Von Freitag bis Freitag – Unterwegs mit Matthias

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Unser Autor hat diese Woche seine Bachelor-Arbeit abgegeben und wieder Zeit, etwas zu unternehmen. Weil er es kann, tut er am Freitag unter dem Motto “The Art of Doing Nothing” gar nichts. An den  anderen Tag geht er zum Theatron, zum Ice-Cream-Festival, zum Jubiläum des Kassettenclubs im Milla, zur European Outdoor Film Tour und zum Utopia Island Festival.

Freitag, 12. August

Ich hab diese Woche meine Bachelorarbeit abgegeben. Ich will damit nicht angeben – sehr viele Menschen haben in ihrem Leben schon eine Bachelorarbeit abgegeben. Ich sage das, weil ich mich selbst davon überzeuge, dass dieses Abgeben der Arbeit mir einen Freischein ausstellt. Ich muss jetzt nichts mehr machen, ha! Nie mehr! Also, glaube ich. Ich radle also einfach drauf los. In den Englischen Garten, es regnet heute ausnahmsweise nicht. Beim Monopteros lege ich mich hin und schlafe ein. Als ich aufwache, liegen hunderte Menschen um mich herum. Das ist seltsam, denn der Rest des Parks ist leer. Ich frage mal nach. Es stellt sich heraus, heute findet – genau hier! – ein Meeting des Nadism Clubs statt. Motto: The Art of Doing Nothing. Kann das Zufall sein? Ich glaube nicht. Sieht so aus, als hätten andere Menschen den gleichen Freischein wie ich…

Samstag, 13. August

Das Nichtstun wird nicht langweilig. Aber ich fange jetzt schon an, meine Definition von ‚Nichts’ etwas zu verändern. Ich finde, im Sommer gehört Eisessen zum Nichtstun dazu. Zufällig findet heute das Ice-Cream Festival statt, auf der Praterinsel. Ich lebe ganz in der Nähe, deswegen zähle ich auch den kurzen Fußmarsch dahin zum Nichtstun dazu. Im Gegenteil zum Müllrausbringen – der Weg ist zu lang. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Eisfestival wird musikalisch unterstützt, aber nicht nach meinem Geschmack. Zwei Kugeln Zitroneneis in der einen, ein Nogger in der anderen Hand marschiere ich los ins Glockenbachviertel. Den Mund vollgekleckert mit Schokolade laufe ich ins Milla hinein. Heute ist runder Geburtstag – 50 Ausgaben Kassettenclub. Ich geh zur Bar, lasse mich in einen der Sessel fallen, höre Musik – und mache nichts.

Sonntag, 14. August

Ah, Sonntagmorgen. Der Traum aller Nichtstuer. Ich schaue mir die Highlights von Olympia an, dann schalte ich den Fernseher aus und leg mich wieder schlafen. Ich wache erst im späten Nachmittag wieder auf. Ich hab keine Ahnung, was ich heute so machen könnte, deswegen laufe ich einfach mal los. An der Isar entlang, über den Gärtnerplatz, ins Zentrum. Auf dem Heimweg komme ich am Crux vorbei. Sonntagabend, aber trotzdem was los. Ich stelle mich an. „Warst du gestern schon hier?“, fragt mich ein großer Türsteher. „Wieso?“ – „Freier Eintritt für alle, die gestern da waren“, klärt mich der große Türsteher auf. „Klar!“, sag ich und zeige den Stempel vom Eisfestival. „Alles klar – frohes Auskurieren“, verabschiedet sich der Große. Ich mische mich unter die Menschen.

Montag, 15. August

So langsam wird das Nichtstun langweilig. Ich frage mal in der Redaktion nach, wann ich das nächste Von Freitag bis Freitag schreibe. Dauert noch etwas, wird mir gesagt. Heute ist übrigens die ganze Redaktion im Olympiapark – es ist Sprungbrett im Theatron. Es spielen alte Bekannte – unter anderem Sweetlemon, die heuer auch in unserem Farbenladen gespielt haben. Nach den Konzerten ziehen wir durch den Olympiapark, auf dem Weg auf den Olympiaberg verlieren wir die Ersten. Der Abstieg ist nicht einfacher. Ich verfehle den Weg, und schon purzele ich den Berg runter. Ich kontempliere kurz, ob ich liegen bleiben soll. Dann laufe ich Richtung U-Bahn.

Dienstag, 16. August

Ich bin nicht zufrieden mit meinem Trip in den Olympiapark gestern. Es war lustig, ohne Frage, aber ich bin unruhig. Im Theatron habe ich ständig nach links gelugt, Richtung Kino. Ich war neidisch auf die Liegestühle, die da rumstehen. Also fahre ich noch mal hoch, diesmal mit dem Fahrrad und setze mich auf die gemütlichste Liege, die ich finde – ich teste knapp 20 Stück, bevor ich mich entscheiden kann. Heute ist European Outdoor Film Tour, Extremsport vom Allerfeinsten. Auf der Rückfahrt fühle ich mich wie einer der Mountainbiker aus dem Film. Mein Rennrad ist allerdings nicht so wirklich für Downhill geeignet. Ich falle hin, mehrmals, rette mich aber heim. Auf den letzten Hundert Metern merke ich, dass ich einen Platten habe. Und eine Acht. Wo mein Schutzblech ist, wusste ich schon im Olympiapark nicht mehr…soviel zu Extremsport.


Mittwoch, 17. August

Ich hab mich übernommen gestern. Mir tut alles weh. Heute bleib ich im Bett. Passt mir eigentlich auch ganz gut, denn bei Olympia sind die Leichtathletik-Wettkämpfe in vollem Gange. Als Leichtathlet in der Jugend fühle ich mich natürlich sehr verbunden – ein früherer Trainingspartner ist sogar in Rio dabei. Ich drücke ihm die Daumen! Ich laufe hingegen heute nirgendwo mehr hin, nicht mal mehr in die Küche. Ich lasse mir Pizza liefern, Mittags und Abends. Tja, wie die Dinge anders hätten sein können – ich ordne die Salamischeiben in Form der olympischen Ringe, und beiße rein. Die Salamimedaille hab ich mir heute so was von verdient.

Donnerstag, 18. August

Ich lebe jetzt schon einige Jahre in München – aber so wirklich schaffe ich es nie aus der Stadt. Es soll so schön sein an den Seen, in den Bergen – und in Moosburg an der Isar. Ich steige in den Zug und fahre los. In dem Städtchen kurz hinter dem Flughafen ist dieses Wochenende das Utopia Island Festival – „Festival wie ein Kurzurlaub“, wird mir versprochen. Nach einer harten Woche Nichtstun brauche ich den Urlaub auch – zwar kann ich nur einen Tag bleiben, aber die gute Festivalluft Landluft ist wahnsinnig erholend.

Freitag, 19. August

Ich denke über meine letzte Woche nach. Es gab Höhe- und Tiefpunkte. Das soll eigentlich nicht so sein. Ich will einen bestimmten Tiefpunkt aufarbeiten – ich fahre wieder in den Olympiapark. Ich habe das Gefühl, dieser Ort hat mich in den letzten Tagen auf dumme Ideen gebracht. Heute wird alles anders! Es ist wieder Konzert im Theatron und eine der geilsten Münchener Bands ist wieder da: Hadern Im Sternenhagel! Der Abend zieht an mir vorbei, der Sternenhagel auch. Diesmal bleibe ich sitzen im Theatron, irgendwann lege ich mich hin. Morgen fange ich wieder mit dem Alltag an, aber heute noch nicht. Heute Abend mache ich nichts mehr. Heute Abend schlafe ich im Olympiapark. Ich hoffe es regnet nicht.

Von: Matthias Kirsch

Ende gut, alles gut?

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Wenn das Bahnwärter Thiel nach diesem Abschlussfest schließt, werden seine Besucher weiterziehen. Vielleicht dorthin, wohin Daniel Hahn geht, vielleicht an andere Orte in München, vielleicht auch außerhalb der Stadt. Denn Subkultur braucht Platz – sonst wandert sie irgendwann ab. Ein letzter Besuch im beliebtesten Club der vergangenen Monate.

Das alte Wählscheiben-Telefon neben den Toiletten im
Bahnwärter Thiel klingelt schrill. Ein blondes Mädchen mit Turnbeutel
auf dem Rücken ist nur kurz verwundert, dann hebt sie
ab. Einige dieser Telefone befinden sich an anderen Orten auf dem
Clubgelände, weitere in der “Wilden Renate” und im “Sisyphos” in Berlin.
Im vergangenen halben Jahr wurden so unzählige sich bis dahin fremde Gäste
des Kulturhauses in lustige und oft auch betrunkene Gespräche voller
Situationskomik verwickelt. Doch wenn man an diesem Sonntag zum Hörer
greift, unterhält sich ein Großteil der Gesprächspartner
früher oder später über das, weswegen sie alle da sind: Sie sprechen über den letzten Tag
im Bahnwärter Thiel, über das große Abschiedsfest und wie schade das doch
alles ist.

Der temporäre Club, der mit Ausstellungen, Theateraufführungen,
Lesungen, Flohmärkten und seinen „Schienenbus-Konzerten“ viel mehr als
nur der neue gehypte Elektroschuppen war, muss weichen. Das
Viehhof-Gelände ist wieder für das jährliche Freiluftkino mit Biergarten
reserviert, langfristig soll das Münchner Volkstheater auf einer der
letzten Freiflächen Münchens eine neue Heimat finden.
Dass der Bahnwärter Thiel nur kurze Zeit bleiben darf, ist seinem
Gründer Daniel Hahn, 25,  von Beginn an klar gewesen. Auch wenn er das ganze
Abschiedswochenende über schon “ein ganz tolles Gefühl” hat und das
gemeinsame Feiern der Kreativszene, die er hier zusammengebracht hat,
genießt: Der Aufbruch ist allgegenwärtig. „Morgen früh um acht beginnt der Abbau“, sagt Daniel Hahn mit vor Schlaflosigkeit rot geränderten Augen. Dann muss er seine Zirkuszelte vom Wannda-Kulturfestival, den charakteristischen alten Bahnwaggon und den Rest seines Kuriositätenkabinetts wieder einpacken.
 

Mit dem Kulturhaus hat er sich zumindest für ein paar Monate einen Kindheitstraum erfüllt. Die dazu passende Verspieltheit zeigt sich auch beim ausverkauften „Bahnwärter-Closing-Open-Air“. Während im Club die Gäste ein letztes Mal in den Berggondeln
schaukeln und die Aussicht auf Kronleuchter neben Schiffschaukeln an der
Decke genießen, sitzen die Besucher außen gemütlich zwischen
Zirkuszelten, Grafitti-Künstlern und einem alten gelben Boot.
Bei dieser Detailverliebtheit und der Mühe, die sich das gesamte Team gemacht hat, könnte man fast meinen,
das Bahnwärter Thiel wäre gekommen, um zu bleiben. Das wünschen sich
sicher auch viele der Besucher des Open Airs, die sich auch ohne
Sonnenschein am Sonntag auf dem Gelände tummeln. Melancholie hängt in den ersten Stunden des Freiluftfests in der Luft. Die Menge feiert und lacht, aber immer wieder ertappen sich Besucher, wie sie den Blick wehmütig über das Gelände schweifen lassen. „Ohne das Bahnwärter Thiel fehlt in München was“, sagt ein junger Sprayer. Es gebe zu wenig, das eben so sei „wie in Berlin“, sagt etwa Stefan, 23.

Ein Angebot, wie man es sonst nur in Berlin findet? Das wollte Daniel Hahn eigentlich gar nicht schaffen. Aber „durch die Fläche hatten wir das Gefühl der unbegrenzten Möglichkeiten“. Das Gefühl will er sich zurückholen, an einem neuen Ort in München weitermachen. Die Stadt habe zwar jetzt gemerkt, dass in der jungen Szene ein Bedürfnis da ist, es fehle aber trotzdem noch an Freiflächen, die kreativ genutzt werden können. Immerhin für seinen roten Bahnwaggon hat er schon einen Platz: Auf einer Wiese in der Innenstadt wird er ihn als Café betreiben. Irgendwie geht es also weiter.

Wie bei Daniel selbst überwiegt am Ende auch bei allen Gästen der Optimismus und die Feierlust, die sie auch bisher oft ins Bahnwärter Thiel getrieben hat. Auf dem Stempel, der einem am Eingang auf das Handgelenk gedrückt wird, steht „Ende gut, alles gut“ – und vielleicht stimmt es ja doch, zumindest für heute. 

Text: Elisabeth Kagermeier

Foto: Alessandra Schellnegger

Bartellow (Club / Jazz)

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Jahr: 2012, Woche: 04

Ganz spielerisch vermischen Bartellow ihre Jazz-Wurzeln mit einer kühl-groovenden Club-Attitüde: „Da wir alle drei Musik studiert haben, bauen die Songs viel auf Improvisation auf“, erklärt Beni, es sollen ganz bewusst keine Grenzen gesetzt werden.

Er ist eines von diesen Phantomen. Die überall auftauchen, aufblinken, überraschen. Und nie im Spotlight bleiben. Mal als Keyboarder der Band Pollyester. Mal als DJ in der Blumenbar oder mit seiner Band Columbus. Doch der Münchner Musiker Beni Brachtel (Foto: Daniel von Mitschke), der sich Bartellow nennt, hat die glitzernde Selbstinszenierung gar nicht nötig. Der 26-Jährige kommt aus dem Jazz, hat Gitarre und Komposition in Linz und Leipzig studiert. Jetzt lebt er wieder in seiner Heimatstadt München. Und mischt ganz unterschwellig in so vielen Projekten mit: Bartellow und GTA Hoffmann heißt seine neueste Band. Die Musik ist dezent, so dezent wie sein Auftreten. Ganz spielerisch vermischen die drei Musiker ihre Jazz-Wurzeln mit einer kühl-groovenden Club-Attitüde: „Da wir alle drei Musik studiert haben, bauen die Songs viel auf Improvisation auf“, erklärt Beni, es sollen ganz bewusst keine Grenzen gesetzt werden. Derzeit arbeitet er mit Pollyester an deren zweitem Album und plant mit Columbus 2012 endlich eine Veröffentlichung. Oder er setzt seine Kompositionen solo um – mit Loops und analogen Synthesizern. So tritt er auch am 3. Februar im Münchner „Import-Export“ auf. Rita Argauer

Stil: Club / Jazz
Besetzung: Beni Brachtel: Komposition, Arrangement, Gitarre, Synthesizer
Aus: München
Internet: www.bartellow.de, www.soundcloud.com/bartellow

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.