Fremdgänger: Abschiede

Abschiede sind nie einfach. Vielleicht ganz besonders nicht dann, wenn man Menschen in kurzer Zeit sehr ins Herz geschlossen hat und die Aussicht auf ein Wiedersehen gering zu sein scheint. Unsere Autorin berichtet über das Ende ihres Auslangsjahres.

Hilflos halte ich Rebecca im Arm.
Ihre Schultern zucken und ich spüre ihre Tränen an meinem Hals. Umringt von
unseren Kommilitonen, während des letzten Kurs-Abendessens, ist Rebecca die
erste, die sich verabschiedet. Nicht nur für heute, sondern vielleicht für… immer.
Gestern haben wir unsere Master-Arbeiten abgegeben. Heute steht auf einmal
nichts mehr zwischen uns und der Freiheit. Uns und dem echten Leben. Uns und
dem Abschied.

Neun Monate waren meine 24
Kurskameraden der Mittelpunkt meines Lebens. Wir kommen aus 13 verschiedenen
Ländern und gehen zurück in mindestens genausoviele verschiedene Länder. Am
ersten Tag beäugten wir uns unsicher, ein wenig zurückhaltend. Zu viele Namen,
zu viele beeindruckende Geschichten. Yale, Princeton, Cambridge – ich brauchte
einige Zeit um diese Informationen zu verdauen und den richtigen Gesichtern
zuordnen zu können. Geschichte und Philosophie in München studiert zu haben,
klang da irgendwie nicht so spannend. Deshalb traute ich mich am Anfang kaum,
den Mund aufzumachen. Mit der Zeit merkte ich jedoch, dass meine Kommilitonen –
egal wie eindrucksvoll ihre Lebensläufe – die liebevollsten und witzigsten
Menschen sind, die ich jemals auf einmal kennengelernt habe.

Ich glaube, Auslandserfahrungen
werden als so wertvoll empfunden, weil von Anfang an klar ist, dass man sich
für einen bestimmten, genau abgesteckten Zeitraum ein Leben aufbaut, bevor man
es nach diesem Zeitraum wieder abbaut. Dieses Wissen macht jeden einzelnen
Moment wertvoll, denn immer ist da die Gewissheit, dass es das letzte Mal sein
könnte, dass man diese Straße entlanggeht, dieses Cafe betritt oder diesen
Menschen trifft. Deshalb werden Freundschaften schneller geknüpft und fühlen
sich dann schnell so innig an, dass der Gedanke, sich am Ende des Jahres
verabschieden zu müssen, kaum auszuhalten ist. Auch in München musste ich mich
nach meinem Abschluss von Freunden verabschieden. Jedoch gestaltete die
Aussicht, dass die meisten von ihnen irgendwie innerhalb Deutschlands bleiben
würden, dieses Ereignis weit weniger dramatisch. Keine Tränen, keine
minutenlangen Umarmungen. Oft reichte ein: bis-in-einem-Jahr-dann.

Wenn ich versuche, meinen
deutschen Freunden das Konzept eines einjährigen Masters zu erklären, ernte ich
große Augen. Zweimal acht Wochen Vorlesungen? Dreimal drei Stunden Prüfung?
Sieben Wochen für eine Masterarbeit? Und dann hat man einen Abschluss? Das
klingt nach akademischem Größenwahn. Ist es auch. Wiederholt hörte ich mich
sagen: „Weiß auch nicht, wer auf diese Idee gekommen ist. Macht eigentlich nicht
so viel Sinn.“

Natürlich ist es im Nachhinein
einfach, zu behaupten, es sei alles nicht so schlimm gewesen. Das Gedächtnis
schleift die schmerzvollen Kanten der Erfahrung ab. Noch weiß ich, dass
Studieren in Oxford hart war. Aber mittlerweile weiß ich auch, dass alles
irgendwie machbar war und darum ist es nun die „menschliche“ Seite, die den
größeren Schmerz verursacht. Und der wird nicht so schnell verfliegen wie die
Verzweiflung angesichts theoretischer Debatten und Wortlimits. Es sind die
Menschen, die fehlen werden. Der eigentliche „Größenwahn“ eines Auslandsjahres
liegt deshalb in der Tatsache, sich ein Jahr lang die Möglichkeit zu geben, ein
Leben aufzubauen, nur um es dann wieder abzubauen, ohne zu wissen, in wie viele
verschiedene Länder man wird reisen können, um Freundschaften aufrecht zu
erhalten. Aus diesem Grund fällt mir auch nichts ein, das ich sagen könnte, um
Rebecca zu trösten. Ich halte sie nur ganz fest. Sie und diesen Moment.

Text: Theresa Parstorfer

Foto: Privat

Zeichen der Freundschaft: Weinprobe an Silvester

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Während andere an Silvester feiern gehen, trifft sich unser Autor mit seinem Freund zu einer Weinprobe. Zumindest vorerst. Eine Geschichte darüber, was nach dem verflixten siebten Glas passiert.

Es
knallt. Zweimal und kurz hintereinander. Das Wohnzimmerfenster zittert sanft,
während von irgendwoher eine Katze schrill aufheult. „Die Deppen von Nachbarn mit
ihren Bomben warten halt ned bis Mitternacht“, schimpft Tobias mit Brille und Holzfällerhemd
aus der Küche, bringt rasch zwei Teller und sieht wieder nach dem Essen. Ich lasse
mich in das bestickte Kissen auf dem schwarzen Ledersofa
fallen. Es duftet verlockend nach Kurkuma, denn Tobias kocht indisch. Entspannt
richte ich die aus dem Keller meiner Eltern stibitzten Weinflaschen
nebeneinander auf dem Glastisch an. Ready for Weinprobe !

Alljährlich
ist die Weinprobe in Tobias´ Wohnung unsere rettende Insel gegen das tosende Silvestermeer
da draußen: „Das Jahr wird so toll“, hört man das Silvestermeer rauschen. „So
viel vorgenommen. So viel. Das wird gigantisch. So gigantisch. So viel. So
laut. So super.“ „So ein Unsinn“, hallt es von unserer Insel. An Silvester herrscht
aller Orten dieser naive Glaube an den großen Wendepunkt. Tobias und ich
glauben, dass das einzig ´Große´ nach Silvester der Kater am nächsten Tag ist. Wie
die guten Vorsätze ist der auch nach zwei Tagen vergessen. Deshalb ist unser
Silvesterritual, uns jedes Jahr bei guten Weinen zu treffen und mit diebischer Freude
über die Silvesteroptimisten zu lästern. Betrinken ? Ja bitte. Gute Vorsätze
und laute Silvesterparty ? Nein wirklich nicht. Nach einigen Gläsern Rotwein wird
uns alten Grundschulfreunden dann klar, dass es noch andere Dinge gibt, die supernervig
sind und so erweitern wir unseren Lästerhorizont:

Beim
vierten Glas Wein: „ Wieso heißt es in der Werbung ´Caffé solo con Giotto´?  In keinem Café krieg ich das. Ich will mein
Giotto zum Kaffee. A Sauerei is des.“ Ich stimme Tobias energisch zu.

Beim
fünften Glas: „Das Wetter wird auch immer besser.“  Ist das ein Grund zur Aufregung?  Schwierig. Ich stimme Tobias trotzdem noch
energischer zu.

Das
sechste Glas: Leise Melancholie schleicht sich ein. Wir hören die herzzerreißende
Band ´Life in Film´, die niemand mag (Kulturbanausen!), uns ausgenommen. Zum
Glück gibt es unsere Silvesterinsel: Da läuft nur gute Musik.

Das
verflixte siebte Glas: Liebe kann lästig sein, auch an Silvester. Tobias schlägt
vor doch noch, auf eine Party zu gehen, selbst wenn er keine Lust hat. Er weiß
aber, dass dort meine verflossene Liebe feiert. „Das klappt doch niemals“,  wiegle ich ab. „Wenn ned, is eh wurscht. Lieber
nimmst du einen zweiten Korb zu dem einen, den du schon hast. Dann kannst du wenigstens
sterbenssicher sein, dass sie dich scheiße findet“, beteuert Tobias. Nach viel
Rotwein leuchtet mir immer alles ein, also stürzen wir uns ins Silvestermeer. Auf
der Party torkle ich um 1:30 Uhr zum möglichen Glück. Dann reißt mein Film ab.

Am
Neujahrsmorgen schrecke ich von Tobias´ Sofa auf. Eine schwarze Katze putzt neben
meinem Kopf ihr Fell. Wie bitte ? Tobias stolpert herein: „Wie ist die Katze hier
rein gekommen?“ Wir witzeln über ´Supercat´, die durch Wände geht und nach
Milchvorräten sucht. ´Supercat´ bekommt von uns ein Milchfrühstück, das sie
hastig verputzt. Anschließend tapst sie hinaus in die Kälte. Die ersten Neujahrsstrahlen
glänzen auf ihrem Fell.

„Schee wars“, bricht Tobias das Schweigen „Bis
dann Maxi.“

Als
ich die vom Müll geteerte Straße nach Hause gehe, knallt es wieder bei den Nachbarn.
Die Bomben müssen fallen –das ganze Jahr- und ´laut´ muss die Welt sein, denn ´leise´,
das ertragen sie nicht. Die Freundschaft mit Tobias trägt die stille Zweisamkeit
gegen das Laute da draußen. Besonders an Silvester wird mir das bewusst.

Text: Maximilian Weigl

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Rote Couch

Möbel und Dekoration werden für gewöhnlich erst interessant, wenn ein Umzug ansteht. Unsere Autorin erzählt, warum sie eine gewisse rote Couch mit Keksen an Neujahr und einer schon lange andauernden Freundschaft verbindet.

„Komm rein!“, begrüßt mich Regina herzlich, aber ein wenig
verschlafen. Meine blonde Freundin steht im Türrahmen. Eine Perle ist in ihr
dickes Haar eingeflochten, sie trägt Goahose und Pyjamaoberteil. „Tee, Wein,
Radler?“ Ich runzle die Stirn. „Hm, ich glaube mir reicht ein Wasser“, antworte
ich. „Gut, du weißt ja wo alles ist! Ach, und nimm mir doch bitte`ne
Apfel-Kirsch-Schorle mit.“ Grinsend laufe ich in die Vorratskammer. Eigentlich
habe ich mich schon lange an diese besondere Art der Gastfreundschaft gewöhnt
und doch machen mich Reginas Aussagen jedes Mal wieder ein wenig stutzig. Einen
Augenblick später kehre ich mit zwei Flaschen in der Hand zurück ins
Wohnzimmer. Oder Fernsehzimmer? Gästezimmer? Oder so wie ich diesen
Allzweckraum gerne nenne: Das Zimmer mit der roten Couch und genau auf dieser
nehme ich nun Platz.

Hätte diese rote Couch Ohren und einen Mund, dann könnte sie
viele Geschichten erzählen. Auf ihren Polstern wurden schon allerlei Themen
besprochen. Unwichtiges und Weltbewegendes. Von den Schwärmereien einer 13-Jährigen,
bis hin zu den Sorgen einer werdenden Studentin. Diskussionen, Streitereien,
tröstendes in die Arme fallen, Lachanfälle von der
Man-Bekommt-Bauchmuskelkater-Sorte und ruhige Abende. Auf dieser Couch haben wir
am Neujahresmorgen glücklich und betrunken Kekse gemampft und „Harry Potter“
geschaut, nachdem wir von einer Party nach Hause kamen. Auf dieser Couch wurde
eine Menge Wein und Tee konsumiert. Auf dieser Couch wurden Geschichten erzählt
– so auch heute.

Ich nehme Platz neben Regina auf den knallroten Polstern und
beginne von meinen Sorgen zu erzählen, die mir mein Umzug bereitet. Regina
berichtet von Schwierigkeiten im Arbeitsalltag. Und für Liebesfragen wird man
auch nie zu alt, auch diese werden diskutiert. Manchmal führen wir uns auf wie
kleine Hobbypsychologinnen und meinen, alles und jeden durchschauen zu können.
Das geht so lange gut,  bis eine von uns bitter
auf die Schnauze fällt. Dann wird klar: Wir hatten doch keine Ahnung. Und ab
und zu sind wir dann nicht gleicher Meinung. Weil wir aber beide gerne Recht
behalten, drehen und schrauben wir hier und da an unseren Argumenten, sodass
wir dennoch auf einen grünen Zweig kommen.  Sei es, wenn sich eine Diskussion um die
Medienlandschaft in Deutschland oder das politische System dreht . Dann klopfen
wir uns gegenseitig auf die Schultern. Naive Möchtegernallwissenheit.

Und so geht das nun seit Jahren schon. Regina und ich sind
beide von Zuhause ausgezogen und die rote Couch steht noch immer im Haus ihrer
Eltern. Aber manchmal, wenn wir beide einen höflichen Familienbesuch am
Wochenende machen und wir wieder zurück in unserem Heimatdorf sind, dann
treffen wir uns gerne wieder auf dieser roten Couch. Reden, diskutieren und
bilden uns ein, die Welt zu verstehen.

Text: Anastasia Trenkler

Foto:
Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Ferne Freunde

Unsere Autorin erinnert sich diese Woche an die Zeit mit ihrer ehemals beste Freundin. Die Betonung liegt ein wenig auf dem Wort ehemals. Denn manchmal werden auch die früheren besten Freunde im Laufe der Jahre nur noch zu Bekannten.

„Wir waren mal beste Freundinnen“ – mit diesem Satz eine
Geschichte über Freundschaft zu beginnen, ist wohl nicht das beste Zeichen. Und
dennoch ist es ein Zeichen der Freundschaft. Der Freundschaft zwischen Lara und
mir. Meiner ehemals besten Freundin und immer noch Freundin.

Wir kennen uns schon seit der 6.Klasse, da waren wir aber
noch in verschiedenen Cliquen und kamen nicht wirklich viel in Kontakt. So
richtige Freundinnen wurden wir dann in der 10. Klasse und da wurde es gleich
eine sehr enge Freundschaft. Wir hatten fast nur noch gemeinsame Freunde,
telefonierten jeden Abend etwa zwei Stunden – obwohl wir uns manchmal den
ganzen Tag schon in der Schule gesehen hatten – und scherzten
irgendwann nur noch über Insider-Witze. Ständig steckten wir zusammen, halfen
uns gegenseitig mit der Schule, Lara war gut in Chemie, ich in Mathe. Wir
machten gemeinsam Abitur und schworen uns auf dem Abschlussball die ewige
Freundschaft. Natürlich war auch damals nicht immer alles „Friede, Freude,
Eierkuchen“ aber wir waren einfach auf einer Wellenlänge. Nach dem Abitur
reisten wir noch gemeinsam nach Bali und hatten eine super Zeit mit Partys am
Strand, Entdeckungstouren durch Tempel und Affen auf der Schulter.

Doch irgendwann, ich weiß gar nicht mehr genau wann, entwickelten
sich nicht nur unsere Vorstellungen vom Leben, sondern auch unsere Charaktere auseinander. Ich zog erst für einige Monate nach Spanien und dann
nach München, Lara blieb bei ihren Eltern in einem Vorort wohnen, wechselte den
Studiengang und hatte immer noch ihren Freund in unserem Heimatdorf. Ich lernte
viele neue Leute kennen, Lara blieb eher bei unseren Kumpels von zuhause.

Es ist wohl einfach ganz normal, dass sich Kinder- und
Jugendfreundschaften auseinander entwickeln. In der Schule hat jeder die
gleichen – oder zumindest ähnlichen – Probleme, Träume und Lebensweisen.

Und das ist keine Geschichte über eine ehemalige
Freundschaft: Lara und ich sind immer noch Freundinnen und werden es wohl auch
immer bleiben. Uns verbindet so viel, so viele Erinnerungen und Geheimnisse.
Immer wenn ich ein Lied höre, zu dem wir damals getanzt und mitgesungen haben, dann
schicke ich es sofort an Lara: „Hey weißt du noch als wir in London waren und
dieser komische Typ uns geholfen hat in den Club reinzukommen? Da war das doch
das erste Lied, das drinnen lief.“ Und sie antwortet: „Haha ja klar erinnere
ich mich. Das war so ein guter Abend.“ Dann bringen wir uns auf den neusten
Stand und schwören uns, dass wir bald mal wieder was unternehmen. Meistens gerät
das dann wieder in Vergessenheit, aber das ist schon okay so. Wir haben eben irgendwie beide unser eigenes Leben ohne allzu viele Schnittstellen. Aber zu
jedem Geburtstag laden wir uns ein und auch mit unseren alten Freunden
unternehmen wir bei Gelegenheit was. Und wer weiß, vielleicht sage ich ja irgendwann
wieder „meine beste Freundin Lara“.

Text: Antonia Franz

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Im Shopping-Wahn

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Lippenstift in Lachsfarben und Nagellack in der Frühlingsfarbe Weiß: Eine gute Freundin unserer Autorin hat sich längst auch zu ihrer ganz persönlichen Shopping-Beraterin entwickelt.

Ich lackiere noch meinen letzten Fingernagel zu Ende. Ein
Seitenblick auf die Uhr verrät mir, dass ich wieder einmal unpünktlich bin.
Caro wird es mir wie jedes Mal nachsehen, dass ich zu unserer Verabredung zu
spät komme. Sie ist meine liebste Shoppingbegleitung, und es ist wieder einmal
Zeit für unser gemeinsames Ritual: Mittagessen beim Chinesen mit anschließendem
Auskundschaften der neuesten Lippenstift- und Nagellacktrends für den Frühling. 

Mit Caro ist es geradezu unmöglich aus einem Laden mit leeren Händen wieder
rauszugehen. Caro fühlt sich in Kosmetikläden so, wie ein Affe in der freien
Wildbahn – sie ist ganz in ihrem Metier und avanciert unweigerlich zur
Verkäuferin: „Barbara, weißer Nagellack ist DIE Trendfarbe, ich weiß es und du
weißt es jetzt auch.“ Ich bin ihr dankbar für diese Information und greife
instinktiv zu einem weißen Nagellack. Meine shoppingsüchtige Freundin führt mir
immer wieder vor Augen, was in meiner Kosmetikabteilung alles noch fehlt – und
bemerkt dabei, was bei ihr selbst noch alles auf der ‚to-buy-Liste‘ steht: „Ich
will einen neuen Lippenstift, aber ich weiß nicht welche Farbe, ich brauche sie
alle!“ Mit weitgeöffneten Augen und zittrigen Händen greift sie nach einem
lachsfarbenen Lippenstift, von dem ich ihr dann aber abrate. Nach langem Durchprobieren
landen wir bei einem frechen Pinkton, den wir uns ehrfürchtig auf den
Handrücken tupfen. Mein anfängliches Zögern, ob ich auch einen Lippenstift
kaufen sollte, entkräftet Caro mit bestimmten Tonfall: „Barbara, einen Lippenstift
brauchst du unbedingt!“ Und ich finde, sie hat Recht: Dieses bunte Utensil macht
das Leben einfach farbenfroher. 

Mit wohliger Gänsehaut schreiten wir an die
Kasse – mit zwei Nagellacken – darunter die Frühlingsfarbe Weiß – drei
verschiedenen Lipplinern, einem Trockenshampoo, Haarpuder (laut Caro ein Must-have
für jedes Badezimmer) und Lippenstift in frechem Pinkton bewaffnet. Eine Stunde
Shoppen mit Caro ist wie ein einwöchiger Wellnessurlaub in Südtirol: Erfrischend
und wohltuend. Es macht mir Freude ihren malerischen Beschreibungen von
Kosmetikprodukten zu lauschen, und sie genießt es, wenn ich ihren Anweisungen Folge leiste: „Siehst du, wie butterweich sich dieser Kajal auftragen lässt?“

Dieses Produkt stehe laut ihrer Aussage überhaupt
nicht in Relation zu diesen fiesen, spitzen Billig-Eyelinern, die einem beim Auftragen
fast die Haut zerfetzen würden.

Ihre
Worte sind unbezahlbares Wissen, welches man nur mit den engsten Freundinnen teilt.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass man unter einem Lippenstift heutzutage
einen Lip Primer aufträgt, um unschöne Rillen zu verdecken. Genauso wenig
wusste ich, dass man gerötete Stellen im Gesicht mit grüner Concealerfarbe
wieder neutralisieren kann. Aber ich bin froh, dass Caro mir das alles erklärt. 

Einmal in den Semesterferien führen wir unser Shopping-Ritual fort und werden
dabei kontinuierlich übermütiger, was schlecht für meinen Geldbeutel ist. Einen
neuen Geldbeutel könnte ich übrigens auch gebrauchen. Caro hat mir bereits
einige Links geschickt – natürlich nur in den neuesten Frühlingsfarben.

Text: Barbara Forster

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Vanilleeis und Frühlingsrollen

Ein hoch auf das Jungsein: Am liebsten nutzt unsere Autorin die Sonntagabende, um sich mit ihrer Freundin über die vergangene Partynacht auszulassen. Ganz un-ladylike und ohne schlechtes Gewissen.

Gähnend stehe ich hinter der Theke der kleinen Bäckerei. Es ist noch viel zu früh, kurz nach sieben Uhr morgens. Und um all das noch auf die Spitze zu treiben: es ist Sonntag. Wie jedes Wochenende arbeite ich hier als Aushilfe und versuche trotz Schlafmangel und durchgefeierten Samstagnächten ein paar Euro dazu zu verdienen. Bis jetzt waren erst drei Kunden im Laden. Meine Chefin ist gerade nach draußen gegangen, um eine Zigarettenpause zu machen. Müde und noch fast im Halbschlaf ziehe ich mein Handy aus der Schürzentasche. Ich stutze und muss gleichzeitig grinsen. Drei Sprachmemos von Sophia. Das kann ich mir erst nach Feierabend anhören und doch muss ich bereits jetzt den Kopf schütteln, denn ich habe so eine gewisse Vorahnung, was den Inhalt der Audiodateien betrifft.

Einige Stunden später, halb ein Uhr mittags.

Feierabend. Meine Vermutungen in Bezug auf die Sprachmemos haben sich bewahrheitet. Ich halte mein Handy gespannt ans linke Ohr während ich zum Parkplatz laufe.

Sophia

hebt sofort ab und ein lautes „Giiirl!“ ertönt am anderen Ende der Leitung. Erneut muss ich grinsen. Dieses Mal wegen der ironisch-liebevoll gemeinten Begrüßung. Meine Fingerspitzen kitzeln schon ein wenig vor Aufregung und Neugierde. Es ist Sonntagmittag und natürlich ist mir klar, dass meine Freundin mal wieder eine gute Geschichte von der letzten Partynacht zu erzählen hat. Lachend begrüße ich sie und mit verkatertem Oberbayrisch beginnt Sophia von der chaotischen Heimfahrt, wunderschönen blauen Augen und unfreundlichen Türstehern zu erzählen.

Das ist kein Einzelfall, keine Seltenheit, das ist beinahe schon gewohnte Wochenendroutine.

Sophia

und mich verbindet eine Vorliebe für’s lange-wach-bleiben, für’s spät-Heimkommen und für’s Geschichten-Erzählen am nächsten Morgen, wenn die Erinnerungen mit dem Tageslicht wieder ein wenig heller werden. Mit Vergnügen wird am Sonntag zusammen getratscht, gegähnt, gelacht und die Köpfe geschüttelt. So ein typischer Frauentratsch bei Kaffee, Kuchen und rot geschminkten Lippen. Nur das es bei uns etwas anders aussieht: Wir sitzen im Bett, mit zerzaustem Haar und essen Vanilleeis und Frühlingsrollen. Ganz ladylike. Oder auch nicht. Aber das ist egal, solange man gut reden kann. Für den letzten Tag der Woche vergessen wir gerne den gemeinsamen Schulstress und ich pfeif’ da auch auf’s schlechte Gewissen wegen dem Vanilleeis. Und den Frühlingsrollen. Sonntags geht’s bei uns um’s Jungsein. Darum, aus kleinen Geschichten ganze Buchbände zu basteln. Und darum, Screenshots zu verschicken und Audiodateien anzuhören. Mädchenkram, der irgendwie sein muss. Der dazu gehört.

Also sitzen wir gemeinsam zwischen den vielen Kissen und mit zwei Schalen Eis in Sophias Bett und erzählen. Dieses Mal bin ich diejenige, die mit weit geöffneten Augen angestarrt wird. Aussagen benötigen in diesen Momenten Erläuterung und man beginnt ins Detail zu gehen, weil man sich vor Freunden bekanntlich nicht zu schämen braucht. Keine Kleinigkeit wird weggelassen. Darum erzähle ich weiter während ich meine verstrubbelten Haare zum Dutt binde und Sophia mir einen Maskarafleck von der Wange wischt. Vielleicht braucht man das, brauchen wir das einfach. Weil es nicht immer nur um Abistress und Zukunftspläne geht. Am Montagmorgen werden wir eh wieder gemeinsam im Sozialkunde- oder Deutschunterricht sitzen müssen. Der Sonntagstratsch und verwirrende Audiodateien sind für uns ein Teil vom Jungsein. An Wochenenden dürfen auch mal Geschichten geschrieben werden, die nichts zu tun haben mit Gedankenganganalyse oder Stilmitteln. 

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Kurzweilige Dramen

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Unsere Autorin pflegt einen sehr energischen Umgang mit ihrer Kameradin: Sie ist der Meinung, eine Freundschaft, in der gerne die Fetzen fliegen ist eine echte Freundschaft.

Irgendwo in Vietnam laufen wir einen Berg hoch, es hat etwa
35 Grad und es liegen noch einige Stunden Wanderung vor uns. Julia und ich
können sonst eigentlich beide nie unsere Klappe halten, aber gerade ist es
verdächtig ruhig. Wir schmollen und werfen uns Blicke zu, als würden wir gerade
jeweils überlegen, ob wir schon zu alt dafür sind, uns an den Haaren zu ziehen.
Ich halte es irgendwann nicht mehr aus und frage sie etwas angespannt, was los
sei. Julia antwortet nur: „alles gut.“ Aber „Alles gut“ wirkt gar nicht gut
in diesem Fall. Ich frage weiter, bis es dann eskaliert. Wir stehen nun am Fuße
dieses Berges namens Lang Biang und schreien uns für zehn Minuten an. Um uns
herum nur ein paar verwirrte Vietnamesen auf Sonntagsausflug und ein paar
Pferde, die auf der Suche nach einem verdorrten Grashalm sind. Irgendwann
fangen wir beide an zu lachen, es ist einfach so absurd. Wir umarmen uns und
laufen zusammen den Berg weiter hoch. Da wussten wir noch nicht, dass noch vier
Stunden bergauf und eine Begegnung mit einer Schlange vor uns liegen – was im
Nachhinein wahrscheinlich gut war, sonst wären wir niemals weiter
gewandert.

Ich kenne Julia jetzt seit drei Jahren. Es war keine
Freundschaft auf den ersten Blick, aber dafür auf den zweiten. Wir unternehmen
viel, schreiben uns fast jeden Tag und manchmal eskaliert es dann eben. Ich
weiß gar nicht mehr, wann wir uns das erste Mal so richtig in die Haare gekriegt
haben. Und ich weiß auch die Gründe unserer Auseinandersetzungen manchmal zwei
Tage später schon nicht mehr.

Als wir zusammen für einen Monat nach Vietnam geflogen sind,
haben unsere Freunde Wetten abgeschlossen, wann wir uns wohl zerstreiten
werden. Und ein kleines bisschen Recht hatten sie ja – man siehe den Vorfall auf
dem Berg. Aber trotz unserer Streitigkeiten haben wir immer eine unfassbar gute Zeit
zusammen. Und können uns wunderbar nach der ein oder anderen
Diskussion über die unwichtigsten Sachen der Welt
wieder versöhnen. Manchmal, wenn wir uns
zanken, klären wir es auch nicht sofort. Spätestens, wenn dann wieder etwas
Spannendes im Leben passiert und man das unbedingt der anderen erzählen muss,
überwinden wir dann aber unseren Stolz – davon haben wir wohl beide viel – und
rufen die Andere an. 

Und genau das macht unsere Freundschaft aus: dass wir uns
streiten können. Ich wünsche jedem eine so gute Verbündete wie Julia. Was wäre
das Leben schließlich ohne Drama und ehrliche Freundschaft.

Text: Antonia Franz

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Pyjamaparty

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Dall, Martina – ein fiktionaler Name, der zusammen ausgesprochen auch noch Sinn ergibt. Das ist die Leidenschaft von zwei Freundinnen, die auch um 3 Uhr nachts noch Namen erfinden.

Das Licht ist aus. Leises Gemurmel ist zu
hören, aber im Grunde wollten sie alle einschlafen. Es ist bereits
drei Uhr morgens. Da liegen wir wieder. Genau wie früher, denke ich. Alle in
unsere dicken Schlafsäcke eingemummelt, säuberlich aneinander gereiht. Wie
Sardinen in einer Dose. Naja, nicht ganz. Die andere Hälfte unseres riesigen
Mädelhaufens liegt im Zimmer nebenan. Sonst wäre es zu eng geworden. Kathrin
liegt im anderen Zimmer. Was sie da drüben jetzt wohl macht? Blöd, dass die
anderen schon genervt sind und uns deswegen in verschiedene Zimmer gesteckt
haben. Sonst hätte sie jetzt neben mir schlafen können. Und wir hätten weiter
über Namen diskutiert.

Kathrin und ich. Wir kennen uns schon ewig. In meiner Vorstellung
existiert sie ebenfalls schon ewig. Ich weiß nämlich gar nicht, wie alt ich
war, als wir uns das erste Mal gesehen haben. Mit ihr habe ich immer den
größten Blödsinn gemacht. Früher haben wir uns zum Beispiel fiktionale Namen
ausgedacht, die zusammen mit den Nachnamen einen lustigen Sinn ergeben: Rosa – Schlüpfer,
Frank – Reich, Axel – Schweiß und so weiter. Die Liste ist endlos.

Vor etwa zwei Stunden ist uns dieser Unsinn wieder
eingefallen. „Weißt du noch, wie wir früher immer…“. So fing das an… und hat
bis jetzt noch nicht aufgehört. „Meine Mama kennt wirklich einen Bernhard
Diner“, sagt Kathrin. „Nein echt?“ entgegne ich fasziniert und wir führen
unsere Namensliste umgehend weiter. Als lägen keine langen Jahre dazwischen. Wir
verlangen nach Stift und Papier. „Dall – Martina können wir auch gleich auf die
Liste schreiben“, sage ich. Es fühlt sich so an, als wären wir wieder 10 Jahre
alt. Allerdings müssen wir unser Namensgefecht aus Rücksicht auf die anderen irgendwann
unterbrechen. Wir merken: Noch ein fiktionaler Name und sie würden vor
Genervtheit explodieren.

Mittlerweile ist es 3:15 Uhr und ich denke noch lange nicht ans Schlafen. Ich bin ganz in
Gedanken versunken, als plötzlich die Tür aufgerissen wird: „Barbara, bist du
noch wach? Ich weiß wieder einen“, flüstert Kathrin triumphierend durch den
geöffneten Türspalt. „Eric – Tion“ flüstert sie schnell, ehe sie wieder im Dunkeln
verschwindet. Ich muss laut losprusten, was von den anderen mit genervtem
Stöhnen quittiert wird. Auf sowas wie Eric – Tion wären wir früher
niemals gekommen.

Von: Barbara Forster

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Die Alten

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Jeder Ton, den sie gemeinsam singen, verbindet sie ein Stück mehr. Und wenn die andere beim Singen einmal nicht da ist, fühlt es sich an, als wäre der Ton nicht richtig. Ein neuer Beitrag aus der Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Sie boxt mich in die Seite. Ich muss lachen. Habe ich doch
glatt die Alt-Stimme nach unten oktaviert, das fällt mir allerdings erst bei
dem freundlichen Seitenhieb ein, den mir Marie gibt. Auch sie muss ein Lachen
unterdrücken.

Seit der Schulzeit singen wir zusammen im Chor:
Unterstufenchor, Mittelstufenchor, Kammerchor und auch jetzt an der Uni stehen
wir zusammen in der Alt-Stimme, bei den „Alten“ wie unser Chorleiter immer zu
sagen pflegt. Auch darüber mussten wir wegen der Mehrdeutigkeit schon des
Öfteren schmunzeln. Wir sind die einzigen, die in diesem Chor nicht Musik
studieren. Aber wir haben mindestens genauso viel Liebe zur Musik und zum
Singen. Fehlt sie, habe ich immer das Gefühl, es fehlt etwas. Nicht weil ich
alleine nicht singen kann oder gar immer eine Oktave zu tief bin, aber irgendwie
ist es etwas anderes. Einer von uns hat immer den Ton und so haben wir uns
bisher durch jedes Barock- oder Jazzstück, durch jede klassische und moderne
Musik und sogar durch Opern gesungen.

In der fünften Klasse haben wir uns kennengelernt. Zugegeben
gleich zu Beginn hatten wir noch verschiedene Freundeskreise. Doch es hat nicht
lange gedauert und wir hatten mit unserer Mädels-Clique immer das begehrte
Sechserzimmer im Schullandheim. Später haben wir zusammen Abitur gemacht,
fuhren auf Abi-Fahrt, auf Ski-Hütten, waren auf Musik-Festivals, auf Konzerten,
Tanzen, haben zusammen gelacht und geweint.

Ich kenne kaum jemanden, der so unumstößlich positiv und
entspannt ist. Entspannt heißt aber nicht faul. Sie kämpft für das, was sie
erreichen will und ist ehrgeizig. Sie hat immer ein Lächeln auf den Lippen, und
liebt es zu singen und zu tanzen. Und das kann sie: Wenn sie tanzt, macht es
einfach Spaß zuzusehen. Einfach, weil sie ein Talent dafür hat und man ihr die
Freude daran ansieht. Und es gibt niemanden, mit dem ich so gerne tanze – zu
Musik natürlich. Und das ist es, was uns verbindet: die Musik, egal ob getanzt
oder gesungen. Und dann ist da natürlich das gemeinsame Singen: Seit der
fünften Klasse stehen wir, mit kleineren Unterbrechungen, immer nebeneinander in der Alt-Stimme. Habe ich den Ton nicht,
findet sie ihn und findet sie die richtige Note mal nicht, singe ich ihn ihr
von der Seite ins Ohr. Wie im Chor ergänzen wir uns auch in unserer Freundschaft
immer. Auch deshalb fühlt es sich so seltsam halb an, alleine im Chor zu
stehen. Als wüsste man, welche Note man singen muss. Aber den richtigen Klang
bekommt sie eben nur, wenn wir zusammen sind.

Von: Stephanie Albinger

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Vanilleshakes

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Kurz vor der Mathe-Ausfrage in der 9. Klasse lernten sie sich kennen. Seit sie in verschiedenen Städten studieren, treffen sich Korbi und Theresa ein Mal im Jahr, um gemeinsam Vanilleshakes zu schlürfen. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Hässlich ist eigentlich das falsche Wort. Geschmacklos auch. Vielleicht eine Kombination aus den beiden, denke ich, während ich das Auto parke und mich elegant durch den 10 cm breiten Spalt fädle, den es der neben mir parkende Wagen erlaubt, meine Fahrertür zu öffnen. Geschmässlich, vielleicht. Das trifft sowohl auf das Dorf, in dem ich mich gerade befinde, als auch auf das Etablissement zu, das ich gerade im Begriff bin zu betreten, um eine der treusten und vielleicht auch unwahrscheinlichsten Freundschaften zu pflegen, die ich mir mit 14 Jahren, als sie entstand, hätte vorstellen können.

Aus irgendeinem mir nicht völlig ersichtlichen Grund ist dies aber zu unserer Tradition geworden, seit wir in sehr weit voneinander entfernten Städten studieren und sehr unterschiedliche Leben leben. Einmal im Jahr treffen Korbi und ich uns dennoch in dem Kaff, in dem er groß geworden ist, in dem einzigen für junge Menschen betretbaren Lokal, das es dort gibt und dessen Innenausstatter eigentlich zu lebenslänglicher Haft in seinem eigenen Verbrechen verurteilt gehört.

Zwischen einer Bar aus Bambus, braunen Fließen und alten Bauerntischen isst Korbi dann einen Burger und ich Käsespätzle und zum Nachtisch bestellt er sich zwei Vanilleshakes nacheinander, da ich eigentlich gar keinen wollte, ihm dann aber doch die Hälfte des ersten wegzutzle. So ist Korbi. Er würde wahrscheinlich alles für mich tun. Meinen Computer reparieren, meine
Hausarbeit formatieren, meine Grafiken für das Kunstgeschichte Referat erstellen, mir versichern, dass ich bestimmt irgendwann „den richtigen“ finden werde und mir außerdem versprechen, dass ich auf jeden Fall noch einen Vanilleshake vertrage, auch wenn sich die Käsespätzle gerade in einen zähen, langsam rotierenden Klumpen in meinem Magen verwandeln.

Als ich in der neunten Klasse das erste Mal mit Korbi, dem damals schon größt gewachsensten Schüler unseres Gymnasiums sprach, musste ich gerade vor der Tür meines Klassenzimmers warten, weil ich die Zweite in der Doppel-Mathe-Ausfrage war. Er kam zufällig vorbei und fragte, ob ich seine Notizen haben wollte, da er gerade das gleiche Thema bei seinem Mathelehrer
durchnahm. Ich sagte, nein danke. Zwei Tage später fragte er mich, ob ich mit ihm den traditionell in der neunten Klasse durchgeführten Tanzkurs besuchen wollte – damit war ich das erste Mädchen meiner Klasse, das einen Tanzpartner abbekam. Zwei Monate lang starrte ich auf seinen rechten Ellbogen, der sich in
etwa auf meiner Augenhöhe befand, während wir DiscoFox, Walzer und ChaChaCha lernten. Für eine Unterhaltung waren wir beide zu schüchtern und die billige Chart-Musik zu laut.

Mittlerweile schaffen wir es jedoch ganz gut, uns über einfach alles zu unterhalten, von Universitäten, geplanten Doktorarbeiten, über den ersten gemeinsamen Hund mit der Freundin (in seinem Fall), verflossene Liebschaften (in meinem Fall) bis hin zu damals, als ich vor der Klassenzimmertür stand und seine Mathenotizen nicht wollte und wie wir (natürlich!) das mit Abstand hübscheste Paar auf dem Abschlussball waren. Deshalb freue ich mich jedes Jahr von Neuem, wenn ich abends in das Auto meiner Eltern steige und in diese geschmässliche Kleinstadt fahre, um mich in diesem geschmässlichen Lokal mit Korbi zu treffen.

Von: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer