so oft angesprochen wurde. Vielleicht auch mal ein paar nicht alltägliche Gedanken einbringen. Wichtig ist mir auch, dass eine Meinung rüberkommt. Ich möchte eine Balance finden zwischen Meinungsvideo und objektivem Infovideo. Subjektiv-neutral, wenn das denn geht.

Wie ist das Feedback, das du bekommst?
Ich würde sagen, zu 90 Prozent gut, weil ich nicht versuche, meine Meinung als die perfekte zu verkaufen, sondern auch zu zeigen, dass auch meine Sicht negative Seiten haben kann. Auch wenn mir natürlich noch nicht so viele Leute folgen, sind die Rückmeldungen doch meistens positiv. Sie sagen zwar, dass sie anderer Ansicht sind, weil ich in meiner Community auch ein paar Rechte habe, aber selbst die sind eigentlich harmlos, wenn man normal mit denen umgeht.

Gibt es da keine krassen Kommentare?
Manche Menschen schreiben schon auch „Armes Deutschland“, „Deutschland schafft sich ab“, „Wir sind ja alle nur Marionetten im System“.

Lässt du solche Kommentare stehen?
Sobald jemand beleidigt wird, haue ich sie raus, auch wenn das die Meinungsfreiheit einschränkt, aber ich finde beleidigend darf es nicht werden.

Und wie reagierst du auf andere, eher konservative Kommentare?
Wenn da eine Kritik kommt, dass man eine falsche Meinung vertritt, dann kommentiert man einfach normal, ich versuche immer, freundlich zu bleiben. Auch wenn es nicht meine Meinung ist, sagen sie halt, was ihre Meinung ist. Solange man zumindest versucht, den anderen zu verstehen, ist das genau der richtige Weg. Das freut mich eigentlich mehr, wenn Leute meine Videos gucken, die eine ganz andere Meinung haben, und sagen, ich bin zwar anderer Meinung, aber ich verstehe, was du meinst.

Das heißt, dir ist nicht wichtig, die Leute zu überzeugen, sondern ihnen eine andere Perspektive zu zeigen, über die sie dann hoffentlich nachdenken?
Genau, dass sie darüber nachdenken. Also wenn ich sie überzeugen kann, ist das natürlich auch toll, aber ich bin auch nicht allwissend.

Was ist deine Meinung zur aktuellen politischen Lage?
Ich sehe das ganz positiv. Ich finde es gut, dass wir ein größeres Parteienspektrum haben, auch wenn mich der populistische Ansatz der AfD stört.

Und die Regierungsbildung?
Ist halt kompliziert für die Politiker. Niemand weiß im Moment, wie sie damit umgehen sollen, dass in der Wahl keine große Mehrheit mehr zustande gekommen ist. Eine Minderheitsregierung will keiner, Neuwahlen wollen sie aber auch nicht. Jetzt versuchen sie irgendwie mit Gewalt, eine Koalition zusammenzuzimmern. Meiner Meinung nach wird eine Große Koalition nicht gut gehen.

Was, glaubst du, würde helfen?
Ich glaube, eine Minderheitsregierung wäre gut. Obwohl alle sagen, das würde Stillstand bedeuten und stabile Mehrheiten verhindern. Ich denke, das ist doch genau das, was Demokratie ausmacht: dass man nicht immer eine Mehrheit hat, sondern sich für jedes Thema neue Partner suchen muss. Es geht darum, die Leute zu überzeugen. Dann dauert es zwar länger, bis man etwas durchbekommt, aber es gibt eine Debatte und das Gesetz ist viel passender für das, was die Leute wollen.

Du bist für den Youlius Award nominiert. Was bedeutet dieser Preis für dich?
Der Preis geht an Youtuber, die Content produzieren, der nicht unbedingt massentauglich ist. Es gibt viele kleine Kanäle, und deren Macher geben sich viel Mühe und versuchen etwas. Ich auch, ich stecke da jede Woche sehr viel Arbeit rein. Deswegen hoffe ich, durch diesen Preis mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Interview: Lena Schnelle

Foto: privat