Von  Worten, die Mut machen, Eintagsfliegen, Döner-Freundschaften und Shopping-Wahn

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Nach einem erfolgreichen und gut besuchten Auftakt unserer Vernissage
zu „10 im Quadrat“, startete am gestrigen Sonntag das Rahmenprogramm
im Farbenladen. 

Etwas ruhiger und gemütlicher war
es am ersten Ausstellungssonntag im Farbenladen. Die Besucher schlenderten
gemütlich von Bild zu Bild, während es draußen regnete. Aber nicht nur die
Porträts gab es an diesem Tag zu betrachten. Bei den Fototalks mit den
Fotografen Laura Zalenga, Michael Färber und Model Rosa Kammermeier (Blue Haze)
bekam das Publikum einen persönlichen Eindruck von der Kreativität und den
Ideen der Fotokünstler. „Es ist sehr spannend, wie verschiedene Menschen die
gleiche Person sehen und komplett anders interpretieren,“ erklärte Laura
Zalenga, die ihre Models mit einem Spiegel porträtierte. Sie wollte, dass die
einzelnen Fotos visuell miteinander verbunden sind. Außerdem, so die junge
Fotografin, eröffnen sich durch den Spiegel viele neue Perspektiven mit denen
man fotografisch spielen kann.

Aus Sicht der Porträtierten erzählte
Rosa. Alle Shootings haben ihr Freude bereitet, ganz besonders Spaß gemacht
habe ihr aber das mit Sophie Wanninger. Auf den bunten Fotos von Wanninger hatten
die Models die Vorgabe zu Schielen.

Und noch eine weitere Fotografierte
war an diesem Tag im Farbenladen: Felicia Brembeck, auch bekannt unter dem
Künstlernamen Fee. Die Poetry-Slammerin hat sich passend zur Ausstellung
Gedanken zum Thema Schönheit gemacht. Herausgekommen ist dabei der Text „Was
wäre, wenn schlau das neue schön wäre?“, den sie dem Publikum vortrug. „Wenn Schlau das neue Schön wäre, dann würde die Lyrik gefeiert und in alternativen Clubs
gespielt werden, weil in Mainstream-Discos die ganze Zeit nur Ingeborg Bachmann
oder Heinrich Heine laufen würde.“ 

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Nachdem Fee das Farbenladen-Publikum zum
Schmunzeln gebracht hatte, slammte sie noch ein paar Mut machende Zeilen aus ihrem Text „Schau dich an“: „Ja du lagst am Boden, ja man hat dir
ein Bein gestellt, mehr als eins (…) aber hey, schau dich an, du standest auch
wieder auf und jetzt bist du hier. Ich sag: sei stolz auf dich.“ Spätestens
jetzt waren alle gerührt von der Macht der Worte der jungen Poetry Slammerin
Fee, und auch Singer-Songwriterin Isabella der Band Mola war sehr angetan. Für
“10 im Quadrat” stand Isabella ebenfalls vor der Linse. An diesem Ausstellungstag
spielte sie mit ihrer Band ein wunderbar gemütliches Konzert.

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Während die Besucher weiter die Arbeiten
der Fotografen im Farbenladen betrachteten, lasen Katharina Hartinger, Barbara
Forster, Louis Seibert und Ornella Cosenza von der SZ Junge Leute aus ihren
besten Kolumnen vor und nahmen das Publikum mit auf Shopping-Tour, nach Berkeley und Italien. Auch eine Hommage an den Döner als Symbol für eine besondere Freundschaft, gab es zu hören.

Den Abschluss an diesem Tag
machte das Duo aus Sascha Fersch und Ferdinand Schmidt-Modrow. Sascha schreibt
Gedichte, Dramentexte und Monologe, Ferdinand ist Schauspieler und
interpretierte seine vorgetragenen Texte für die Zuschauer. Das alles gepaart mit
Gitarrenklängen und einer großen Portion Witz. So verwandelte sich Ferdinand etwa in
eine Eintagsfliege und monologisierte über das Fortpflanzen – dieses sei nämlich extrem
wichtig im Leben einer Eintagsfliege. 

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Da die sie aber noch am Ort des
Geschehens verstarb, wird das Farbenladen-Publikum vom Sonntag leider nie
erfahren, wie der Monolog der Eintagsfliege, den Sascha geschrieben hat, wohl
weitergeht. Man kann im Leben eben nicht alles haben.

Die Moderation führte an diesem
Tag unsere Autorin Katharina Hartinger.

Text: Ornella Cosenza

Fotos: Serafina Ferizaj

Fremdgänger: So kurvig wie die Lombard Street

Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. ‘Unheimlich kurvig, dafür mit den schönsten Blumen am Wegrand’ – So vergleicht unsere Autorin den American Dream mit unserem Streben nach einem möglichst geradlinigen Lebenslauf. 

Mit dem amerikanischen Traum ist es schon so eine Sache. Da war ich tatsächlich an meiner Traum-Uni gelandet und wollte jeden Eukalyptusbaum auf dem weitläufigen Campus mit den vielen Eichhörnchen umarmen. Bis ich dann zum ersten Mal vor dem VWL-Gebäude stand. Baufällig, nicht erdbebensicher, die meisten Hörsäle fensterlos.

Ich habe mich trotzdem in dieses Gebäude reingetraut, für den amerikanischen Traum muss man wohl flexibel sein. Drinnen: Forschungsseminare mit indischem Mittagessen inklusive und jeden Mittwoch Kekse für alle – das wäre doch auch was für die LMU! Dazu noch ein paar extra reservierte Parkplätze für Nobelpreisträger und wir könnten endlich wirklich mit den amerikanischen Unis mithalten.

Auch an Kurse mit acht Teilnehmern könnte ich mich glatt gewöhnen. Vor allem, wenn der Professor mit Leidenschaft Witze über Kollegen reißt, während er einen großen griechischen Buchstabensalat an die Tafel malt. Außerdem wird er sein Fahrrad hoffentlich bald auf einem der ganz besonderen Parkplätze für Nobelpreisträger abstellen, auch das sorgt für besondere Spannung. „Und jetzt zeige ich euch, wie manche Kollegen eine Studie aufziehen, wenn sie unbedingt weiterhin daran glauben wollen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden“, sagt er in der letzten Vorlesung mit trockenem Unterton. So ein Einblick in die unterste Schublade der Wissenschaft ist selten. Aber umso lehrreicher.

Draußen auf dem Campus sind die Studenten im Grunde nicht spannender, wenn auch etwas nerdiger als die an der LMU. Football, das neue iPhone, der Taco Tuesday, wer mit wem und wie oft auf dem letzten Backpacking-Trip durch Europe, das nächste iPhone – alles beliebte Themen auf dem Campus. Bemerkenswert war das Motivationslevel. Wollen wir uns den ganzen Tag zusammen im Büro verbarrikadieren, um das Übungsblatt zu lösen? Na klar.

 Abseits der Uni habe ich Menschen getroffen, die so herzlich gerne bereit waren, mir ihr San Francisco zu zeigen: Den schönsten Blick auf die Golden Gate Bridge, das beste Sushi, den verblüffendsten Wald mitten in der Stadt oder die verrückteste Schwulenbar – all das hätte ich alleine wohl gar nicht entdeckt.

Doch neben 1000 Fotos haben sie mir auch eine neue Lebenseinstellung mit nach Hause gegeben. Denn der amerikanische Traum verträgt sich nicht mit dem in Deutschland so hoch gelobten geradlinigen Lebenslauf. Die kalifornische Unbekümmertheit will ich mir auf jeden Fall abgucken. Dazu die Fantasie des alten Freundes, der jedes Jahr eine halbe Million Weihnachtslichter in seinem Garten aufbaut. Und die Coolness des neuen Bekannten, der erst als Tontechniker, dann als Rollschuhverkäufer gearbeitet hat und jetzt Käseexperte ist.

Mittlerweile bin ich zurück in München und muss meine Tüten im Supermarkt wieder selbst packen. Aber ich weiß jetzt: Es läuft vielleicht nicht immer alles geradeaus im Leben, sondern – zum Glück – manchmal auch wie die Lombard Street in San Francisco. Unheimlich kurvig, dafür mit den schönsten Blumen am Wegrand.

Text: Katharina Hartinger

Foto: Privat

Begleitbären in San Francisco

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. In Kalifornien sorgen Begleitbären für einen gefahrlosen Heimweg von der Universität. Doch auch sonst wird an der amerikanischen Westküste viel Wert auf Sicherheit gelegt.

Der Polizist fängt an zu brüllen. Im Hörsaal links hinter dem Dinosaurierskelett zucken 300 Studenten zusammen. „Seid gefälligst unerschütterlich!“ Das ist die Botschaft der universitätseigenen Polizeidienststelle an die internationalen Gaststudenten. Außerdem sollen wir bitte unbedingt anrufen, wenn wir uns unsicher fühlen. Nachts besser in Gruppen unterwegs sein.

Oder gleich mit einem Begleitbären. Ein Bär ist das Maskottchen der UC Berkeley und ein Begleitbär ist ein speziell ausgebildeter Student, der dich auf Anfrage kostenlos auf dem Weg über den Campus oder bis zur U-Bahn begleitet. Von Anbruch der Dunkelheit bis weit in die Nacht hinein. Einige der Begleitbären sind sogar Single. Und die meisten sehen ziemlich gut aus, auch damit wirbt die Uni für ihr Angebot.

Viele Studenten sind nach der ersten Schrecksekunde eher unbeeindruckt. Ein paar lachen. Auch Wochen später redet mancher noch amüsiert von der Sorge der Uni um uns. Denn am Campus ist es sonnig, friedlich, spaßig, herrlich. Bis zu der Woche mit den acht E-Mails.

Achtmal bekommen wir in dieser Woche eine E-Mail mit dem Hinweis auf einen vorangegangenen bewaffneten Überfall in unmittelbarer Campus-Nähe. Im Kneipenviertel, an der Einkaufsstraße, an meiner Bushaltestelle. Und bewaffnet, das heißt hier nicht, dass einer sein Taschenmesser rausholt. Bewaffnet heißt, dass er eine geladene Schusswaffe auf dich richtet. In dieser Woche war ich erschüttert. Wenn wir mal ehrlich sind, ist die größte Sorge an einem typischen Münchner Unitag, dass das Fahrrad geklaut werden könnte.
 Aber man gewöhnt sich an alles – vor allem an einem Ort, an dem du beim Stadtspaziergang ein Rentiergeweih tragen kannst und das nicht weiter auffällt. An dem hinter einer Straßenecke auf einmal die von der Sonne angestrahlte Golden-Gate-Bridge neben der markanten Skyline von San Francisco auftaucht. Dieser Anblick entschädigt für vieles. Denn er gibt mir das benebelnde Gefühl, dass die Welt wunderschön ist. Egal was gerade sonst noch so los ist, oder wer zum Präsidenten gewählt wurde, alles wird gut.

Außer man geht 50 Meter zu weit die Straße runter. Das ist zwei – wohlgemerkt: kalifornischen – Freunden und mir auf dem Weg von einem Konzert zur U-Bahn passiert. Gerade waren da noch elegant ausgeleuchtete Hotels. Plötzlich ist es dunkel, links von uns ein verlassener Parkplatz. Heroinabhängige liegen quer über dem Gehsteig. Wir sind im Tenderloin gelandet. Dem Viertel, das jeder auf der Stadtkarte schwarz durchstreicht, wenn er Touristen den Weg erklärt. Daheim in München rät man vielleicht davon ab, nachts um 3 Uhr einen Spaziergang um den Hauptbahnhof zu machen.

Zurück nach San Francisco: Eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Also gehen wir tapfer an den Typen in den schwarzen Kapuzenpullis vorbei und stehen keine drei Minuten später im Stadtzentrum vor dem hell erleuchteten Einkaufszentrum und den putzigen Cable Cars. Unerschütterlich. Trotzdem, mit Begleitbär wäre das bestimmt anders gelaufen.

Text: Katharina Hartinger 

Foto: Privat

Fremdgänger: “Shpatsel Brats” in Kalifornien

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. Unter all den neuen Eindrücken aus der großen, weiten Welt ruht aber die Sehnsucht nach der Heimat. Katharina studiert an der University of California, Berkeley, und wundert sich über die eigenartige Essenskultur der Amerikaner. 

Manchmal träume ich von einem Stück Käse. Es ist groß. Ich kann dicke Scheiben davon abschneiden und sie in aller Ruhe essen. Dann wache ich auf und bin in Kalifornien, wo ein mittelgroßes Stück Brie ein deutlich sichtbares Emmentaler-Loch ins Budget einer studiengebührengeplagten Studentin reißt. Alles, was keine hauchdünne, in Plastik eingewickelte Sandwich-Scheibe ist, würde preislich gesehen sogar die Händler auf dem Viktualienmarkt vor Neid käsebleich werden lassen.

Zum Glück bringen spendable Gäste gerne eine Käseplatte zu Festen aller Art mit, in deren Nähe ich mich dann möglichst unauffällig und ausdauernd aufhalte. Das wichtigste kulinarische Fest im Jahr ist Thanksgiving: Die Thanksgiving-Parade – im Grunde eine stundenlange Abfolge von Werbespots, aber die sind zugegebenermaßen sehr unterhaltsam – läuft im Fernsehen, während man sich die ersten Knabbereien gönnt. Gleichzeitig brät der Truthahn im Ofen und damit ausnahmsweise nicht in der Mikrowelle. Die Füllung, die oft komplett außerhalb des Geflügels zubereitet wird, duftet schon nach warmem Brot und Preiselbeeren. Sobald alles fertig und das Football-Spiel vorbei ist, essen alle Anwesenden mehr, als sie je für möglich gehalten hätten. Ich hatte vor meinem ersten Thanksgiving in Kalifornien so viele Klischees im Kopf – interessanterweise sind sie alle wahr.

Lachen muss ich dagegen über die gängigen „Amerikaner essen nur Fastfood“-Klischees, die sich ja hartnäckig halten, drüben in Deutschland. Die Auswahl an wunderbar authentischen mexikanischen, chinesischen, japanischen, einfach internationalen Restaurants ist gigantisch – da kann München von träumen. Klar, im Mittleren Westen sieht das wieder anders aus, aber Kalifornien kommt mir ziemlich oft wie das Schlaraffenland vor.

Auch deutsches Essen ist mittlerweile sehr beliebt in der Bay Area. Von „Shpatsel Brats“ und anderen deutschen Spezialitäten schwärmen meine amerikanischen Freunde. Ein deutsches Restaurant braucht hier auch unbedingt einen extravaganten Namen. Der ist aber schnell gefunden: Man nehme einfach irgendein – wirklich: irgendein – deutsches Wort, das entfernt mit Essen zu tun hat. Da hätte ich fast ein bisschen Lust, auch so einen Hipster-Laden aufzumachen: „Forelle im Vollrausch“ würde er heißen. Und während man in München Birkenstämme oder unbequeme Metallhocker ins moderne Restaurant schmeißt, könnte ich hier vielleicht mit karierten Tischdecken und unpraktisch-überdimensionierten Geranienkästen auf den Tischen punkten.

 Aber eigentlich ist exotische internationale Cuisine für den örtlichen Hipster auch schon ziemlich ausgelutscht. Da muss langsam etwas Neues her. Die simpelste Art der Innovation? Einfach alles, was davor sowieso schon da war, wird kreuz und quer wild kombiniert. Philippinischer Adobo-Burrito? Immer her damit. Mexikanisches Sushi? Der Laden ist voll. Oder in drei Wochen pleite, aber die Leute haben wenigstens darüber geredet.

Text: Katharina Hartinger

Foto: Privat

Fremdgänger: Richtig wichtig nichtig

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Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der ein oder andere Kulturschock. Unter all den neuen Eindrücken aus der großen, weiten Welt ruht aber die Sehnsucht nach der Heimat. Unsere Autorin Katharina erzählt heute, warum sich der grantige Münchner auch einmal ein wenig Smalltalk aneignen sollte.

Der Smalltalk ist der Feind des Münchners. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls vor meiner Abreise nach Kalifornien bekommen: Mehrheitlich ließen sich meine Freunde darüber aus, wie sehr es sie nerven würde, ständig mit Fremden über Nichtigkeiten zu plaudern, wie es der Amerikaner an sich eben tut. Oder wie der Münchner denkt, dass es der Amerikaner tut.

Neulich war ich dann im Supermarkt hier in Berkeley. Ich hatte mich endlich zwischen länglichen oder runden, grünen oder gelben Zucchini sowie Auberginen in den Varianten dunkellila oder helllila mit weißen Tupfen entschieden und stand an der Kasse. Der Kassierer bemerkte meine „SF Giants“-Baseball-Kappe und fragte mich, ob ich das Spiel der Baseballer aus San Francisco am Abend zuvor gesehen hätte. Hatte ich nicht. Ich hatte auch insgesamt nicht mehr als zwanzig Minuten irgendeines Giants Spiels in dieser Saison gesehen. Aber das macht ja nichts. Er erzählte mir von der peinlichen Pleite, wir machten Witze über den Pitcher und uns gegenseitig Mut, dass das mit den Playoffs doch noch klappen könnte. Es ist so simpel wie wundervoll. Jemand sagt etwas Nettes zu dir. Du sagst etwas Nettes zurück. Der andere Mensch lächelt, du lächelst, der Tag ist ein kleines bisschen besser. Man kann das oberflächlich finden, schließlich geht es in den seltensten Fällen um mehr Substanzielles als die beachtliche Größe der Wassermelone im Einkaufswagen des anderen. Oder man freut sich einfach darüber.

Eine Sache der Einstellung und der Gewöhnung. Wahrscheinlich würden viele Münchner Studenten auch glatt über ihre eigenen Ugg Boots stolpern, wenn ihnen jemand in der Mensa im Vorbeigehen ein Kompliment zuruft. Der ist bestimmt komisch. Oder gar gefährlich? Einfach nur freundlich – das ist hier die gängige Interpretation.

Aber diese Umstellung ist nicht nur für grantige Münchner hart. Auch einer meiner philippinischen Freunde war am Anfang eher eingeschüchtert von so viel Gesprächsbereitschaft. Heute ist das kaum zu glauben – denn niemand schafft es so gut wie er, dank charmanter Gesprächsführung besonders viele Gratisproben auf dem Farmers’ Market zu bekommen. Das ist dann quasi das nächste Level.

Und was ist die Königsdisziplin im Smalltalk? Für mich zweifellos der Small-Schrei. Der ist immer dann nötig, wenn du dem Busfahrer beim Aussteigen durch den vollbesetzten Bus hindurch ein „Dankeschön! Schönen Tag noch!“ zubrüllen willst. Das gehört hier zur Busfahrt genauso dazu wie der Drogenabhängige auf der Rückbank. Noch habe ich ein paar Monate, um die Tonlage zu perfektionieren.

Text: Katharina Hartinger

Photo: Privat

Zeichen der Freundschaft: Telefonmarathon

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Unsere neue Kolumnenreihe “Zeichen der Freundschaft” geht in die zweite Runde. Diesmal mit einem Text von Kathi über süße Geckos, Palmwedel und die Pflichten einer guten Freundin.

Tina säuselt schon wieder in ihren Telefonhörer: „Der ist sooo putzig“. Ich hoffe spontan, dass sie sich einen Hundewelpen zugelegt hat. Oder einen Gecko, die Viecher fand sie schon immer cool. Hat sie aber nicht. Tina hat sich einen Sven zugelegt.

Also verbringe ich die nächste halbe Stunde damit zuzuhören. Und an passenden Stellen Dinge zu sagen wie „unglaublich“, „wie süß“ oder „wie unglaublich süß“. Schließlich möchte ich ganz sicher nicht diejenige sein, die Tina aus der Traumwelt holt, auch wenn Sven einen leicht, nun ja, grenzdebilen Eindruck macht. Aber jede Verliebte hat ein Recht auf eine gewisse Zeit im Luftschloss und Freundinnen haben ihr dann gefälligst mit Palmwedeln Luft zuzufächeln. Bis ihnen der Arm einschläft.
Mein Arm ist mittlerweile gut trainiert. Tina und ich am Telefon, unter drei Stunden geht da nichts. Mindestens zwei Stunden und zweiundvierzig Minuten davon reden und richten wir über Männer. Über Männer wie Sven.
Vorübergehend erfreue ich mich an der Vorstellung, Sven könnte tatsächlich ein blonder Chihuahua mit unglaublich viel Haargel sein. Und an der Hoffnung, Sven könnte in Wirklichkeit doch ein schlaues Kerlchen und in Tinas frischverliebter Darstellung einfach schlecht weggekommen sein. Glücklich macht er sie jedenfalls, das ist doch die Hauptsache, das ist mein neues Mantra.

Selbiges Mantra in Kombination mit einem „Ommm“ wiederhole ich innerlich auch, als Tinas Schlussplädoyer folgt: „Hach, der ist einfach zucker“. Ich schlucke meine Verachtung für die Adjektivierung von Süßstoff hinunter und gratuliere zu diesem tollen Gummibärchen-Hecht. Hoffentlich ist er auch in drei Wochen noch toll. Hoffentlich heiraten die beiden. In einem Schloss. Stoff für eine Rede gäbe es jetzt schon genug.

Als wir nach drei Stunden und siebenundzwanzig Minuten aufgelegt haben, erinnere ich mich an unser letztes Telefongespräch. Da war ich dran mit – nun ja – Säuseln: „Der ist ja sooo super!“, das war meine fundierte Kernaussage. Um Geckos ging es damals auch nicht.

Von: Kathi Hartinger

Foto: Yunus Hutterer

Von Freitag bis Freitag München mit Kathi

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Der Schnee fehlt, Weihnachten kommt trotzdem. Da kennt der Kalender keine Gnade. Zum Glück kann sich Kathi diese Woche nochmal mit großartigen Konzerten, wie Taiga Trece im Clap Club, oder Akere im Milla, ablenken, sich beim Vanillekipferl backen weihnachtlich einstimmen, bevor es dann an das Unvermeidbare geht: Geschenke einpacken!

Freunde, der Kalender ist schon eine praktische Erfindung: Ohne Kalender hätte ich wohl keine Ahnung, dass schon beinahe Weihnachten ist. Der fehlende Schnee, T-Shirt-Wetter (na ja, fast) und die Matschpfützen draußen machen es uns aber auch schwer. Da hilft nur eins: Plätzchen backen und so viel Jingle Bells hören, bis mir die Ohren klingen.

Wenn wir schon bei den Plätzchen sind: Davon werde ich natürlich an den Weihnachtstagen einige essen. Deshalb kann ein bisschen Sport sicher nicht schaden. Also auf in einen sportlichen Freitag, an dem ich von einem Konzert zum nächsten jogge: Da wäre zum einen die Münchner Hip-Hop-Hoffnung Taiga Trece, die endlich ihr Album veröffentlicht. Nicht gerade weihnachtlich das Ganze, aber dafür umso cooler. Von dort geht es direkt zur Album-Präsentation von Akere, die das Milla für eine Nacht übernommen haben. „Be prepared for deep music in deep space….“, heißt es in der Ankündigung. Inmitten von meinem geliebten seichten Weihnachtskitsch ist das eine willkommene Abwechslung. Und dann wären da natürlich noch die Young Chinese Dogs! Die geben am Freitag ein Zusatzkonzert im Feierwerk und das darf ich auch auf gar keinen Fall verpassen… Also jogge ich weiter, um mich beim letzten Konzert des heutigen Abends vorweihnachtlich verzaubern zu lassen.

Am Samstag backe ich dann erst einmal in Ruhe meine Vanillekipferl. Kurz bevor ich einer Überdosis Last Christmas erliege, entscheide ich mich spontan, noch einmal im Clap Club vorbeizuschauen. Schließlich enden die zehn verrückten Clap-Club-Tage an diesem Samstag. Zum Schluss gibt es unter anderem ein Live-Set von BAAL zu hören – es darf noch einmal geklatscht werden.

Sonntags lasse ich es ruhig angehen und verbringe den Nachmittag im Prinzregentenstadion. Genauer gesagt: Auf der Eisfläche! Für Eislauffans wie mich, gibt es momentan in München keinen schöneren Ort. Ein bisschen Schnee als Dekoration wäre allerdings auch hier gern gesehen…

In der Glockenbachwerkstatt bin ich am Montag anzutreffen: Der MajMusical Monday steht an und bringt diesmal Chaos mit sich: Chaos in Form eines Alleinunterhalters mit Loopstation statt Luftballontieren. Vor den geruh- und vorhersehbaren Weihnachtstagen kann das natürlich nicht schaden. Obwohl ich mich zugegebenermaßen über Luftballontiere freuen würde.

Am Dienstag bin ich tagsüber mit den Vorbereitungen für meinen großen Love-Actually-Vorweihnachts-Filmabend beschäftigt. Die Häppchen machen sich nicht von allein. Ein paar Freunde, ein paar mehr Häppchen und ein wundervoller Weihnachtsfilm – was will der Weihnachtsfan mehr?

Der 23.12., diesmal ein Mittwoch, ist auch dieses Jahr der schwerste Tag des Jahres: Denn zu Weihnachten gehören Geschenke. Und Geschenke müssen eingepackt werden. Leider bin ich darin so untalentiert; wie man es nur sein kann. Deshalb warte ich auch bis zum letztmöglichen Termin, um diese leidvolle Aufgabe hinter mich zu bringen. Oder hinter mich bringen zu lassen. Vielleicht übernimmt meine handarbeitsmäßig wesentlich begabtere kleine Schwester auch dieses Jahr wieder die festliche Umhüllung meiner Präsente. Aus Mitleid, versteht sich. Zu allem Überfluss bekommt meine Schwester allerdings auch ein Geschenk von mir – und das kann ich sie dann doch nicht selbst einpacken lassen. Na ja, so forme ich eben ein elegantes Knäuel aus Geschenkpapier – wird schon passen…

Und dann? Nur noch einmal Schlafen bis zum Heiligabend! Fröhliche Weihnachten.

Von Katharina Hartinger

Neuland

Grill-Saison schon vorbei? Die beiden Gründer von Grillido, Michael Ziegler und Manuel Stöffler lassen sich davon nicht aus dem Grill-Wurst-Erfindungskonzept bringen und haben nun einen “Gourmet-Hot-Dog” entwickelt.

Grill-Deutschland ist verwundert: Da kommen zwei Jungs aus München und packen allerlei bratwurstuntypische Zutaten in Bratwürste. Hühnchen und Spinat zum Beispiel. Oder Feta und Oliven. Mit diesen Würstchen haben die Grillido-Gründer gerade den Innovationspreis der deutschen Fleischwirtschaft gewonnen. Jetzt gehen Michael Ziegler und Manuel Stöffler, beide 27, noch einen Schritt weiter.
Sie bringen ihre Grillidos in ein neues – diesmal bratwursttypisches – Umfeld: in eine Semmel. So entsteht etwas, das Michael als „Gourmet-Hot-Dog“ bezeichnet. Eine Proto-Bratwurstsemmel hat das Grillido-Team jetzt bei einem Großkonzern getestet – mit Erfolg: „Die Schlange vor unserem Foodtruck war mega-lang“, erzählt Michael.
Die gesunde Semmel zum Fitness-Würstchen könnte bald das Team vom Münchner Leberkässemmel-Start-up Broitel liefern. Noch befindet sich die Grillido-Broitel-Kombination zum Aufbacken in der Ofen-Testphase. Einen prominenten Fan hat das Grillido-Hot-Dog allerdings schon auf der IFA in Berlin gefunden: „Jürgen Klopp hat da direkt mal fünf Grillidos verdrückt“, sagt Michael. Ob er wohl ein paar Würstchen nach Liverpool entführt hat? 

Katharina Hartinger

Foto: Kevin Kuhn, Grillido

Geträumt und Getanzt

Am Dienstag haben wir die Release-Party von Darcys neuer EP angekündigt. Wir waren für euch dort und haben Stimmungen eingefangen: träumender, tanzender, total begeisterter Carl-Orff-Saal ist das Resümee.

Darcy ist, wenn nach zwei Liedern alle nachdenken. Wenn nach drei Liedern alle träumen. Und nach vier Liedern alle nur noch tanzen. So auch am Freitagabend bei dem Release-Konzert für Darcys neue EP „Extended Play II“. Begleitet von seiner Band spielte er – mit der ihm eigenen Intensität – einen gelungenen Mix aus älteren und brandneuen Songs
Es passiert nicht oft, dass ein 20-jähriger Musiker Zuhörer aller Altersklassen für sich einnehmen kann. Und doch bestand das Publikum im Carl-Orff-Saal im Gasteig bei weitem nicht nur aus tanzenden Teenagern. Da das Konzert im Programm des DigitalAnalog-Festivals lief, waren auch Zuhörer anwesend, die wohl auch den jungen Bob Dylan schon live erlebt hatten, als dieser bestenfalls in Darcys Alter war. Am Ende des gefühlt zu kurzen Auftritts hatte der junge Singer/Songwriter nicht nur einen auf den ersten Blick recht spießigen Konzertsaal zum Tanzen gebracht, sondern auch den ein oder anderen neuen Fan gewonnen. Denn Darcy ist auch, wenn man noch stundenlang zuhören könnte.

Text: Katharina Hartinger, Mitarbeit: Philipp Kreiter

Fotos: Katharina Hartinger

Tanzende Trompeten

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Sebastian Kölbl begann in der Blaskapelle von Gars am Inn, mittlerweile hat er es mit seiner Reggae-Band bis ins Finale des Emergenza-Wettbewebs geschafft und nimmt nun ein Album auf.

Von Katharina Hartinger

Er steht nur in der zweiten Reihe und fällt doch sofort auf. Die anderen drei Trompeter tragen Kleidung in gedeckten Farben. Sebastian Kölbl, 19, trägt geblümte, knallblaue Bermuda-Shorts. Und noch etwas ist anders, als Schoko – so nennt er sich selbst – beim diesjährigen Kulturspektakel mit der Big Band des Gautinger Gymnasiums ein grandioses Konzert spielt: Dass ein 19-Jähriger in einer Schul-Big-Band mitmacht, klingt zunächst nicht erwähnenswert. Doch Sebastian hilft nur aus – er hat vor einem Jahr die Schule geschmissen. „Um so viel Musik wie möglich machen zu können“, sagt er.

Mehr Musik macht Sebastian gerade vor allem mit seiner Band „Schoko“, die er im März gegründet hat. Im Sommer stand die Gruppe schon beim internationalen Bandwettbewerb „Emergenza“ im Finale. Vor einer Fachjury und den Besuchern des Taubertalfestivals durften sie neben Bands aus Italien, Kanada und Korea auftreten. Ihren Musikstil beschreibt Sebastian als „gute Laune – auf Reggae-Basis“.

Auf dem Weg ins Finale der besten 20 internationalen Newcomer-Bands musste Sebastian mit seiner Band einige Vorentscheide überstehen. Mitten in der Gründungsphase und oft mit nur einer Probe vor der nächsten Runde konnten die sieben Musiker offenbar überzeugen. Mit nur zwei Proben vor dem Auftritt haben sie es im Finale auf den 13. Platz geschafft. „Trotz des undankbarsten Zeit-Slots und gefühlten 40 Grad hat die Band eine sehr lustige Show abgeliefert. Schoko hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Spielfreude“, findet Karl Nowak, Deutschlandchef des digitalen Musikvertriebs Spinnup und Juror beim Emergenza-Weltfinale. Was sieht die Band selbst als ihr Erfolgsgeheimnis? „Das sind einfach alles Hammer-Musiker“, sagt Sebastian über seine Bandkollegen. Er selbst sei ein ziemlich chaotischer Bandleader. Es klingt stolz, wenn er das sagt.

Chaotisch muss es auch zugegangen sein, als Sebastian nach der elften Klasse die Schule verließ. Die Verpflichtungen, die Berechenbarkeit, besonders das Fach „Berufs- und Studienorientierung“ mit den Fragebögen und Studienplänen. Sebastian sagt, er liebt die Freiheit. Und entschied sich gegen das Abitur, für die Musik. Seinem Vater erzählte er erst von seinem Entschluss, als er sich gerade abgemeldet hatte. Am gleichen Tag ist er ausgezogen. Durch einige Zufälle und einen zigarettenrauchenden Peruaner landete er dann bei Jamaram, der Münchner Reggae-Band schlechthin. Sichtlich beeindruckt haben ihn die drei Monate als Trompeter der Band. Er schwärmt von den „fetten Licht-Shows“ bei den Konzerten. Und von den Shows an sich, von der Interaktion der Musiker mit dem Publikum. Vom Tanzen auf der Bühne. Auf den ersten Auftritt mit Jamaram hat er sich vorbereitet, indem er Konzertmitschnitte angehört und mitgespielt hat. Dazu brauche es ein feines Gehör, und das habe er in der Blaskapelle gelernt, sagt Sebastian.

Ein Reggae-Musiker in der Blaskapelle? In Gars am Inn in der Nähe von München, wo er zur Schule ging, sei das eine Selbstverständlichkeit, erzählt er. Alle waren in der Blaskapelle oder wenigstens im Trachtenverein. Der Reiz der Blasmusik liegt für ihn in der Vielseitigkeit. „von Jazz bis – Disco spielst du da alles.“ Einen seiner jetzigen Bandkollegen hat er aus der Blaskapelle rekrutiert. Andere Musiker, mit denen er zusammenarbeitet, kennt er vom Landesjugendjazzorchester. Die klassische Ausbildung, dass er trotzdem mehr ist als ein Gute-Laune-Musiker, das bleibt hörbar: „Sie merken bestimmt, dass wir heute jemanden dabeihaben, der auch die allerhöchsten Töne trifft“, sagt Rupert Wierer, der Leiter der Gautinger Schul-Big-Band, beim Kulturspektakel über seinen Gast. Das Publikum ist begeistert, und nicht nur von Sebastian.
 Auf Swing am Vormittag folgt für den 19-Jährigen am Nachmittag dann Reggae mit seiner Band. Möglichst tanzbar soll die Musik sein und Sebastian legt auf der Bühne selbst kleinere und größere Tanzeinlagen hin – bis seine markanten Dreadlocks einzeln durch die Luft fliegen. Während des Konzerts reißt der Gitarren-Gurt. Er bekommt einen Bierkasten und steht mit einem Bein darauf, die Gitarre auf dem Knie. „Wie Captain Morgan“, sagt er und lacht sein Gute-Laune-Lachen.

Jetzt, wo die Veröffentlichung des ersten eigenen Albums bevorsteht, hat sich Schoko sogar einen Terminkalender besorgt. Schließlich spielt er auch noch in anderen Bands, reist quer durch Europa und schreibt Songs. Da kommt einiges an Terminen und Chaos zusammen. Wo er im Moment wohnt? Sebastian sagt, er sei „auf Reisen“. Konkreter wird er nicht. Trompete, Ukulele und Gitarre habe er immer dabei, sogar im Freibad. Und wie beschreibt einer, der immer drei Instrumente bei sich trägt, sein Verhältnis zur Musik? „Die Musik ist eine spirituelle Begleiterin, wie eine Ehefrau – nur ohne Ehe.“ Verpflichtungen sind eben nicht so seins.

Foto: privat