Tiefkühlpizza zum Frühstück

Bei Krause zu Hause: Die Anonymität der Großstadt ist für niemanden faszinierender als für Menschen, die in der Provinz aufgewachsen sind. Oder: Nur Menschen vom Land sind so naiv, sich davon Positives zu erwarten.

Mamas stecken mit der Föhn-Lobby unter einer Decke: Für beide sind nasse Haare das Übel schlechthin. Gemeinsam erhalten sie den Mythos, dass Erkältungsviren nicht etwa über die Atemwege oder Schleimhäute, sondern bei kaltem Wetter über nasse Haarspitzen in den Körper gelangen. Zum Glück sieht Mama nicht, dass ich mit nassen Haaren Semmeln holen gehe.

Dafür meckert die Bäckereiverkäuferin, ich solle nicht mit feuchten Haaren nach draußen. Davon bekomme ich – nein, keine Erkältung, sondern: Kopfschmerzen. Nicht sofort, aber so in zehn Jahren. Wie man über eine so lange Zeitspanne ausmachen kann, dass meine Kopfschmerzen gerade auf diesen Samstagmorgen zurückzuführen sind, ist mir schleierhaft. Ich lächle nett, während mir die Verkäuferin erläutert, warum junge Menschen nie auf gute Ratschläge hören. Und ich naives Ding vom Dorf habe einmal geglaubt, dass mich, sobald ich von daheim aus- und in die Stadt gezogen bin, niemand mehr belehrt, ich solle nicht mit nassen Haaren ins Freie gehen.

Wenigstens kann die Verkäuferin es nicht meiner Mutter stecken – das wäre auf dem Dorf längst passiert. Warum auch sonst sollte es uns Landkinder irgendwann in die Stadt getrieben haben, wenn nicht für die Freiheit, dienstags am Nachmittag in Badelatschen zum Supermarkt an der Ecke zu schlurfen, um Tiefkühlpizza und Red Bull zum Frühstück zu kaufen – und das völlig unbehelligt von der Föhn-Lobby! Die Anonymität der Großstadt ist für niemanden faszinierender als für Menschen, die in der Provinz aufgewachsen sind. Während ich auch nach jahrelanger Abwesenheit im Dorfladen meiner Heimat dazu aufgefordert werde, mir etwas aus den Süßigkeitengläsern auszusuchen – und das mit Mitte zwanzig! –, ignoriert der übellaunige Besitzer des Pizzaservices unter meiner Wohnung in Giesing meinen Stammkunden-Status rigoros. So rigoros, dass ich mir einreden kann, so oft husche ich doch gar nicht im Schlafanzug nach unten, um mir überteuerte Erdnussflips zu kaufen. Über nasse Haare schimpft er übrigens nie. Ein wenig einsam fühle ich mich ja da schon. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es nicht lange, bis man sich plötzlich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“. Weitere Kolumnen gibt es hier.

Suche Zimmer, keine Liebe

Nein, man ist kein schlechter Mensch, wenn man Leute, die man zum ersten Mal sieht, ihren Namen tanzen lässt. Ist doch deren Schuld – sie wollen schließlich das WG-Zimmer haben…

Selbstpräsentation ist alles. Das gilt für Vorstellungsgespräche. Das gilt für Flirtversuche und erste Dates. In München gilt dieser Slogan jedoch insbesondere für die Beschaffung von Wohnraum. Denn Singles und Jobs gibt es hier ja quasi im Überfluss – Zimmer, in die man diese Singles nach Feierabend auf einen Kaffee einladen könnte, sind jedoch rar.

Zu allem Überfluss ist es viel schwieriger, sich als idealer Mitbewohner zu präsentieren, als den perfekten Bewerber für Büro, Beziehung oder Bettgeschichte zu geben. Denn die Ansprüche an den Lover, Liebsten oder Lohnbuchhalter sind meist sehr viel klarer umrissen. Als Mitbewohner hingegen muss man oft recht widersprüchliche Eigenschaften vereinen: ein locker-cooler Typ sein, der sich strikt an den Putzplan hält, etwa. Oder eine partyfreudige Wochenendheimfahrerin, die eine Waschmaschine in die Wohnung mitbringt. Klar ist eigentlich nur eins: Dass man als Mitbewohner unkompliziert sein muss. Da steht man dann also in einer fremden Küche, lächelt nett und versucht möglichst unkompliziert zu wirken, um bald ein Fach in diesem Kühlschrank zu ergattern – aber auch nicht so unkompliziert, dass sich nach Abzug des zwanzigsten Interessenten überhaupt niemand mehr an einen erinnert. Eigentlich ziemlich hoffnungslos.

Viele Menschen, die Zimmer vergeben, haben deshalb schnell erkannt, dass Besichtigungen und WG-Castings kaum dazu taugen, den idealen Mitbewohner ausfindig zu machen und sie zu reinen Spaßveranstaltungen erklärt. Warum sonst sollte etwa Anne auf einer Besichtigung ein Selbstporträt anfertigen, wenn nicht, damit ihre potenziellen neuen Mitbewohner endlich all die Allmachtsfantasien ausleben konnten, für die sie bisher nie das passende Druckmittel hatten. Nach all den frustrierenden Stunden, die man als Münchner bereits auf Wohnungsbörsen und WG-Besichtigungen verbracht hat, ist eigentlich das Einzige, was zumindest im Nachhinein ein wenig Genugtuung verschafft, einmal im Leben selbst Horden verzweifelter Wohnungssuchender dazu anzustiften, Bier zur Besichtigung mitzubringen und sie dann ihren Namen tanzen zu lassen. Susanne Krause

Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es nicht lange, bis man sich plötzlich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“. Weitere Kolumnen gibt es im Internet unter der Adresse http://jungeleute.sueddeutsche.de/tagged/ Bei-Krause-zu-Hause

Mein München – Landwehrstraße

image

München ist für Gina Bolle ihre Heimat. Die Nähe zu den Bergen, die Verschiedenheit der einzelnen Stadtviertel und die Entfaltungsmöglichkeiten in der Stadt sind ihr wichtig. Mit ihrer Fotografie möchte die 23-Jährige die Realität auf ihre subjektive Art und Weise darstellen.

Wenn Gina Bolle, 23, aus dem Fenster ihrer Wohnung in der belebten Landwehrstraße schaut, sieht sie die Frauenkirche und zahlreiche Dachterrassen sehen. Ein Kontrast zu den vorbeirauschenden Autos auf der anderen Seite. Diese Unterschiede schätzt die Studentin für Fotografie an München. Die Vielfältigkeit der verschiedenen Stadtviertel, die Nähe zu den Alpen und die Entfaltungsmöglichkeit, die die Stadt bietet, macht München zu Ginas Heimat. Schon früh hat sie sich für Fotografie interessiert. Ihre Eltern haben ihre Kindheit auf Bild und Film festgehalten, da war sie neugierig und hat ihre eigenen Fotos gemacht.In der Schule hat sie ihr Kunstlehrer gefördert. „Fotografie bedeutet für mich, jeden noch so unscheinbaren Augenblick wertzuschätzen und festhalten. Ich will die Realität auf meine subjektive Art und Weise darstellen und auch verfremden.“ Damit will ich mich und die Betrachter meiner Bilder glücklich machen“, sagt Gina. Die besten Ideen für Motive kommen ihr, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Mehr unter: www.ginabolle.de

Stefanie Witterauf