Großes Format

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Vom kuschelnden Schauspieler bis zum ehrgeizigen Rapper, von der gemeinnützigen Studentenorganisation bis zur sozialen Modedesignerin: Diese jungen Menschen sorgen 2016 dafür, dass München bunt, spannend und lebenswert bleibt.

Foto: Amelie Satzger

Jede Woche treffen wir auf junge Münchner, die München zu „unserem“ München machen: zu einer spannenden Stadt, die man erst kennt, wenn man ihre Macher kennen und schätzen lernt. Wer diese Stadt im kommenden Jahr bunter und lebenswerter macht? Wir wissen es nicht. Und wagen trotzdem einen Ausblick: Münchens junge Leute 2016.

Leonard Hohm
Schauspieler

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Es gibt Menschen, die kennt man nicht, und doch ist man vertraut mit ihnen. Genauer gesagt: mit ihren Stimmen. Leonard Hohm, 25, ist einer von ihnen. Der Schauspieler ist wirklich sehr häufig zu hören. Er spricht Werbung für Firmen wie Sony oder Bosch, synchronisiert Serienfiguren und hat zig Hörbücher eingelesen. „Sprechen kann zum Sport werden, da wir unter starkem Zeitdruck arbeiten“, sagt Leonard. Nebenher spielt er noch Theater. 2016 sind neben einem Theaterprojekt auch weitere Hörbücher geplant: „Ich liebe die Arbeit im Studio und spiele gerne mit meiner Stimme. Aber was schon nervt: Wenn deine Freundin dann abends sagt: Lass mal nicht kuscheln, lies mir lieber was vor!“

Foto: Yunus Hutterer

Amelie Satzger
Fotografin

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Irgendwie kommt sie aus einer anderen Welt. Wenn Amelie Satzger, 20, sich selbst fotografiert, dann sieht sie aus wie eine Fee, manchmal auch wie eine Gottheit aus dem antiken Griechenland. Es sind jene mythologisch angehauchten Selbstporträts, die die Fotografin erfolgreich machen. Angefangen hat das auf der Nordseeinsel Föhr: Familienurlaub mit den Eltern. Irgendwie langweilig. Also hat Amelie, damals 19, ihre Kamera genommen und die Fotos dann auf Instagram gepostet. Die Bilder kamen an: Innerhalb weniger Wochen hatte sie mehrere Tausend Follower, auf der Fotoplattform 500px sind es mittlerweile mehr als 19 000. Amelie studiert Fotodesign an der Hochschule München. 2016 werden Amelies Selbstporträts auf der Kunstmesse Stroke zu sehen sein. 

Foto: Amelie Satzger

Bianca Kennedy
Künstlerin

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Bianca Kennedy taucht ab. Die 26-Jährige, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, widmet sich derzeit der Badewanne. „Das ist für mich ein ganz besonderer Ort“, sagt Bianca, denn dort würden Klassenunterschiede aufgehoben. Wer in die Badewanne geht, ist nicht arm oder reich, der ist für einen Moment lang befreit von seiner eigenen Geschichte. Abtauchen, die Füße übers Wasser gleiten lassen und sich dabei vorstellen, man habe gerade einen Wal in den Wellen entdeckt, so ist das zumindest in Biancas filmischer Arbeit „Sonar Sounds“. Die junge Künstlerin hat in den vergangenen Monaten mehr als 200 Badeszenen aus berühmten Filmen gesammelt, die sie in der Videoinstallation „We are all in this together“ miteinander verbindet. Parallel arbeitet sie mit ihrem Freund Felix Kraus an einer Filmtrilogie, die das Leben von Mensch-Tier-Pflanze-Pilz-Hybriden in einer fernen Zukunft imaginiert.

Foto: Adrienne Meister 

Sophia Klink
Literatin

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Wenn Sophia Klink Texte schreibt, spielt die Natur darin eine große Rolle. Die 22-Jährige versucht in ihrer Prosa die Dinge zu verarbeiten, die sie aus ihrem Biologiestudium kennt: „Ich wollte einfach zeigen, wie toll diese Welt ist. Es weiß zum Beispiel kaum einer, dass Regenwürmer zehn Herzen haben.“ Die Natur wird bei ihr zum Reibungspunkt für die Sehnsucht ihrer Figuren nach Ruhe abseits der Stadt. 2015 hat Sophia das Literaturstipendium der Stadt München erhalten, das Autoren ein Arbeiten frei von finanziellem Druck ermöglichen soll. Gefördert wurde ihr Romanprojekt „Luftunterfläche“, dessen Erstfassung demnächst fertig werden soll. Sophia Klink liest am 15. Januar 2016 im Keller der kleinen Künste.

Foto: Thomas Freimuth

Florian Kamhuber
und Fabian Halbig

Filmemacher

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Es darf gelacht werden: Florian Kamhuber, 25, und Fabian Halbig, 23, produzieren mit ihrer Filmfirma „Nordpolaris“ Stoffe, die den Zuschauer mit intelligentem Humor unterhalten sollen. Vergangenen Sommer haben die beiden ihren ersten Langspielfilm produziert, der 2016 Premiere feiert: Die Tragikomödie „Dinky Sinky“ (Regie: Mareille Klein) erzählt die Geschichte einer Sportlehrerin, die unbedingt schwanger werden will. Die Hauptrolle übernahm Residenztheater-Schauspielerin Katrin Röver, der Film-Fernseh-Fonds Bayern förderte das Projekt mit 50 000 Euro. Für das kommende Jahr sind bereits viele neue Projekte geplant: Die beiden produzieren eine Sitcom, die die Männerdomäne Baumarkt ironisch aufbricht, und Fabian, Schlagzeuger der Killerpilze, bringt mit seiner Band ein neues Album heraus.

Foto: Vera Brückner

Alexander Hoffmann
Veranstalter von „Cook and Code“

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Die ersten Schritte in der IT-Welt will Alexander Hoffmann Anfängern in seinem Projekt „Cook and Code“ vereinfachen. Der 27-Jährige organisiert Veranstaltungen, bei denen Experten und Neulinge zusammenkommen und in lockerer Atmosphäre ihr IT-Wissen auffrischen können – zum Beispiel wird auch zusammen gekocht. Für das Jahr 2016 hat sich Alexander eine Menge vorgenommen: „Beim Social Hackathon am 23. Januar werden sich drei bis vier soziale Projekte vorstellen, die ein bestimmtes Problem mit ihrer Website haben“, sagt Alexander. Über einen ganzen Tag hinweg versuchen sich die Teilnehmer an einer Lösung für diese Probleme.

Foto: privat

Hannah Klose
Netzwerkerin

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Netzwerkerin Hannah Klose, 24, bringt Menschen zusammen. Zum Beispiel als Vorstandsmitglied des Projekts „Rock Your Life“, das Hauptschülern Mentoren an die Seite stellt, um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern. Aber auch darüberhinaus hat sie 2016 viel vor: Hannah organisiert die Intrapreneurship Conference 2016 in München mit und stellt als Heartleaders-Botschafterin Veranstaltungen rund um wertschätzende Kommunikation in der Arbeitswelt auf die Beine. Außerdem holt sie bei 12min.me einmal im Monat Sprecher für Vorträge zu Business-Themen auf die Bühne – in lockerer Atmosphäre und strenger Zwölf-Minuten-Taktung. Wo Hannah Menschen verbindet, ist das Ziel meist dasselbe: Statt Ellbogenmentalität soll Arbeit Raum für Innovation, Erfüllung und Potenziale bieten.

Foto: mantro.net

Alina Birkner
Malerin

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Ist Malerei nun in oder out, hip oder verstaubt? Immer wieder wird ihr in der Kunst der Tod prophezeit. Davon lässt sich Alina Birkner, 26, nicht beeindrucken. Die Malerin studiert an der Akademie der Bildenden Künste und schließt ihr Diplom im Februar ab. Alina pinselt mit Acryl geometrische Formen in Pastellfarben auf eine nasse, meist großformatige Leinwand. Ihr Können stößt auf so viel Begeisterung, dass sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner, der eigentlich Filmplakate gestaltet, ein riesiges Fresko für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic in der Pinakothek der Moderne malen durfte. 2016 steht aber erst einmal die eigene, abstraktere Kunst auf dem Plan: zum Beispiel im Münchner Centercourt, wo Alina von Januar an vier großformatige Arbeiten zeigt.

Foto: Korbinian Vogt 

Lux
Rapper

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Es gab schon schlechtere Zeiten für Hip-Hop aus München. Edgar Wasser wird bundesweit gefeiert, Fatoni ist dieses Jahr mit seinem Album „Yo Picasso“ durch die Decke gegangen. Und München hat noch mehr Talente parat. Zum Beispiel Lukas Eichhammer, 25, alias Lux. Der Musiker hat 2015 das erste Album veröffentlicht, tourte mit Kumpel Edgar Wasser durch Deutschland. „Ich habe Blut geleckt“, resümiert er. Schon als Kind zieht es Lukas auf die Bühne: Er spielt im Residenztheater und eine Hauptrolle im Kinofilm der Kinderreihe „TKKG“. Mit 16 beginnt er zu rappen, 2012 kommt die erste EP. Lukas wird nächstes Jahr 26. Zehn Jahre Lux – Zeit, erwachsen zu werden? Ja. Deshalb kommt im Frühjahr eine neue EP und mit ihr ein neuer Lux. Es geht um Zukunftsängste, ums Rumhängen und Älterwerden – ganz genau weiß Lukas das auch nicht. Er rappt: „Ich bin nicht Lux, nur sein Synchronsprecher.“

Foto: Nils Schwarz


Mercedes Diaz de Leon
Mode-Designerin

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Es ist keine einfache Angelegenheit, dem Massenkonsum den Rücken zu kehren – vor allem nicht, wenn es um Mode geht. Mercedes Diaz de Leon, 28, hat es trotzdem versucht: Im Sommer eröffnete sie den „Nui Conceptstore“ in Neuhausen, der ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Jungdesignern und ihr eigenes Label Nui verkauft. Die gebürtige Mexikanerin, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat ihr Handwerk an der Meisterschule für Mode in München gelernt. Nach dem Abschluss war sie ernüchtert: Alle tragen das Gleiche, kaufen bei großen Ketten Stücke, die nach kürzester Zeit im Schrank verstauben. Mercedes’ Laden ist keine Revolution. Aber ein Schritt in die richtige Richtung: eine Verkaufsplattform für talentierte Jungdesigner, die nachhaltig, lokal und fair produzieren und für den Modeliebhaber sonst allenfalls über Plattformen wie Dawanda erreichbar wären.

Foto: privat

Equalhats
Gemeinnütziges Studentenprojekt

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Sechs junge Münchner Studenten haben die Mütze zu einem Symbol der Solidarität erhoben. Ihr Motto: „Mache einen fremden Namen zu deinem.“ Auf den Mützen stehen Namen. Namen von Flüchtlingen, die bereits in Deutschland angekommen sind. Über den Namen wird das Gleichheitszeichen eingestickt. So setzt jeder mit der Mütze ein Statement. Bisher sind circa 400 Mützen verkauft und 2500 Euro eingenommen. Neben dem Studium ist oft zu wenig Zeit, aber für die nächsten Semesterferien plant das Team von Equalheads einen Sommerersatz für die Mütze zu finden. „Wir wollen auf jeden Fall weitermachen“, sagt Pauline Kargruber, Mitbegründerin des gemeinnützigen Studentenprojekts Equalhats. Die Mützen werden fair und im Inland produziert, alle Erträge gehen an die Aktion „Deutschland hilft“. Welcher Name auf der Mütze steht, ist nicht wichtig, man erfährt es auch nicht vorher. Das Zeichen, das man setzt, zählt.

Foto: privat

Nalan381
Hipster-Pop

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Es ist zuletzt gut gelaufen für das experimentelle Duo Nalan381. „Sie sind gekommen, um München ein bisschen mehr Sex einzuhauchen“, schrieb etwa der Bayerische Rundfunk. Und auch die SZ hat sich nicht zurückgehalten mit Lob: „Ätherische Töne mit hauchenden, hallenden, klagenden Stimmen, die verlaufen wie Wimperntusche im Swimmingpool.“ Nicht zuletzt deswegen haben Nikolaus Graf aka Nik Le Clap und Nalan Karacagil große Pläne für 2016. Die Findungsphase ihrer Musik ist abgeschlossen, im kommenden Jahr wollen sie mit einer neuen Platte über die Münchner Bühnen hinauswachsen. Ein Konzert in Berlin ist fix, sogar noch vor der Release ihrer Platte am 13. April in der Münchner Bar „Unterdeck“. Ihrem Indie-R ’n’ B bleiben sie treu, „aber der Sound wird interessanter, weil wir ja jetzt wissen, wie der andere tickt“, sagt Nik.

Foto: Rosanna Graf

Autoren: Carolina Heberling, Matthias Kirsch, Susanne Krause, Jennifer Lichnau, Valerie Präkelt

Einmal Mars und nicht zurück

No way back: Die Münchner Filmstudentinnen Vera Brückner und Annelie Boros zeigen in ihrer Dokumentation „Mars Closer“ zwei Männer, die sich für eine Raummission ohne Heimflug beworben haben. Die Studentinnen wollten wissen, was es bedeutet, die Erde für immer zu verlassen.

Interview: Carolina Heberling

Was passiert eigentlich, wenn man zum Mars fliegt? So ohne Rückflugticket. Diese Frage haben sich die Münchner Filmstudentinnen Annelie Boros, 24, und Vera Brückner, 27, gestellt. In der Dokumentation „Mars Closer“ versetzen sie ihre Protagonisten in die Rolle des Mars-Reisenden und imaginieren gemeinsam, was es bedeutet, die Erde für immer zu verlassen. Dieser Tage keine schlechte Idee, denn die Welt hat das Mars-Fieber gepackt: Wissenschaftler haben Hinweise für Salzwasser auf dem Mars gefunden. Und im Kino sitzt Matt Damon in Ridley Scotts „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ gerade allein auf dem Planeten herum. Für Paul Leeming und Pauls Irbins, beide Anfang vierzig, hätte das zur Realität werden können. Die Protagonisten von „Mars Closer“ waren Kandidaten im Auswahlverfahren der privaten Raummission „Mars One“, welche 2027 erstmals Menschen auf den Planeten schicken will, um dort einen neuen Lebensraum für die Menschheit aufzubauen. Das Problem: Ein Rückflug ist technisch nicht möglich.

SZ: Einmal Astronaut sein, einmal zum Mars fliegen – ist die Faszination für den Weltraum wirklich so groß, dass man ohne Rückflugticket zum Mars will?
Vera Brückner: Als wir angefangen haben, für den Film zu recherchieren, ist mir erst bewusst geworden, wie viele Leute weltraumbegeistert sind. In der Generation vor uns, die mit vielen Science-Fiction-Filmen und -Comics aufgewachsen ist, war das viel mehr Thema als heute – auch durch das Wettrüsten der USA und Russlands im Kalten Krieg. Wer hat die Vormachtstellung im Weltraum? Die haben live vorm Fernseher die Mondlandung gesehen. Für sie ist es einfach der nächste Schritt, auf den Mars zu gehen.

Aber der Entschluss, zum Mars zu wollen, hat doch sicher noch andere Gründe?
Vera Brückner: Ja, natürlich. Pauls Irbins aus Lettland ist Begründer eines Science Centers, wo Kinder physikalische Experimente machen können. Der möchte Jugendlichen in Lettland Mut machen und sagen: Egal, was ihr erreichen wollt, es ist möglich, wenn ihr fest daran glaubt.
Annelie Boros: Bei Paul Leeming aus Tokio, der zweiten Hauptfigur, geht es auch darum, gesehen zu werden. Er möchte den Leuten zeigen: Ich habe etwas drauf, das ihr mir nicht zugetraut habt.

Gesehen werden, Menschen Mut machen – deswegen fliegt man doch nicht gleich zum Mars?
Vera Brückner: Ich glaube, die Faszination, etwas zu tun, was vorher noch nie ein Mensch getan hat, ist so groß, dass man sich das wünscht.
Annelie Boros: Außerdem ist da dieser Gedanke: „Ich bringe ein Opfer für die Menschheit.“ Pauls aus Lettland sagt, das sei eine Art Vorbestimmung, die schon immer in seinem Kopf war. Das fanden wir spannend: Unsere Figuren stellen sich in den Dienst für etwas anderes.
Tun sie das wirklich?
Annelie Boros: Ich habe oft genug an ihrer Motivation gezweifelt. Bei beiden ist sicherlich ein Geltungsbedürfnis da: gesehen werden, akzeptiert werden. Aber ich glaube, der Wunsch, ein Held zu sein, ist größer als irgendein persönlicher Wunsch.

Für dieses Heldentum müssten die beiden aber sehr viel entbehren.
Vera Brückner: Klar, sie würden immerhin ihr Leben riskieren. Doch dafür wären sie bereit. Im Film sagt Paul einmal: „Selbst wenn wir beim Anflug auf den Mars verbrennen, das wäre es wert.“
Annelie Boros: Außerdem geht es nicht darum, von der Erde auszuwandern, sondern auf den Mars auszuwandern.

Irbins hat Frau und Kinder. Wie gingen die damit um, dass er zum Mars wollte?
Vera Brückner: Als wir zum Dreh in Lettland waren, hatte er eine richtige Ehekrise: Da rücken ein paar junge Leute aus Deutschland mit einer Kamera an. Das gibt dem Ganzen eine andere Ernsthaftigkeit. Pauls Frau hat die Raummission „Mars One“ vor unserem Besuch zwar schon ernst genommen, aber als wir da waren, hat sie erst verstanden, was ihr Mann sich da eigentlich wünschte.
Annelie Boros: Wir haben sie dann gebeten, für den Film eine Nachricht an ihren Mann auf dem Mars aufzunehmen, in der sie sagt, in welchen Situationen sie ihn vermisst. Sie beginnt also zu sprechen, fängt an zu weinen und sagt: „Das ist das erste Mal, dass ich darüber spreche.“ Da merkt man wieder, was für eine Verantwortung man als Filmemacher hat, wenn man solche Situationen provoziert.

Habt ihr die Figuren auch damit konfrontiert, wie es sein könnte, auf dem Mars allein zu sterben?
Annelie Boros: Natürlich haben wir solche Sachen gefragt, aber das war für sie nicht das Schlimmste. Für Pauls war der schlimmste Gedanke, den Kontakt zur Erde zu verlieren und nicht mehr mit seiner Familie sprechen zu können. Da zweifelte man doch daran, ob er diese Reise wirklich so sehr wollte.

Angenommen, die Landung glückt – was passiert dann?
Vera Brückner: Man stellt sich das vielleicht langweiliger vor, als es ist, aber wenn die Landung gelingt, ist man mit so vielen essenziellen Fragen beschäftigt. Dort Leben zu errichten – das ist ein Fulltime-Job.

„Leben errichten“, das klingt heldenhaft. Trotzdem ist die „Mars One“-Mission immer wieder in die Kritik geraten.
Vera Brückner: Interessant ist natürlich, dass die Mission von einer Privatorganisation ausgeht, denn nur die kann es moralisch vertreten, Leute zum Mars zu schicken, ohne sie zurückzuholen. Staatliche Organisationen wie die NASA müssten aus ethischen Gründen die Rückreise gewährleisten.
Annelie Boros: Der größte Kritikpunkt ist aber die starke Strahlung, der die Astronauten auf ihrer Reise ausgesetzt sind. Man weiß einfach nicht, ob sie diese Strahlung überleben, und wie krank sie vielleicht sind, wenn sie dort oben ankommen.

Hinzu kommt: „Mars One“ wird wie eine Fernsehsendung aufgezogen. Schauen wir bald „Big Brother“ vom Mars?
Vera Brückner: Dass man eine Fernsehsendung daraus macht, ist eigentlich sinnvoll, gerade in den heutigen Zeiten, wo alles irgendwie medial abgedeckt wird. Wenn ein Typ aus dem Weltall springt und das gezeigt wird, dann muss man doch eine Fernsehsendung machen, wenn Leute zum Mars fliegen. Das ist das Krasseste, was Menschen je gemacht haben.
Annelie Boros: Man darf das auch nicht als Big Brother missverstehen, selbst wenn das oft so dargestellt wird. Das wird eher eine Reportage über die Forschungen, die dort stattfinden.

Euer Film setzt aber einen anderen Schwerpunkt.
Vera Brückner: Uns ging es um die Idee und den Willen dahinter, den Mars zu besiedeln. Wir wollten einen emotionalen Film machen, der die Frage aufwirft: Was bedeutet dieser Entschluss eigentlich? Was für Lebens- und Sinnfragen stellen sich, wenn man so etwas macht?
Annelie Boros: Unser Thema war auch die Erinnerung – woran erinnert man sich, wenn man für immer weg ist? Was nimmt man im Geiste von der Erde mit? Dafür haben die technischen Fragen wie auch die Organisation „Mars One“ keine Rolle gespielt.

Am Tag der Premiere wurde bekannt, dass die Protagonisten eures Films nicht in der Endauswahl für die Marsmission gelandet sind. Wie seid ihr damit umgegangen?
Annelie Boros: Ich war komischerweise traurig, dabei haben ganz viele der Zuschauer gesagt: „Oh, super, sie sind nicht weiter“, weil sie die beiden auf der Erde behalten wollen. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich nicht unbedingt will, dass Pauls Irbins zum Mars fliegt. Seine Söhne sind fünf und sieben – das ist eine krasse Verantwortung.
Vera Brückner: Andererseits hat man wirklich gespürt, wie sehr sie sich das wünschen. In den Interviews für den Film haben wir sie gebeten, sich in die Rolle des Raumfahrers auf dem Weg zum Mars zu versetzen. Ich habe beim Dreh regelmäßig geweint, weil ich total nachvollziehen konnte, wie es den beiden damit geht und wieso sie das wollen.
Annelie Boros: Wir haben ihnen irgendwie gewünscht, dass sie ihren Traum noch weiter träumen dürfen.

Vergangene Woche lief der Film auf dem „DOKUart“-Festival in Kroatien, die Deutschlandpremiere findet Ende Oktober auf dem „DOK Leipzig“ statt.

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Carolina

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Carolina macht diese Woche nicht mit. Beim Urlaubs-Marathon. Sie beweist, dass man nicht um die Welt gereist und glückliche Selfie-Stick-Fotos gepostet haben muss, um sagen zu können, einen schönen Sommer verbracht zu haben. Auch München hat in den Ferien vieles und außergewöhnliches zu bieten: ob bei der „Super Geek Night“, der Performance- und Installationsausstellung  „Asymetric Garden & Group Photo“ oder der  Premiere von „Tommy Low Gun And The Amazing Boozehounds“ – sie sammelt ganz bestimmt denkwürdige Ferienmomente.

Urlaub ist ein Wettbewerb geworden. Zumindest fühlt sich das
so an, wenn auf meiner Facebook-Timeline dieser Tage mal wieder ein Foto aus
Antalya, San Francisco oder Ibiza auftaucht. Auf jedem Bild: Glückliche
Jetsetter. Den Rest des Jahres normale Menschen, im Urlaub aber die Könige der
Könige. Ein Bild schöner als das andere. Und ich? Kann nichts dazu beitragen.
Ich sitze in München. Das kennen meine Jetsetterfreunde schon. Da wohnen sie
nämlich normalerweise, wenn sie nicht gerade den Urlaubswettstreit antreten.

Dabei ist München gar nicht so schlecht. Urlaub in der
Heimat eben. München, Sieger der Herzen. Oder auch: Dabei ist alles! Los geht
es am Freitag mit der Finissage der Kunstausstellung „BEASTIEstylez &
FRIENDS“ im Farbenladen
des Feierwerks. Gezeigt werden unter anderem die Werke von
Lion Fleischmann, dessen Arbeiten schon bei der SZ-Ausstellung „München – eine
Sehnsucht“ zu sehen waren. Gegrillt wird auch noch. Da kann es in keinem
Ferienresort auf Malle schöner sein, finde ich.

Samstag zieht es mich schon wieder ins Feierwerk zur „Super
Geek Night“
, eine Party für „jeden Gamer, Geek, Fan, Nostalgiker und Nerd“.
Dort laufen Leute in lustigen Cosplaykostümen rum, trinken Butterbier und
zocken bis die Finger vom Spielen wund sind. So etwas mache ich zwar sonst nie,
aber so ist das nun mal in den Ferien: Menschen tun Dinge, die ihnen den Rest
des Jahres fremd sind. Büchermuffel nehmen fern der Heimat plötzlich ein Buch
in die Hand und bewegungsscheue Stubenhocker mutieren beim Hotel-eigenen
Sportangebot zu gefürchteten Aktivurlaubern. Ob diese abenteuerliche Metamorphose
nun im Schweigekloster in Indien oder in München von statten geht, ist doch
relativ Wurscht. Deswegen lasse ich mich an dem Abend direkt auch mal mit ein
paar Cosplayern fotografieren – für’s digitale Urlaubsalbum.

Sonntags bin ich faul. Ich schlafe lange, frühstücke im
Bett, lege mich mit einem Buch an die Isar. Der perfekte Ferientag? Von wegen.
Ja, es gab Zeiten, da konnte man im Urlaub einfach nur entspannen.  Aber das ist lange vorbei. Heute geht es um
Leistung: Welcher Strand ist der schönste? Wo schmeckt das Essen am besten?
Alles festgehalten auf Fotos. Früher hat man sich nach den Ferien Bilder von
Sehenswürdigkeiten gezeigt, heute zeigt man sich Bilder von Hotelpools.
Spa-Oasen. Erlebnis-Off-Road-Rallye-Adventures. Authentischen kleinen Cafés. Wie schön, dass ich da nicht mitmachen muss.
Herrlich entspannt mache ich mich abends auf den Weg in den Salon Irkutsk. Dort
spielen ab 19 Uhr Carmina Reyes und Antò Nio, den ich schon beim diesjährigen
Stadt-Land-Rock-Festival ganz toll fand.

Am Montag bin ich auf der Geburtstagsfeier meines Freundes Jojo
eingeladen.  Wir sitzen im Englischen Garten,
picknicken, spielen Boule – das weckt dann gleich Urlaubserinnerungen,
schließlich haben das die alten grimmigen Menschen im kleinen
französischen  Feriendorf meiner Kindheit
auch immer gemacht. Abends schaue ich noch in der Galerie FOE 156 vorbei: Die
dänische Performance- und Installationskünstler Molly Haslund zeigt in ihrer
Arbeit „Asymetric Garden & Group Photo“, was passiert, „wenn Kresse die
Küchenfensterbank verlässt“. Meine persönliche Antwort: Sie landet im Müll,
denn bei mir geht Kresse nach spätestens drei Tagen ein. Ein Grund mehr, um
sich diese Installation anzusehen.

Dienstag steht Kultur auf dem Programm, denn pünktlich zum
ersten September erwacht das kulturelle Leben aus seinem Sommerschlaf. Ich
gucke mir München an. Aber nicht in seiner Wirklichkeit, sondern auf Foto
gebannt: In der Ausstellung „Mein Bild von München III“ am Praterstand zeigen
Münchner ihren Blick auf die Stadt.

Inspiriert von diesen Eindrücken, ziehe ich am Mittwoch direkt
selbst mit meiner Kamera los. Urlaubsfotos machen. Das Hindernis: Ich habe
keinen Selfiestick. Die Zeiten, in denen man einem Fremden seine Knipse in die Hand
gedrückt hat, damit er einen vor der Marienkirche ablichtet, sind irgendwie
vorbei. Enttäuscht gebe ich nach einer Stunde Kamera-im-seltsamen-Winkel-zum-Gesicht-halten
auf.  Egal. Die schönsten Erinnerungen an
den Sommer lassen sich sowieso nicht auf Bildern festhalten. Abends begebe ich
mich schließlich ins Rationaltheater zur Lesung „Den Umstehenden entsprechend“.
Präsentiert werden Texte der Schreibwerkstatt von Komparatistikstudenten der
LMU.

Donnerstag geht es dann mit meiner Mitbewohnerin Jasmin zum
Einkaufen. Die ist nämlich neu in München und braucht für die Wiesn dringend
ein Dirndl. Bei unserer Suche schauen wir unter anderem im „Aufgebrezelt“ in
Ismaning
vorbei: Da gibt es die außergewöhnlichen Dirndl der jungen Designerin
Lisa Brettel zu kaufen. Nach einem erfolgreichen Shoppingtag bin ich abends zur
Premiere von „Tommy Low Gun And The Amazing Boozehounds“ im Keller der kleinen
Künste eingeladen. Dort spielt mein Kumpel Stefan Natzel mit, der sich bei den
Proben für das Stück schon einen Zahn ausgeschlagen hat. Sein Urlaubsfoto des
Sommer: Zahnlos in der Notaufnahme. Ich bin gespannt darauf, wie seine Gebiss
nun aussieht – und natürlich auch auf die Inszenierung.

Nach einer durchzechten Premierenpartynacht kommt am Freitag Morgen auf dem Heimweg die ernüchternde Erkenntnis: Jeder Urlaub geht irgendwann zu
Ende. Dann heißt es Koffer packen. Rein in den Flieger. Ciao, bella italia.
Oder auch servus, Isar. Nur macht davon niemand ein Foto. Irgendwie hat so ein
einsamer Koffer auf dem Gepäckband des Münchner Flughafens doch nicht das
gleiche Prestige wie ein Cocktail am Tiber im Abendlicht. Und während meine
Freunde ihre Ferienapartments räumen, radle ich zur LMU. Immatrikulation für
Philosophie und Theaterwissenschaft. Ein schönes Gefühl. Und dann poste ich am
Ende der Woche doch noch ein Ferienfoto auf Facebook: Ich und mein neuer
Studentenausweis. Ganz ehrlich, ich bin stolz. Stolzer, als man auf jeden Urlaubsschnappschuss
je sein könnte.

Carolina Heberling

Foto: Conny Mirbach

Einer wie Bully

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Matthias Lang sammelte Erfahrung bei „Harry Potter“, „Two and a half men“ und „Criminal Minds“. Eine Vita, die nach Hollywood-Glamour klingt. Jetzt dreht der Filmstudent seinen Abschlussfilm

Ja, da gibt es Ähnlichkeiten. Mit Michael „Bully“ Herbig. Wie er redet, wie er aussieht. Es kommt einem irgendwie so bekannt vor. Und tatsächlich: Matthias Lang war mal Licht-Double. Licht-Double für Bully. Passt. Damals war Matthias Assistent beim Dreh der Sitcom „Bully macht Buddy“. Da hatte der Student der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) schon einiges hinter sich: „Harry Potter“, „Brides Maids“, „Two and a half men“, „Criminal Minds“. Eine Vita, die nach Hollywood-Glamour und großen Filmstars klingt. „Klar, als Filmstudent ist Hollywood der große Traum“, sagt Matthias und hört sich dabei nicht wie einer an, der eitel wird, weil er mal dabei war, bei „Harry Potter“ oder „Two and a half men“ – als Praktikant. Jetzt, Jahre später, dreht er seinen Abschlussfilm an der HFF.

Viele Menschen machen Praktika, auch beim Film. Irgendwo zwischen Werbefilmdrehs und den Rosenheim-Cops. Matthias kennt diese Jobs auch: „Ich war so der typische Set-Praktikant, der morgens um vier in irgendwelchen bayerischen Kuhdörfern Straßen absperren muss“, sagt er. Doch beim bayerischen Kuhdorf soll es nicht bleiben. Matthias, Jahrgang 1986, hat Ehrgeiz – das merkt man schon an seinem ersten HFF-Film „In Formatica“, der auf verschiedenen Filmfestivals ausgezeichnet worden ist. Von der Deutschen Film- und Medienbewertung hat er das Prädikat „wertvoll“ erhalten. Nicht selbstverständlich für eine Hochschulproduktion. 

Am Ende stand sein Namenicht mal im Abspann –
wegen der Gewerkschaft

Dann also Amerika, 2010 war das. Dort in die Filmbranche reinzukommen, ist nicht einfach, das weiß Matthias inzwischen. „Ich habe recherchiert, welche Filme gerade gedreht werden, und dann direkt Leute angeschrieben, von denen ich wusste, die sind in der Filmcrew.“ Einhundert Mails verschickt er. 20 Leute antworten. Bei vier Produktionen klappt es mit dem Praktikum. In einem Land wie den USA nicht ganz leicht, denn die Filmbranche dort ist viel stärker über Gewerkschaften organisiert als die deutsche. Wer nicht in einer Gewerkschaft ist, hat es schwer in der Branche. Matthias erinnert sich: „Die waren da alle sehr streng, deswegen ist es ein Wunder, dass ich da überhaupt hindurfte“, sagt er. Am Ende steht sein Name nicht mal im Abspann – wegen der Gewerkschaft.

Enttäuschung? Nicht bei Matthias. Viel hat er mitgenommen aus den USA. Wenn er von der Zeit dort redet, geht es oft um den Enthusiasmus, die Professionalität, mit der dort Filme gedreht werden. „Alle kennen sich mit Film wirklich gut aus – sogar der Set-Fahrer hat dramaturgisches Grundwissen“, sagt Matthias. 

Nun, fünf Jahre später, arbeitet Matthias an seinem Abschlussfilm „König Laurin“. Ein „Abenteuerfilm“ soll es werden. Im Werbejargon würde man sagen: Kino für die ganze Familie. Erzählt wird die Geschichte von König Laurin, dessen Rosengarten in den Bergen man der Sage nach sieht, wenn einem zur Dämmerung das Alpenglühen entgegenleuchtet. Matthias‘ Vorhaben ist ungewöhnlich. Ein HFF-Student, der einen Kinderfilm dreht? „Das deutsche Publikum sieht gerne seine eigene Realität im Kino“, erklärt Matthias mit Rückblick auf seine USA-Zeit, „das ist ein Phänomen, das es nur hier gibt. Oft akzeptieren die Leute dann auch nicht, wenn Deutsche Filme machen, wo in Berlin ein Ufo mit Aliens landet. Aber wenn das Ufo in New York landet, ist es natürlich absolut glaubwürdig.“ Bei Familienfilmen sei so etwas noch eher erlaubt, sagt Matthias, der für Filme wie „Die fabelhafte Welt der Amélie“ schwärmt, weil man dort eintauchen könne in eine magische Welt.

Eintauchen. Das will auch Matthias. In Südtirol soll „König Laurin“ spielen, denn dort kommt Matthias ursprünglich her. Traumhafte Berglandschaften, weitläufige Weinberge. Klingt eher nach norditalienischer Romantik als nach kalifornischer Coolness. Sein Vorhaben kommt an: Die Schauspieler Volker Zack und Rufus Beck hat Matthias für das Projekt begeistern können, Filmförderungen wie das FFF Bayern und Fernsehsender wie der BR unterstützten das Projekt finanziell. Kürzlich wurde Matthias von einem lokalen Radiosender zum „Südtiroler des Tages“ gewählt. Man ist stolz auf ihn in seiner Heimat.

Ein Film wie „Hui Buh“
oder „Wickie auf großer Fahrt“
soll es werden

Trotzdem reichte das Geld nicht zum Drehen, deswegen startete Matthias, wie so viele junge Filmemacher seiner Generation, eine Crowdfunding-Kampagne. Ein Film wie „Hui Buh“ oder „Wickie auf großer Fahrt“ soll es werden, wirbt Matthias auf der Finanzierungswebseite. Mal wieder Bully. Kein Wunder, denn Matthias und Bully arbeiten nach einem ähnlichen Prinzip, schließlich soll der Film nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene ansprechen. Matthias redet dann von „Double coding“, einer Technik, die viele Familienfilme benutzen. Während Kinder über offensichtliche Witze lachen – wenn jemand stolpert oder etwas Dummes sagt –, wird für Erwachsene mit Hilfe kultureller Anspielungen und versteckter Symboliken eine Meta-Ebene eröffnet. Erwachsene können so noch etwas anderes aus einem Film herauslesen und fühlen sich unterhalten. Funktioniert? Offensichtlich. Die Besucherzahlen für solche Filme sind gut.

Die Werbung fruchtet. Schon am ersten Tag spielt Matthias’ Crowdfunding-Kampagne 17 000 Euro ein. 17 000 Euro, die für „Ritterrüstungen“ und „irre Kamerafahrten“ ausgegeben werden. Klingt nicht nach einem jungen Mann mit Hollywood-Allüren. 60 000 Euro sind so zusammengekommen. Ein Erfolg für Matthias. Ein Erfolg nach dem Bully-Prinzip.

Carolina Heberling

Foto: Ivan Poletti

Frauenbilder

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Zerbrechlich, melancholisch, schüchtern: Die Fotos der Studentin Anne Puhlmann zeigen, dass Schönheit nicht der Norm einer Illustrierten entsprechen muss

Es gibt Tage, da mag man nicht aufstehen. Da ist man der Welt so überdrüssig, dass man sich einfach nur in seine Bettdecke einwickeln will, um ein bisschen traurig sein zu dürfen. Es sind solche kleinen Momente, die Fotografin Anne Puhlmann in ihren Fotos festhält. Da liegt ein nacktes Mädchen zwischen blau-weiß gestreiften Laken, presst den Kopf ins Kissen und schaut mit großen blauen Augen in die Welt. Zerbrechlich wirkt das, melancholisch.

Ein bisschen wie Anne selbst. Die Foto-Studentin klingt nachdenklich, fast schon ernst, wenn sie über ihre Fotos spricht. Manchmal wird ihre Stimme so leise, dass man kaum versteht, was sie sagt. „Wenn man Fotos macht, dann spielt ein Teil von einem selbst in den Bildern mit“, sagt Anne. „Fotografie ist für mich ein Mittel, Gefühle zu zeigen, die ich so nicht zum Ausdruck bringen könnte.“ Ein Foto, um Erlebtes zu verarbeiten. Eine Trennung, ein Todesfall, aber auch Alltägliches – alles kann zur Inspiration für ihre Bilder werden.

In München kann man in den vergangenen Jahren immer wieder aufstrebende Foto-Talente entdecken: Internet-Star Laura Zalenga etwa, Simon Lohmeyer, Ann-Sophie Wanninger, Christoph Schaller, Stephan Loeber – und jetzt gerade Anne Puhlmann. So viel Aufmerksamkeit schätzt sie an sich gar nicht. Lieber verschwindet die junge Frau hinter ihren Arbeiten. „Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt“, gibt Anne zu. Hinter der Kamera fühle sie sich wohler. Und doch, die Bilder erzählen etwas über sie. Da sind all diese starken und doch widersprüchlichen Frauen zu sehen: mal wütend, mal zuckersüß. Mal verrückt, mal ganz zart. „Das ist, was ich wirklich bin, entweder melancholisch oder ausgeflippt“, sagt Anne und streicht eine Strähne ihrer dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht.

Das auszudrücken gelang der jungen Fotografin nicht immer. Anne, Jahrgang 1987, ist in Rathenow aufgewachsen, einer kleinen Stadt im Havelland, 70 Kilometer entfernt von Berlin. Nach dem Abitur hat sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten gemacht, auch, weil die Eltern signalisiert haben, sie müsse was arbeiten. „Das war etwas zu trocken“, drückt Anne es höflich aus. Man könnte auch sagen langweilig. 2009 zieht sie nach Oberpframmern im Landkreis Ebersberg, einer Liebesbeziehung wegen. Im Gepäck die Frage: Was will ich eigentlich machen im Leben? Anne jobbt bei H&M, fängt an zu fotografieren. Anfangs ist es ein Hobby, „Momente festzuhalten, die man sonst vergessen würde.“ Immer mehr packt Anne die Leidenschaft für das Fotografieren, für das Erzählen von Geschichten. Sie bewirbt sich schließlich für ein Fotodesignstudium an der Hochschule München. Die Nachdenklichkeit ihrer Fotos scheint Anklang zu finden: Seit 2013 studiert Anne dort, vergangenes Jahr waren ihre Bilder bei der Ausstellung „Foto MUC“ zu sehen. Aktuell hängen Annes Arbeiten in der SZ-Ausstellung „München – eine Sehnsucht“.

Anne Puhlmann verlangt von
ihren Models keine Schönheit
oder Perfektion

Für diese Ausstellung, die noch am letzten Mai-Wochenende im Farbenladen des Feierwerks zu sehen ist, hat Anne nun die Flucht auf das Land angetreten. „Ich habe oft das Verlangen, einfach mal rauszukommen, wenn mir alles zu stressig wird“, erklärt sie. Da kann man sich schon mal nach einem warmen Tag am See sehnen, an den man vom Steg aus ganz entspannt die Füße ins Wasser hängt. „Das ist dieser Drang: Da will ich hin. Aber es kann einen auch ganz schön runterziehen, wenn es nicht klappt.“ Ewig auf dem Land hält es Anne dann doch nicht. Vergangenes Jahr ist sie von Oberpframmern nach München gezogen. Sie mag ihn doch, den Trubel der Stadt.

Doch was macht die Bilder so intensiv? Sie wolle keine „bewusst schönen“ Geschichten erzählen, erklärt die Fotografin. Schönheit lasse sich nun mal nicht durch die Körpermaße eines Models definieren. „Das ist etwas, das sich aus dem Inneren überträgt, das sieht man in den Augen.“ Deswegen sind Annes Models auch oft keine Profis. Da ist zum Beispiel ihre Freundin Marie Bruns, das Mädchen unter der Bettdecke. Die Münchnerin studiert Jura – ein größeres Gegenteil zur Fotografie gibt es kaum. Seit 2014 steht Marie häufiger auch professionell vor der Kamera. Und eben für Anne. 

Ihre Arbeit mit den Models ist etwas sehr Intimes, sagt sie. „Wenn ich eine Geschichte erzählen oder eine Emotion zeigen will, geht es auch darum, einen Menschen in seiner Art des Fühlens einzufangen.“ Und dafür brauche es Zeit. Im Vorfeld gehen manchmal viele E-Mails zwischen der Fotografin und ihrem Model hin und her, um eine Vision von der Stimmung zu entwerfen, Vertrauen zu schaffen. Beim Shooting sind dann nur Anne und ihr Model anwesend – und nicht, wie bei vielen Modestrecken, noch ein ganzes Team von Leuten.

Es ist eine Arbeitsweise, die vielleicht ein bisschen einsam macht. „Ich würde gerne im Bereich der Modefotografie arbeiten“, sagt Anne, die derzeit versucht, einige ihrer Bilder auf der Webseite der italienischen Vogue unterzubringen, „aber ich bin kein Glamourfotograf.“ Anne verlangt von ihren Models keine Schönheit oder Perfektion. Sie sagt: „Versetz dich in die Situation, in der du dich das letzte Mal so oder so gefühlt hast“, macht Posen vor, gibt viel von ihren eigenen Emotionen Preis, um ein gutes Foto zu bekommen.

Die versteckte Schönheit, die Anne zum Vorschein bringt, kommt gut an: Eine ihrer Arbeiten hat es in die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift emotion slow geschafft, auf Online-Magazinen wie Artisan, Ignant oder B-Authentic wurde schon öfter über Anne berichtet. Fast 5500 Fans hat die junge Fotografin inzwischen auf Facebook: „Eine wunderschöne Serie hast du da gezaubert“, schreibt jemand unter einen ihrer Posts. „Ich finde es wirklich so gut. Ein fabelhafter Ton und genau im richtigen Moment aus der richtigen Position abgeknipst“, lobt ein anderer User ein Foto. Die „Gefällt mir“-Daumen, die begeisterten Kommentaren – sie zeigen, dass Schönheit eben nicht der Norm einer Frauenzeitschrift entsprechen muss. Dass man als Fotografin auch sehr erfolgreich sein kann, wenn man aneckt und das Traurige, das Zerbrechliche einer Seele zum Ausdruck bringt.

Carolina Heberling

Foto: Anne Puhlmann

Tape und Tortilla

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Klebebandkünstler Felix Rodewaldt, 26, lebte zuletzt als „Artist in Residence“ in Barcelona – jetzt ist er zurück

München – Der Künstler Felix Rodewaldt, 26, fertigt Bilder und Rauminstallationen mit Klebeband. Von März bis Mai lebte er als „Artist in Residence“ in Barcelona. Für die Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ der Junge-Leute-Seite im Farbenladen ist er zurück nach München gekommen. Vergangenen Sonntag hat er sein Kunstwerk dort live geklebt.

SZ: Du warst gerade Artist in Residence in Barcelona. Wie kam es dazu?
Felix Rodewaldt: Ich habe beim Gallery-Weekend in Berlin Holger Sprengel kennen gelernt. Der hat in Barcelona die so genannte Espronceda, eine Kreativ-Location mit verschiedenen Studios und einem Ausstellungsraum für Künstler. Dorthin wurde ich eingeladen.

Und da hast du gewohnt?
Ja, mit dem Künstler Elia Sabato und zwei weiteren Künstlern, die auch auf ein Residence eingeladen wurden: Paul Pretzer und Artem Mirolevich.

Artist in Residence – das klingt nach bezahlten Ferien. Was macht man da den ganzen Tag?
Natürlich schaut man sich viel Kultur an, geht in Museen, auf Festivals und verbringt viel Zeit an der frischen Luft. Aber Ziel und Konzept der Espronceda ist es, Kunst zu produzieren – und, wenn möglich, mit den anderen Künstlern zusammenzuarbeiten, um die eigene Technik weiterzuentwickeln. Zum Ende hin soll dann auch so viel entstehen, dass es für eine gute Ausstellung reicht.

Also nicht nur Ferien.
Nicht ganz, aber mit den sommerlichen Temperaturen und dem Strand um die Ecke hat die Arbeit ein durchaus großes Vergnügen bereitet.

Du klebst Bilder. Tape sieht in Spanien jetzt auch nicht anders aus als in Deutschland. Hat dein Aufenthalt dort deine Kunst verändert?  
Die Produktionsbedingungen sind anders. Man nimmt nicht den ganzen Organisationswahnsinn von der Heimat mit und man kann sich voll auf die eigene und gemeinschaftliche künstlerische Arbeit konzentrieren – in einem fantastisch großen Raum, wo man sich gut austoben kann. Außerdem habe ich noch eine weitere Technik kennengelernt, die sich perfekt mit meiner Tape-Art ergänzt. Das wird bei meiner nächsten Ausstellung zu sehen sein.

Du bist einen Teil deines Weges nach Barcelona geradelt. Wie kam es dazu?
Ich habe langfristig vor, mit dem Rad nach Asien zu reisen. Und das war so ein kleiner Stresstest, ob ich das konditionsmäßig hinbekomme.

Nach Asien?

Ich würde gerne die Seidenstraße entlang radeln. Ich war in Indien, in der Türkei und bin immer mit dem Flieger irgendwo hingereist. Was mich auf Dauer langweilt. Ich sehe zwar die Ballungszentren, aber das Land zwischen den Flughäfen und den Hauptstädten wird nur von der Vogelperspektive aus wahrgenommen. Das Fahrrad hat da eine viel entspanntere und entschleunigte Geschwindigkeit.

Warum die Seidenstraße?

Ich finde gerade die Seidenstraße sehr spannend, da sie eine der ältesten Handelsrouten der Welt ist. Man reist durch so viele unterschiedliche Kulturen, was mich hoffentlich auch für mein Tun und Schaffen beeinflussen wird.

Du bist jetzt seit einer Woche zurück in Deutschland. Was hast du aus Barcelona mitgenommen?
Die neue Technik. Aber bevor ich das hier ausprobieren kann, muss ich erst mal Geld verdienen – ich habe schon einiges investiert, um die Zeit in Barcelona genießen zu können.

In München bist du an der Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ beteiligt. Was bedeutet für dich Sehnsucht?
Ich habe ständig Fernweh, so erfahre ich momentan eine Form der Sehnsucht. Dementsprechend bin ich ganz dankbar, dass ich schon so früh in diesem Jahr mit einem „Artist in Residence“ in Barcelona angefangen habe.

Interview: Carolina Heberling

Foto: Marcela Alves

Ein Bild von Felix Rodewaldt ist auch bei der SZ-Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ im Farbenladen des Feierwerks, Hansastraße 31, zu sehen. Geöffnet ist die Galerie an allen Wochenenden im Mai, samstags von 16 bis 22 Uhr, sonntags von 16 bis 20 Uhr.

Hin und weg

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Wen packt das Fernweh, und wer bleibt doch lieber daheim? „München – eine Sehnsucht“: Im Farbenladen des Feierwerks ergründen 15 junge Künstler auf Einladung der SZ das Gefühl dieser Stadt (Foto: Kerstin Rothkopf).

München, ein Sehnsuchtsort: Nach was sehnen sich die Bewohner dieser Stadt? Wen packt das Fernweh, und wer bleibt doch lieber daheim? In der Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ im Farbenladen des Feierwerks, organisiert von der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung, versuchen junge Münchner Künstler das seltsame Gefühl der Sehnsucht zu ergründen. Ihre Ansätze sind dabei sehr unterschiedlich – ein Überblick.

Kräftige Farben auf schweren Holzplatten – die Malereien von Catalina Jara Schenk  fallen auf. „Sehnsucht ist ein Gefühl, das mich in seiner Unbestimmtheit seit meiner Kindheit begleitet und mir als Suche nach Heimat gut vertraut ist“, erklärt Catalina, die 1991 in Santigo di Chile geboren wird. Mit acht Jahren kommt Catalina nach Deutschland, wo sie heute Medizin und Germanistik studiert. Sie beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Flüchtlingen, für die München die Sehnsucht auf ein besseres Leben bedeutet. „Im Grunde sind es entwurzelte Menschen, in denen sich mir Vertrautes widerspiegelt“, sagt sie. 

Einen weiten Weg hat auch Felix Rodewaldt, 26, hinter sich: Felix, der an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, kehrt für die Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ aus Barcelona zurück, wo er seit Anfang März als „artist in residence“ lebt und arbeitet. Arbeiten, das heißt für Felix: Kleben, denn er erstellt Bilder und Rauminstallationen aus Klebeband. Seine „Sehnsucht“ wird er am Sonntag, 3. Mai, live auf eine Wand im Farbenladen kleben.

Lorraine Hellwig, geboren 1993, nähert sich der Sehnsucht in ihrer Arbeit „Petrichor“ mit der Kamera: „Fotografie“, erklärt Lorraine, die an der Hochschule München Fotodesign studiert, „ist die Sehnsucht, Momente festzuhalten. Momente, in denen man spürt, dass das Gefühl fast greifbar ist. Und doch weiß man, dass es das niemals sein wird.“ (Foto: Lorraine Hellwig)

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Ähnlich melancholisch fasst Phaedra Richter alias Fedralita, 27, das Thema Sehnsucht auf: „Bei meiner Sehnsucht handelt es sich um den menschlichen Schmerz, wenn man nach einem Gefühl verhungert, wie zum Beispiel der
Liebe“, sagt Digital-Painterin Fedralita, die in Griechenland aufgewachsen ist. „Man sagt: Liebe dich selber. Aber reicht das wirklich? Wollen wir nicht alle gesehen und geliebt werden? Wollen wir nicht auch Liebe geben? Und wenn uns niemand die Tür dafür öffnet?“, fragt sie mit ihrem Bild.

Lion Fleischmann, Jahrgang 1987, hat sich für seine Arbeit von einem Indienaufenthalt inspirieren lassen: 2014 ist Lion, der Illustration an der Freien Kunstwerkstatt München studiert hat, vier Monate durch Indien gereist. „Sehnsucht spiegelt für mich Fernweh und Neugier auf fremde Kulturen wider“, sagt Lion, dessen farbintensive Illustrationen unter anderem bei der Kunstmesse Stroke ausgestellt wurden.

Maximilian Gutmair fotografiert, seit er 16 ist. Im Farbenladen zeigt Maximilian, 25, die Fotoreihe „Box“, bei der die Sehnsucht nach Identität und Sinn gezeigt werden soll. „Personen und Objekte werden in einem vom Künstler geschaffenen Raum in einer mystifizierten Art und Weiße porträtiert.” (Foto: Maximilian Gutmair)

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Die Sehnsucht nach Fremdem wird auch in Rita Kocherscheidts Arbeit spürbar: Die Kommunikationsdesignstudentin, 28, hat zwölf ihr unbekannte Personen durch deren Alltag begleitet. Entstanden ist eine Reihe von Porträts und Zeichnungen, die diesen Alltag dokumentieren. „Es geht dabei nicht um meine Welt oder seine. Es geht darum, durch Zeit Raum zu schaffen und die Schönheit, die in jedem Menschen steckt, zu sehen und zu zeigen“, sagt Rita.

Das Sehnen nach Freiheit greift Simon Lohmeyer in seiner Arbeit auf: Der 26-jährige Fotograf, der selbst als Aktmodel arbeitet, untersucht in seinen Fotos den Zusammenhang von Freiheit und Nacktheit. „Die Charaktere sind auf der Suche nach ihrem eigenen Ich – sie sind einerseits von einer erstickten Freude aber auch von Trieben und Lust zerrüttet“, sagt er. (Foto: Simon Lohmeyer)

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Paulina Nolte, geboren 1991, zieht es in die Ferne: „Sehnsucht habe ich oft nach anderen Orten: die Insel in Florida, auf der ich aufgewachsen bin, der Pampelmusenbaum in unserem Garten oder der Blick durch das Fenster unseres spanischen Hauses“, sagt Paulina, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert. Ihre Werke – ein Mix aus Zeichnung, Malerei und Fotografie – waren bereits bei einer Gruppenausstellung im Haus der Kunst zu sehen.

In Lila Hartigs Fotografien geht es um die Sehnsucht nach Amerika: Die 25-jährige Fotodesignstudentin hat US-amerikanische Kasernen in Bayern fotografiert. Die Soldaten, die oft nur wenige Jahre am gleichen Ort sind, sehnen sich nach Beständigkeit, nach Heimat: „Um der Heimat näher zu sein, gibt es in den Supermärkten innerhalb der Kasernen alles, was das amerikanische Herz begehrt“, sagt Lila.

Für Illustrator Jakob Hauser, 25, ist Sehnen eng mit Träumen verbunden: „Meine Arbeiten zeigen meist Motive aus meinen Träumen“, erklärt Jakob, der 2011 Teilnehmer am International Munich Art Lab war und seit 2012 Kommunikationsdesign an der Hochschule München studiert. „Durch die Zeichnungen halte ich diese Motive, die oft so flüchtig sind, fest.“ (Zeichung: Jakob Hauser)

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Georg-Christoph Maria Stadler, 25, zeigt im Farbenladen digitale Illustrationen, deren Assoziationen zur Sehnsucht vom Betrachter selbst ausgehen sollen: „Der Betrachter darf darin sehen, was er möchte. In den Arbeiten geht es vorwiegend um meinen persönlichen Werdegang, um meinen Weg nach München“, sagt Georg, ursprünglich aus Regensburg, der Kommunikationsdesign an der Hochschule München studiert.

Für Fotografiestudent Florian Tenk, 27, bedeutet Sehnen „eine Bildwelt zu gestalten, in der ich gerne leben würde – jenseits von Geschlechterrollen, Klischees, Ängsten und Scham“. 2014 hat Florian für seine Arbeiten ein Stipendium der Stadt München erhalten.

Anne Puhlmann, 28, beleuchtet in ihren Fotografien den Kontrast zwischen Stadt und Natur: „Ich habe mich mit der Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit auseinandergesetzt, mit dem Drang, dem Alltagstrubel zu entkommen, die Stadt zu verlassen und die Ruhe der Natur zu genießen, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist“, sagt Anne, die 2014 erstmals Arbeiten auf der Foto Muc ausgestellt hat. (Foto: Anne Puhlmann)

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Fotografin Kerstin Rothkopf alias Kerstins Kopf zieht es eher in die Stadt: Die 26-Jährige, die aus dem Bayerischen Wald nach München gezogen ist, sehnte sich nach der Großstadt: „Hier passiert etwas, ist was los.“ Genau das will Kerstin, derzeit Studentin an der Designschule München, in ihren Bildern zeigen: „Das ist die Sehnsucht nach purem Leben und Unabhängigkeit von alten Strukturen.“ Eine Sehnsucht, die besonders München verkörpert, weil es eben keine typische Großstadt ist, findet Kerstin.

Carolina Heberling

Neuland

Es sind schwierige Lebensbedingungen: Stefan Loeber hat für seine Bachelorarbeit Beduinen in Israel begleitet. Nun soll seine Arbeit als Buch erscheinen.

Unbekannten Boden hat vergangenes Jahr Stefan Loeber (Foto: Johannes Gerblinger), 26, betreten: Knapp ein halbes Jahr war Fotostudent Stefan in Israel, um Bilder für seine Abschlussarbeit an der Hochschule München zu machen. Für sein Projekt „Bedouin“ hat Stefan Beduinen durch ihren Alltag in der Wüste begleitet. Die Lebensbedingungen dort sind rau: Viele der Beduinendörfer werden von der israelischen Regierung nicht anerkannt, immer wieder werden die Siedlungen zerstört. Nun soll seine fotografische Arbeit auch als Buch erscheinen. Seit Anfang April sammelt er über die Crowdfunding-Webseite Startnext 2500 Euro, um „Bedouin“ in höherer Auflage produzieren zu können. „Ich habe sehr viel Arbeit in dieses Projekt gesteckt und gemerkt, wie erzählenswert dieses Thema ist“, sagt Stefan – für viele seien die Lebensbedingungen der Beduinen etwas völlig Neues gewesen. „Da gab es viele Fragen und viel Redebedarf.“ 

Das Projekt unterstützen kann man auf: www.startnext.com/bedouin

Carolina Heberling

Neuland

Für den MuVi-Preis nominiert: Musiker Occupanther hofft auf Unterstützung durch seine Fans.

Unterstützung sucht derzeit Musiker Martin Brugger alias Occupanther,  25 (Foto: Johannes Brugger): Das Musikvideo zu seinem Song „Down“ wurde für den MuVi-Preis nominiert, der bei den internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen besonders gelungene Musikvideos auszeichnet. Bis Freitag, 1. Mai, kann das Publikum online einem der elf Clips seine Stimme geben. Occupanthers Wettbewerbsbeitrag „Down“ ist ein echtes Familienprojekt – seine Freundin Laura Fries und seine Mitbewohnerin Caro Scheck haben die Kostüme für das Video gemacht, Martins Zwillingsbruder Johannes Brugger hat Regie geführt. Gevotet werden kann unter: www.muvipreis.de. 

Carolina Heberling

Neuland

Ein T-Shirt geht auf Reisen: Der Verein rehab republic schickt Klamotten durch die Welt, um auf bewussteren Konsum aufmerksam zu machen.

Eine Message haben auch die Mitglieder des Vereins rehab republic: Die Münchner setzen sich mit Aktionen wie einer Kleidertauschbörse oder einer Reparaturparty für Klamotten für einen nachhaltigeren Konsum ein. Jetzt schickt der Verein unter dem Namen „shirtaroundtheworld“ vier T-Shirts um die Welt. Die Oberteile werden von Person zu Person weitergegeben, einzige Einschränkung: Die Shirts sollen nicht extra per Post verschickt werden. Wer ein Shirt hat, soll es persönlich an jemanden weitergeben, „der für ihn selbst wertvoll ist“, erklärt Markus Mitterer (Foto: Christian Escher), einer der Gründer von rehab republic, das Prinzip. Ein Jahr sollen die Kleider die Welt bereisen und so zu einem bewussteren Konsumverhalten anregen. Die Shirts, sagt Markus, der Ende 20 ist, seien für das Projekt eigens mit Slogans wie „wertvoll“ oder „dare to share“ bedruckt worden. Wo sie gerade unterwegs sind, zeigt der Verein im Netz unter: http://shirtaroundtheworld.org

Carolina Heberling