Station 6 der Young Chinese Dogs Sofa-Tour: Hannover – Heimatstadt von Gitarrist Oliver. Über „Potluck Dinner“, einem Hund namens Muh und dem Hannoveranischen Humor.
Am späten Nachmittag fahren wir vor einer eingewachsenen Doppelhaushälfte in Hannover vor, die irgendwie aus einem Märchen zu stammen scheint. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir über die Bewohner des Hauses wieder Mal nicht mehr, als eine Anschrift und den Vornamen einer Frau, mit der ich im Vorfeld ein paar Mails geschrieben hatte. Betti, Mädchen Mitte Zwanzig mit strahlenden blauen Augen, empfängt uns herzlich und stellt uns ihre Mitbewohner vor: Ihr Vater Peter und ein jetzt überglückliches schwarzes Wollknäuel namens „Muh“. Muh ist der Hund des Hauses: etwas älter, etwas taub, aber sehr interessiert an allem was jetzt folgt.
Nachdem wir aufgebaut hatten, und Muh jede unserer Taschen nach Essbarem durchsucht hatte, trafen langsam die ersten Gäste im Wohnzimmer ein. Überall standen Couches und alte Sessel herum, die bald bis auf den letzten Platz gefüllt waren.
Der geneigte Leser weiß inzwischen, dass es keinen Young Chinese Dogs Tourblog gibt, ohne dass es ums Essen geht. Unsere Gastgeberin hatte da nämlich ein ganz clevere Idee: Jeder der Gäste musste eine Speise mitbringen, ein sogenanntes „Potluck Dinner“. So türmten sich jetzt auf einem großen Tisch vor uns gefühlt 40 verschiede Salate, Gebäcke, Haupt- und Nachspeisen auf. Band im Paradies! Wir haben natürlich ALLES probiert…. und jammern danach kollektiv über Völlegefühl. Pläne werden geschmiedet, dass wir doch jeden Abend in unserer eigenen Wohnung in München spielen könnten, wenn die Leute uns auch immer etwas zu essen mitbringen.
Wir rollen endlich auf die „Bühne“, respektive Ecke im Wohnzimmer und spielen. Mittendrin: Hund Muh. Immer wieder schläft der Gute an irgendeinem Fleck im Wohnzimmer während des Konzertes ein, und schreckt dann Mitten im Song wieder hoch. Sein Blick jedes Mal gleich: „Wo bin ich, und was wollen all diese Leute hier?“ Dann steht er auf, geht zwei Meter weiter, legt sich hin und schläft wieder ein. Hach, Hund müsste man sein. Währenddessen singen Birte und ich neue Songs, und machen viele Witze auf Kosten von Oliver, der gebürtiger Hannoveraner ist.
Wir beide hatten uns an diesem Abend vorgenommen, herauszufinden, ob denn nun alle Hannoveraner humormäßig so kühl gelagert sind wie unser Lieblingsgitarrist. Birte und ich reden gern viel Blödsinn, kugeln uns vor Lachen bei unseren eigenen Witzen, während Oliver daneben steht und absolut nicht reagiert. Birte sagt immer: „Ach Oliver, jetz lach doch auch mal!“ Olivers Antwort: „Den kannte ich schon“, oder: „Na ja, so lustig war der jetzt echt nicht!“
Es galt also herauszufinden, ob die alle so sind. Die Antwort ist: nein, sind sie nicht. Die lachen zwar auch nicht über unsere Witze, finden es aber doch lustig, wenn ich den Text vergesse und angsterfüllt dreinblicke. Hannover hat Humor. Hahaha-nnover! Und sie haben Zugabe gerufen. Laut, in dialektfreiem Hochdeutsch.
Nach dem Konzert wird noch viel geratscht oder, wie der Hannoveraner sagt, „geplaudert“ und es werden die letzten Reste des Buffets verdrückt. Wir haben so viel gegessen die vergangenen Tage. Wenn das so weitergeht, sehe ich bald aus wie Elvis in Las Vegas.
Erschöpft falle ich nachts ins Bett, und denke an den Hund Muh. Mir geht’s nämlich auf Tour auch oft so, dass ich irgendwo aufwache, mich frage: „Wo bin ich, und wo kommen all diese Leute her?“
Nick Reitmeier für Young Chinese Dogs