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Die SZ Junge Leute Spotify-Playlist im August 2019

Eine Band lässt ihre Fans 13 Jahre lang auf ein neues Album warten und veröffentlicht es dann ausgerechnet im August. Wenn alle im Urlaub sind. TOOL haben schon einen seltsamen Humor. Unsere heimischen Künstler sind da meist etwas nachsichtiger mit ihren Fans. Aber auch einige von ihnen haben während der Ferienzeit neue Musik veröffentlicht. Liebe Urlauber: freut euch, wenn ihr wieder zurück seid, denn in der Heimat war während eurer Abwesenheit einiges los. Um wieder auf den aktuellen Stand zu kommen, checkt diese Liste.

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Nachhaltiger Sonnengruß

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Anna Souvignier, 25, und Sophie Zepnik, 24, bringen Hejhej-Mats, Yogamatten aus Müll, auf den Markt.

Den Planeten verändern, das fängt klein an: Stoffbeutel für den Wocheneinkauf verwenden, den eigenen Fleischkonsum einschränken, öfter mal das Rad nehmen. Auch Anna Souvignier, 25, und Sophie Zepnik, 24, ist Nachhaltigkeit wichtig. Sie dachten lange Zeit, dass sie alles richtig machten. Wenn da nur nicht das Yoga wäre. Weil es sie stört, dass ihre Yoga-Matten aus Plastik sind, wollen sie eine Lösung für das Problem finden. Sie haben ein Start-up gegründet und bringen im Herbst Hejhej-Mats, Yogamatten aus Müll, auf den Markt.

SZ: Ihr wollt mit Yogamatten aus Müll die Welt retten?
Sophie: Die Welt retten können wir wohl leider nicht, wir möchten sie aber ein Stück weit besser und nachhaltiger machen.

Und wie?

Sophie: Pro Yogamatte können etwa 1,5 Kilogramm Müll eingespart werden. Der Müll wird für die Produktion einer Matte verwendet und bekommt somit ein zweites Leben. Wir wollen nicht, dass der Abfall dort landet, wo er nicht hingehört. Im Ozean zum Beispiel.

Ihr schafft aus Müll also einen neuen Gebrauchsgegenstand.
Anna: Die Matte kann am Ende wieder recycelt werden. Wir wollen ein Rückgabesystem integrieren, sodass ein geschlossener Kreislauf entsteht und wir aus den abgegebenen Produkten neue Matten machen können.

Der Gedanke ist dennoch abstoßend.
Sophie: Warum?

Beim Yoga liegt man manchmal mit dem Gesicht auf der Matte. Das riecht doch dann streng, oder? Die Matte ist schließlich aus Müll.
Anna: Darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Yogamatten werden aus Schaumstoffresten hergestellt, also Abfallprodukten, die beispielsweise bei der Autoindustrie übrig bleiben. Dabei handelt es sich um Schnittreste, die noch nicht benutzt wurden. Die Yoga-Matten können also bedenkenlos genutzt werden. Der Schaumstoff wird zusätzlich mit einer dünnen Schicht überzogen, damit die Oberfläche rutschfest ist. Das Produkt besteht überwiegend aus recyceltem Material, ist aber noch nicht vollkommen nachhaltig. Da wir uns momentan noch in der Prototyp-Phase befinden, arbeiten wir an diesem Punkt.

Nachhaltigkeit liegt voll im Trend.

Sophie: Ja, wir machen den Trend mit, das kommt aber nicht von irgendwo her. Wir beide haben Leadership for Sustainability in Malmö studiert. Da beschäftigt man sich mit solchen Thematiken. Und auch uns selbst liegt Nachhaltigkeit sehr am Herzen.

War das schon immer so?
Anna: Bei mir definitiv nicht. Ich habe zuerst Marketing-Management studiert. Da wird dir beigebracht, wie man Sachen möglichst billig herstellt, sie an den Mann bringt und damit viel Geld macht. Irgendwann dachte ich mir aber: Stopp mal! Kann ich nicht mehr bewirken als bloßen Profit?
Sophie: Bei mir kam das schon etwas früher, so richtig auseinandergesetzt habe ich mich mit all dem allerdings erst im Studium. Mittlerweile ist uns beiden das Thema wirklich wichtig.

Wie kamt ihr auf die Idee? Bei einer Meditation nach dem Yogakurs?
Sophie: Tatsächlich waren wir während unserer Studienzeit in einer Ausstellung mit einem nachhaltigen Thema. Es wurde auch der Aspekt der Trend-Yogis beleuchtet, die immer denken, sie wären ach so nachhaltig und sich dennoch auf Plastik dehnen und verrenken. Anna und ich hatten uns ertappt gefühlt. Als wir dann nach einer Yogamatte suchten, die bereits recycelt war, konnten wir kein solches Produkt finden. Klar, es gibt Yoga-Matten aus Kork oder Kautschuk. Das war uns aber noch nicht genug.

Hejhej-Mats startet jetzt mit Crowdfunding. Und dann?
Sophie: Das Crowdfunding wird Anfang Oktober starten. Den Onlineverkauf möchten wir im Anschluss von unserer neuen Base in München aus koordinieren.

Wieso gerade München? Leben die Menschen hier denn so ökologisch?
Anna: Wir beide haben Freunde in München. Uns gefällt die Stadt, außerdem scheint die Gründerszene hier für uns interessant zu sein. Es leben viele interessante Jungunternehmer in München.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Elina Nomade

Die SZ Junge Leute Spotify Playlist im August

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Mit etwas Verspätung,
aber pünktlich zum Wochenende, erscheint unsere Top-Playlist aus dem August.
Neben arrivierten Stars der Musikszene sind wie immer auch eine Reihe von
Münchner Künstlern vertreten, etwa Cosby oder Liann. So bleibt der Sommer vielleicht
doch noch etwas länger nördlich der Alpen!

 

Sookee – Q1

Als Sookee als Ersatzact für Antilopen Gang auf dem Chiemsee
Summer Festival auftrat (bevor es abgesagt wurde) war ich zuerst erstaunt, dass
die Berliner Rapperin live um einiges besser klang, als auf allen
Studioaufnahmen, die ich zuvor gehört hatte. Was mir dagegen schon immer
gefiel, waren die Lyrics ihrer Songs. Passend zur Bundestagswahl performte Sookee
ihren Track “Q1”. Im Gegensatz zu der Rapperin will ich das Vertrauen
in Deutschland noch nicht verlieren. Wählen ist wichtig und noch sehe ich mich
auf keiner einsamen Insel gestrandet.

Anastasia Trenkler

Cosby – Get Up

Neue Frisur, neuer Song, neues Video: Mit dem Song “Get
Up” hat die Münchner Band COSBY wieder einmal den Nerv der Zeit getroffen.
Ganz großer Elektro-Pop mit individuellem Charme!

Laura-Marie Schurer

Kings and Queens –
Heartbeat Synchronized

Die Band beobachte ich schon seit ihrer Gründung mit großem
Interesse, umso mehr freue ich mich, dass mit „Heartbeat Synchronized“ ein
weiterer Vorbote auf ein (hoffentlich) baldiges Album erscheint. Und wenn ein
solches Album hält, was die Single verspricht, dann steht uns eins von Münchens
interessantesten Releases bevor – mit dem Potential für einige Hits! Ich bin
gespannt!

Philipp Kreiter

Bear’s Den – Red Earth & Pouring Rain

Neue Bandsd kennenzulernen, die man davor nicht kannte,
gehört zu den coolsten Dingen auf einem Festival. Bear’s Den hab ich dieses
Jahr beim Frequency zum ersten Mal gehört, für gut befunden und seitdem immer
mal wieder angehört.

Serafina Ferizaj

Lola Marsh-Bluebird

Ängste zu überwinden
und an sich selbst zu glauben, wenn man eigentlich das Gefühl hat, dass nichts
so richtig klappen will, ist so eine Sache die jeder mal erlebt hat. Wie lange
darf man Träume haben? Und wie lange darf man sich von seinen Ängsten aufhalten
lassen? Für alle, die in diesen Tagen mit den großen und kleinen Monstern im
Leben zu kämpfen haben: dieser Song von Lola-Marsh aus Tel Aviv ist für euch. In diesem Sinne: To be free from my
fears is the only wish I have.

Ornella Cosenza

Liann – Peter Pan

Liann holt mich raus aus der schmalzigen Glückseligkeit
endloser Sommertage. Weckt in mir Vorfreude auf Teetasse und Kamin, auf
Nachdenken und Vermissen. Und auf Konzerte natürlich!

Louis Seibert

 

petra und der wolf –
Breakfast Dinner Lunch

Eingehüllt in so ein
Gefühl, eine Erinnerung, in der man sich treiben lassen möchte, wenn Sommer der
Zustand bleibt, in mir drin, egal welche Jahreszeit gerade ist. Diese
Erinnerung – wenn ich petra und der wolf höre – ist eine an Gewitter,
pitschnasse Kleidung, vor allem aber an eine ganz große Befreitheit, das Öffnen
von Welten und der Feststellung, dass alles gerade sehr glücklich ist.

Jana Haberkern

Faber – Bleib dir
nicht treu

Ich bin umgezogen. Neue Wohnung, neue Gegend, neue Möbel vom
Schweden, die es aufzubauen gilt. Mein Soundtrack beim Kistenschleppen: Das
Album „Sei ein Faber im Wind“ von Faber. Wir hängen Bilder auf und im
Hintergrund singt ein junger Mann: „Wenn du dann am Boden bist, weißt du, wo du
hingehörst.“ Irgendwie mag ich das. Traurige Stimme, dazu absolut destruktive
Texte. Stellvertretend für das ganze Album sei deshalb hier der
Anti-Motivations-Song „Bleib dir nicht treu“ empfohlen.

Carolina Heberling

Portugal. The Man – Live In The Moment

Klausurenphase. Ich am Lernen. Im Hintergrund: Irgendeine
Spotify-Playlist, die schon längst aus ist, und jetzt vom Algorithmus
generierte Lieder auf Shuffle laufen. Doch dreimal muss ich aufschauen, das
Lernen unterbrechen: Der Song gefällt mir, was ist das? Dreimal ist es ein Song
vom neuen Album von Portugal. The Man. Muss gut sein, die Scheibe, denke ich
mir. Ist gut, stelle ich fest. Besonders Live In The Moment.

Max Mumme

Käptn Peng und die
Tentakel von Delphi – Gelernt

Zugegeben, Käptn Peng kann man nicht immer hören. Manchmal
will man sich von Musik einfach nur berieseln lassen und nicht nachdenken
müssen. Das ist mit der Musik von Käptn Peng praktisch unmöglich. So geht es
mir zumindest. Dieser Mann ist ein Sprachgenie und legt seine Worte direkt in
die offene Wunde: „Wir sind ein Wunder, doch behandeln uns wie ein Produkt und
sind enttäuscht, weil jeder nur auf unsre Packung guckt.“

Jacqueline Lang

Vladimir 518 – Fakta
a fikce

Karel Svoboda und Antonín Dvořák – das war alles, was mir beim
Stichwort „tschechische Musik“ spontan einfiel. Traurig eigentlich, gerade für
eine Halbtschechin. Höchste Zeit also, mich mal mit der Musikszene in
Tschechien zu beschäftigen. Dabei bin ich auf das neue Album „Ultra! Ultra!“
des Rappers Vladimir518 gestoßen, das ich seitdem rauf und runter höre. Mein
Lieblingstrack: „Fakten und Fiktion“.

Anna-Elena Knerich


Parov Stelar ft. Anduze – Beauty Mark


Parov Stelar geht immer. Oft ganz wunderbar tanzbar, hier eher ungewohnt seicht und nachdenklich. Vielleicht liegt dieser Wandel im Stil an dem amerikanischen Soul-Sänger Anduze, mit dem sich der DJ aus Österreich für dieses Lied zusammengetan hat. Parov Stelar kann also auch schön soulig!

Amelie Völker


Foto:
Victoria Schmidt

Fremdgänger: Der Prinz und mein Pyjama

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In Oxford kann es schon mal vorkommen, dass Prinz Charles dem neuen College-Café einen Besuch abstattet. Unsere Autorin zeigt sich jedoch, im Gegensatz zu ihren aufgescheuchten Kommilitonen, unbeeindruckt vom großen Hype.

Ich bin ein Stubenhocker. Und ein Stalker. Mein College-Zimmer befindet sich im Erdgeschoss, weitab von Türen-schlagenden Mitbewohnern und nächtlichen Küchenpartys. Und die einzige Ruhestörung, der ich regelmäßig ausgesetzt bin, ist das Rattern der Waschmaschine im Zimmer über meinem Bett. Ich mag die Stille und die Tatsache, dass ich in meinem Zimmer im Pyjama am Schreibtisch sitzen und meinen Masterarbeit-Rhythmus abseits fremder Augen gestalten kann. In Bibliotheken gehe ich schon lange nicht mehr. Die sind in Oxford zwar atemberaubend schön, jedoch unruhig und überfüllt.

Neuerdings lässt mein Fenster zudem uneingeschränkte Blicke in das kürzlich eröffnete College-Café – den Hub – zu, weshalb ich mich in Momenten abschweifender Gedanken in der Position des heimlichen Beobachters wiederfinde. Natürlich, es könnte als voyeuristisch ausgelegt werden, zu wissen, wer wann Kaffee trinken geht und wer mit wem am Tisch sitzt. Allerdings manifestiert sich in diesem Raum zwischen meinem Zimmer und dem Hub auch die märchenhafte Absurdität des Lebens in Oxford.

Meine Pyjamahose ist grau mit kleinen schwarzen Herzen. Eigentlich denke ich über Postkolonialismus und Solidarität nach, als ich bemerke, dass Jasmine, eine meiner besten Freundinnen, am Fenster des Hubs sitzt. Den ganzen Vormittag über ist mir schon überdurchschnittliche Geschäftigkeit aufgefallen – von Besuchern bis hin zu Küchenpersonal, das fieberhaft Tassen von einem Ende zum anderen getragen hat. Ich schicke Jasmine eine Whatsapp-Nachricht. Die Antwort erfolgt den Bruchteil einer Sekunde später. In Großbuchstaben. „PRINCE CHARLES IS COMING! GET OVER HERE. NOW.“

Ich starre kurz auf die Herzen auf meiner Hose. Prince Charles. So etwas passiert in München nicht. Die berühmteste Person, die ich dort einmal zufällig gesehen habe, war Jürgen Vogel, oder vielleicht auch nur jemand, der so aussah wie Jürgen Vogel. Ich greife nach dem erstbesten gesellschaftsfähigen Outfit und haste zum Hub. Jasmine umklammert ihr Handy wie einen Rettungsanker und schickt ihrer Mutter in Kanada minütliche Updates. Als dann der britische Thronfolger den Raum betritt, beginnt ein regelrechtes Snapchat-Gewitter.

His Royal Highness bekommt eine Tasse Earl Grey eingeschenkt, dann werden ihm die wichtigsten Personen vorgestellt. Der Anlass des Besuchs ist das Gebäude, in dem wir uns befinden, da es sich um das erste Passivhaus in Oxford handelt, mein College ein Vorreiter im Gebiet des energiefreundlichen Wirtschaftens ist und Prince Charles sich gerne als Umweltfreund präsentiert. Er spricht mit einigen Studierenden, erkundigt sich, wie Oxford gefällt. Nachdem Jasmine ihm die Hand geschüttelt hat, sieht sie mich an und formt mit dem Mund die Worte „OH MY GOD“.

Ich frage mich, warum ich mein Handy nicht wie einen Rettungsanker umklammere, sondern lediglich mit leicht amüsiertem Interesse sowohl die Aufregung meines Umfeldes als auch die erstaunlich großen Hände des potenziellen Königs betrachte. Vielleicht stumpft Oxford mich ab. Vielleicht habe ich mich schon zu sehr daran gewöhnt, dass es hier möglich ist, Berühmtheiten wie einem waschechten Prinzen oder auch Bernie Sanders die Hand zu schütteln – unter Umständen sogar im Pyjama. Vielleicht ist es aber auch das Bewusstsein, dass die Tatsache, dass ich sie treffen durfte, zwar mit Sicherheit eine gute Geschichte abgeben wird, aber nichts daran ändert, dass ich eine halbe Stunde später wieder im Pyjama an meiner Masterarbeit schreiben werde.

Text: Theresa Parstorfer

Foto: Privat

Zeichen der Freundschaft: Tag, Nacht und Abenddämmerung

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Unsere Autorin hat das Gefühl, immer weniger mit ihren zwei besten, langjährigen Freundinnen gemeinsam zu haben – fühlt sich jedoch so wohl wie eh und je in ihrer Gesellschaft. Das Eine schließt eben das Andere nicht aus.

„Und, wie findet ihr das?“, fragt Michelle und schaut uns mit vor Begeisterung leuchtenden Augen und vor Freunde aufgerissenem Mund an. Wir sind in irgendeinem H&M-, Zara- oder Pimkie-Laden am Berliner Kudamm. „Das sieht aus wie eine Tischdecke“, sagt Caro, die bei Kleidung hohe Ansprüche hat, man könnte sie fast schon als Mode-Nazi bezeichnen, während ich versuche, zu überspielen, dass mir das alles eigentlich total egal ist und ich hoffe, dass unser Shopping-Tag endlich bald vorbei ist. Ich bestärke Michelle darin, das zu tragen, was sie will und nicht auf andere zu hören, schon gar nicht auf Caro, die inzwischen schon genervt mit den Augen rollt.

Während beide noch die Pro und Kontras des vielleicht bald neuen Kleids von Michelle diskutieren, denke ich darüber nach, wie wir hier gelandet sind. Die beiden sind schon seit der Schulzeit meine besten Freundinnen und ich konnte viele erste Male meines Lebens mit ihnen teilen: meinen ersten Liebeskummer, meine erste schlaflose Nacht aufgrund eines schrecklichen Horrorfilms, mein erstes Mal in einem Club, bei dem wir offiziell eigentlich nur bei einer Pyjama-Party bei Michelle Zuhause waren.

Ein paar Stunden später wollen wir, nachdem wir auf einem Konzert einer meiner Lieblings-Alternative-Rock-Bands aus New York waren, ein bisschen Berlin erleben und gehen natürlich in einen Techno-Club. Keiner gefällt das so richtig außer mir, und so finde ich mich nur ein paar Stunden später nach vielen Bier und langen Diskussionen um 4 Uhr morgens mit Caro am Rand im Matrix-Club wieder, bekannt aus der Serie “Berlin Tag & Nacht", und wir schauen Michelle kopfschüttelnd beim Tanzen und Grölen zu.

So viel uns damals miteinander verbunden hatte, heute sind wir umso unterschiedlicher. Während Michelle und ich inzwischen kaum noch etwas gemeinsam haben, fast schon wie Tag und Nacht sind, findet sich Caro irgendwo in der Mitte, ich würde sie als Abenddämmerung bezeichnen.

Was uns heute noch verbindet, ist nicht mehr die Liebe zur gleichen Musik, zu den gleichen Filmen oder die gleichen Hobbys. Heute ist es eine Vertrautheit, die uns zusammenhält, sich miteinander wohl zu fühlen, alle Sorgen hemmungslos teilen zu können und sich ohne Probleme auf liebevolle Art und Weise übereinander lustig zu machen. Wir kennen unsere Fehler, wir sagen uns alles ehrlich ins Gesicht.

Manchmal, wenn wir so zusammen sitzen, dann können Caro und ich uns nur lachend anschauen, während Michelle uns gefühlt wieder von jeder einzelnen Sekunde der letzten Party mit ihren neuen Freunden aus der Uni erzählt. Wir unterbrechen sie nur, um irgendeinen blöden Kommentar einzuwerfen. An solchen Abenden finde ich es schön, zusammen rumzublödeln ohne sich Gedanken zu machen, wie peinlich und kindisch wir von außen wirken könnten. Ich fühle mich irgendwie einfach wohl, irgendwie sorgenlos, irgendwie vertraut, irgendwie so, als wäre ich wieder 16.


Text: Gabriella Silvestri

Foto: Yunus Hutterer

Die SZ Junge Leute Spotify Playlist im Februar 2017

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Diesen Monat haben
unsere Autoren wieder eine bunte und internationale Song-Mischung für Euch
zusammengestellt. Sei es der funky Oscar-Hit, melancholische Indie-Musik eines
brillianten Junkies oder Munich Locals, Abwechslung wird dieses Mal groß
geschrieben!

 John Legend – Start A
Fire

Es gab schon lang keinen Film mehr, der mich so fasziniert
hat wie La La Land. Und damit bin ich wohl nicht allein – sechs Oscars und der
“Beste Film” der Herzen sprechen für sich. Und auch im Soundtrack des
Films reiht sich ein Ohrwurm an den anderen. Doch obwohl vor der Academy ein
anderer Song besser wegkam, für mich als Funk- und Soul-Liebhaber gibt es nur
einen: “Start A Fire” des US-amerikanischen Soul-Sängers John Legend,
der im Film sogar eine Nebenrolle besetzt. Der Song wartet mit allem auf, was
das Funk-Arsenal zu bieten hat: fette Bläsersätze, mehrstimmiger Background-Gesang
und ein Synthesizer-Solo, das Keyboarder-Herzen höher schlagen lässt. Nur eins
gibt‘s auszusetzen: die Nummer ist viel zu schnell wieder vorbei.

Maximilian Mumme

 

Lewis Del Mar – H.D.L.

Der Song passt zu fast jeder Stimmung, macht gute Laune und
läuft bei mir rauf und runter. Lewis Del Mar sind ein Duo aus New York, das
seit 2015 zusammen Musik macht. Der Song stammt von ihrem Debütalbum, das insgesamt
auch wirklich hörenswert ist.

Antonia Franz

 

Little Simz, Chuck20, Josh Arce’ – 3000x

Schon Mac Millers “Watching Movies” fand ich
super, vor allem das Video dazu. Doch in “3000x” rappt die
talentierte Little Simz über Mac Millers Beat und zeigt einmal mehr, dass auch
Frauen rappen können – Hammer!

Lena Knerich

 

Loyle Carner –
Damselfly

Ich bin verliebt. In Loyle Carner und seine Musik. Der junge
Brite hat Anfang Januar sein Debütalbum Yesterday’s Gone herausgebracht, hat es
in die UK-Charts geschafft und auch in Deutschland wird er als neue Hoffnung im
Hip Hop gefeiert. Sein Stil erinnert manchmal ein bisschen an die 90er,
manchmal sind Elemente aus Jazz und Soul dabei. Das Album läuft bei mir rauf
und runter. Es gibt einfach keinen Track, der mir nicht gefällt. Damselfly ist
eher ruhig, macht gute Laune, lässt mich träumen und passt zu den ersten
Sonnenstrahlen im Frühling. Im März kommt Loyle Carner für ein Konzert nach
München und bis dahin hilft mir sein Album dabei die Schmerzen meiner
Weisheitszahn-OP zu verdrängen.

Ornella Cosenza

 

Fatoni – Authitenzität

Besonders seit dem ich Fatoni im vergangenen Monat endlich
auch einmal live gesehen habe, bin ich ein großer Fan von seinem Track
“Authitenzität”. Der Song trägt eine starke Botschaft und auch
musikalisch macht er gut was her.

Anastasia Trenkler

 

Tocotronic – Harmonie
ist eine Strategie

Es gibt Ohrwürmer, die wird man niemals los. „Where is my
mind?“ von den Pixies zum Beispiel. Oder „Katzen brauchen furchtbar viel Musik“
aus Aristocats. Und wenn so ein Lied dann einmal im Kopf ist, verfolgt es
einen. Über Stunden. Über Tage. Über Wochen. Ganz oben auf meiner
Dauerohrwurmliste: „Harmonie ist eine Strategie“ von Tocotronic. Gott sei Dank
ein richtig guter Song! Nur singe ich ihn dann auch dauernd. Zum Leidwesen
aller. Die einzige Therapie dagegen: Immer wieder anhören.

Carolina Heberling

 

Air – Les
professionnels

Ein Song, der mir sehr am Herzen liegt. Höre ich immer, wenn
ich zu meiner Freundin nach Paris fliege.

Lukas Haas

Sam Gellaitry – Long Distance

“She talk to me, And I talk to she, But the day is
coming now we must meet personally” –
Das Bild eines Jamaikanischen Rastafaris, das der Reggae-Slang des
Sängers erzeugt, passt so gar nicht zu der Vorstellung einer modernen
Internetbekanntschaft.

Hubert Spangler

 

Whitney  – Dave’s Song

Diese vor Selbstzweifel taumelnde Ballade lässt mich einfach
nicht mehr los. Klackernde Gitarren und der aufrichtige Text lösen jenen
dezenten Gefühlstornado aus, der mich auch immer wieder auf dem Heimweg einer
berauschten Nacht heimsucht. Von trauriger Melancholie berauscht lässt einen
der Refrain zurück- ein Gefühl nach dem man süchtig werden könnte.

Louis Seibert

 

Rag’n’Bone Man –
Human

Der Song “Human” von Rag’n’Bone Man trifft mit
einer Mischung aus Beats, Soul und Blues nicht nur den modernen Zeitgeist,
sondern auch mitten in die Seele. Ein wehmütiger und nachdenklich stimmender
Song gegen den Weltschmerz und das Mensch-Sein.

Laura Schurer

 

Pete Doherty – I Don’t Love Anyone (but You’re
Not Just Anyone)

Als langer und treuer Pete-Fan hab ich mich riesig gefreut,
dass er endlich nach München kam. Daher hab ich mir vor und nach dem
Konzert  sein Album “Hamburg
Demonstrations” (das live viel besser ist als die Studioversion) rauf und
runter gehört. Mit “I Don’t Love Anyone” hat er das Konzert
eröffnet-ziemlich breit, wohlgemerkt. Trotzdem (oder vielleicht auch deswegen?)
hat er eine richtig coole Version gespielt. Seitdem begleitet mich von dem Lied
ein Ohrwurm…

Serafina Ferizaj

 

The xx – Replica

Viereinhalb Jahre mussten Fans von The XX auf ein neues
Album der Band warten. Dafür wurde „I See You“ das wohl beste der drei Alben
bisher. Manchmal ein bisschen lauter und elektronischer als zuvor, aber die
gewohnten Gänsehaut-Duomomente bleibe trotzdem erhalten – zum Beispiel in „Replica“.
Musik wie ein frischgemachtes Daunenbett, bereit zum Hineinfallen lassen.

Elisabeth Kagermeier

 

Vancouver Sleep
Clinic – Vapour

Was passiert, wenn junge Menschen mit Sigur Ros und Bon Iver
groß werden. Sie wollen Musiker werden und Musik machen, mit der Menschen am
liebsten einschlafen. Echt wahr. Sagt der Sänger von Vancouver Sleep Clinic und
singt dann Sachen wie: Where my heart is there’s never a home. Schön. Im April
kommt ihre erste Platte. Und ich höre es mir an, wenn ich aufwache.

Michael Bremmer

 

Ria Mae – Ooh Love

Eigentlich ist es ganz einfach: Gute Bands haben meistens
auch gute Vorbands. Diese These wurde letztens erst wieder auf dem Tegan &
Sara Konzert in der Muffathalle bewiesen. Meine Neuentdeckung im Monat Februar
heißt deshalb auch Ria Mae, eben jene Vorband an diesem wunderbaren Abend. Und
Ooh Love läuft seitdem bei mir in Dauerschleife!

Jacqueline Lang

 

The Growlers – Night Ride

Ganz wie der Name der Band es vermuten lässt, sind The
Growlers manchmal ganz schön grantig. Die heisere Stimme vom Frontman verstärkt
diesen Eindruck nur. “Night Ride” ist eher untypisch, sehr melodisch,
aber vertraut tiefgründig – “alone with your thoughts, while your friends
are still in night clubs. over and over, and over, again. and in the end,
nothing will ever change.” Großartig.

Matthias Kirsch

 

The Living – The Person I Have Once Been

Wer The Living schon länger kennt, kann gar nicht anders,
als eine signifikante Entwicklung zu bemerken: Sie werden einfach immer besser.
Es macht verdammt viel Spaß, auf jedem Konzert wieder neu begeistert zu sein
und zu sehen, wie die junge Münchner Band immer sicherer ihren eigenen Stil
findet. Erst letzte Woche live gehört, ist „The Person I Have Once Been“ immer
noch ein Ohrwurm.

Marina Sprenger

 

Xavier Darcy – Last Days of Rome

Xavier war für mich die erste Entdeckung unserer
Farbenladenausstellung vor zwei Jahren, als er noch alleine mit Akkustik-Gitarre
und einer einzelnen EP in einer Papphülle unterwegs war. Schon damals war ich
von der kraftvollen Stimme begeistert und habe seine Entwicklung immer sehr
genau verfolgt. Jetzt ist sein Album erschienen, von dem mir besonders der
Closer gefällt, denn das hymnische „The Last Days of Rome“ erzeugt auf
Konzerten immer eine tolle Stimmung und demonstriert nochmal die ganze Power von
Xaviers Stimme. Schön!

Philipp Kreiter

Mal kurz die Welt retten

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Philipp von der Wippel, 20, studiert in Oxford Politik, Philosophie und Wirtschaft. Nebenbei unterstützt der Münchner Start-ups – und will die Gesellschaft verändern. Mit
Zuhör-Runden.

Von Theresa Parstorfer

Ein kurzes Gebet auf Latein, allseitiges Stuhlrücken und das Essen kann beginnen. Es ist Freitag, 19.15 Uhr, in der „Formal hall“ im St. Johns College in Oxford. Kellner in weißen Hemden tragen die Vorspeise auf: Linsensuppe. Seit mehr als einem Jahr gehören diese formellen Abendessen inklusive Anzug und Krawatte, Kronleuchtern und ehrwürdigen Speisesälen zum Leben von Philipp von der Wippel, 20. Er studiert im zweiten Jahr PPE, das steht für Politics, Philosophy und Economics. Das ist der Studiengang britischer Premierminister. David Cameron zum Beispiel.

Politiker möchte Philipp jedoch eigentlich nicht werden. Ihm gefällt das „wie“ der Politik nicht. Allerdings hat er auch nicht allzu viel für eine reine „Anti-Haltung“ übrig. „Ich glaube, man muss das System erst einmal so annehmen und akzeptieren, wie es ist, und dann überlegen, wie man von A nach B kommen kann, was nicht funktionieren wird, wenn man ausschließlich kritisiert, ohne konstruktiv zu denken“, sagt Philipp. Außerdem seien derzeit „Teile unserer Gesellschaft emotional verloren“. Und deswegen hat er nun begonnen, die Welt zu retten.

Das hat Philipp natürlich nicht gesagt – aber ganz vereinfacht lässt sich das so zusammenfassen. Wenn Philipp redet, hebt er seine großen, feingliedrigen Hände und drückt die Finger aufeinander, als würde er nach unsichtbaren Fäden greifen. Als würde er die Gesellschaft wieder zusammendrücken wollen, an den Stellen, an denen sie auseinanderdriftet.

Alles begann mit der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Das Ergebnis bezeichnet er als „Paukenschlag“, aber auch als „Symptom“, als „Variable“. Einen Facebook-Post verfasste Philipp am Morgen, nachdem sich die Realität, dass Donald Trump 45. US-Präsident sein würde, in den sozialen Netzwerken manifestierte, denn „diesen Moment müssen wir ausnutzen. Jetzt wachen die Leute auf. Jetzt sind sie bereit, etwas zu tun.“ Es geht ihm darum, jetzt gerade nicht in Stigmatisierungen zu verfallen, sondern zu vereinen.

„In der Demokratie der Zukunft darf es nicht um das lauteste Schreien oder nur die Massentauglichkeit der Botschaften gehen – das ist seit heute klarer denn je. In diesem Sinne lasst uns gemeinsam planen, was jeder Einzelne von uns tun kann“, stand in seinem Post und die daraufhin gegründete Whatsapp-Gruppe „Democracy of the Future“ umfasste nach den ersten Stunden bereits mehr als 100 Mitglieder. Mittlerweile sind es mehr als 250 Mitglieder, und es bilden sich regionale Untergruppen – eine etwa in München.

Vergangenen Mittwoch fand das erste Treffen der Münchner Gruppe unter Leitung von Simon Böhm statt. Philipp war auch anwesend und hofft, mithilfe dieses Impulses in den verschiedensten Ländern, in den verschiedensten Städten „Menschen an einem Tisch zusammenzubringen, die sich aktuell gegenseitig meiden und die sich gegenseitig nur noch über Medien verurteilen“. 30 junge Menschen kamen, vorwiegend Studenten, alle Anfang bis Mitte 20. Im Mittelpunkt des Abends stand das Zuhören. Jeder hatte die Gelegenheit, seine Meinung zu einem bestimmten Thema einem Gesprächspartner zu vermitteln, der nur zuhören durfte – ohne seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. Nach dem Abend berichteten Teilnehmer davon, als wie schön und erfrischend sie es empfunden hätten, wenn einem ehrlich zugehört werde. Anstatt sich bei Demonstrationen gegenseitig anzubrüllen, stellt sich Philipp diese Zuhör-Runden als Orte der politischen Begegnung vor.  

In den lokalen Gruppen soll man sich außerdem, so Philipps Idee, Gedanken darüber machen, wie Gesellschaft anders gestaltet werden könnte. Philipp spricht von Initiativen, die auf einfache Art und Weise Unterschiede und Vorurteile überkommen könnten. Altersheime und Kindergärten zusammenlegen ist eines seiner Beispiele.

Wenn Philipp von Berlin
schwärmt, dann nicht wegen
Berghain, Spätis und Subkultur

 Philipp hat Erfahrung damit, Impulse zu geben und Strukturen zu schaffen. Vor ein paar Jahren hat er „Project Together“ gegründet, eine Initiative, die Start-ups junger Menschen über einen Zeitraum von vier Monaten betreut. Damals hatte er noch nicht einmal Abitur. Und als er es dann hatte, bot ihm die BMW-Stiftung in Berlin eine Stelle an, um sich ein Jahr lang ausschließlich um „Project Together“ zu kümmern und ein professionelles Unternehmen daraus zu machen. Damals hatte er sich nach einem zweimonatigen Backpack-Trip durch Südamerika noch schnell während des Rückflugs über sein Handy eine WG in Berlin gesucht. Bei der Erinnerung lacht er. „Heute würde ich da nicht mehr hinziehen, aber ich habe tatsächlich lediglich geschaut, welche Wohnung den kürzesten Weg zum Büro hatte“, sagt er. In der Habersaathstraße landete er, zwischen Wirtschaftsministerium und dem neuen BND-Gebäude. „Die besten Nachbarn“, sagt er. Wieder lacht er, leichte Zweifel an der Ironie entstehen dennoch. Denn wenn Philipp von Berlin schwärmt, dann nicht wegen Berghain, Spätis und Subkultur, sondern „wegen der Nähe zu politischen Ereignissen“ und den Menschen, die er dort getroffen hat, den Kontakten, die er knüpfen und die Arbeit, die er leisten konnte.

Es sei es eine gewisse Herausforderung gewesen, Unterstützer von der Glaubwürdigkeit zu überzeugen, wenn der Altersunterschied so groß ist. „Du musst immer ein bisschen härter und auch ein bisschen besser arbeiten als jemand, der vielleicht schon zehn Jahre mehr Erfahrung hat, nur um den Vertrauensbonus auszugleichen,“ sagt Philipp. Auch der Erfolg der von Project Together betreuten Projekte spricht für sich. Frederic Meyer-Scharenberg, 27, ist Mitglied eines Münchner Gründerteams von „Crowd-guard“, einer in nächster Zeit auf den Markt kommenden App, die sich für Zivilcourage und Sicherheit einsetzt. „Wir hätten das vielleicht auch ohne Project Together geschafft, aber es ist schon sehr viel schneller und strukturierter abgelaufen“, sagt Frederic.
 Philipp liest Kant, Marx, Nietzsche und er verwendet Worte wie „Synergien“ und „Überbau“ und „Derivat“. Ein weiteres Projekt, das sich mit der Frage nach gesellschaftlicher Gestaltung beschäftigt, ist ein Buch, in dem ein bestimmtes Ereignis oder eine gesellschaftliche Situation aus 16 verschiedenen Blickwinkeln beschrieben werden soll. „Auch wenn es natürlich gefährlich ist, ‚Populismus‘ als Begriff zu benutzen, so denke ich doch, dass es wichtig ist, auch Menschen mit sehr anderen politischen Ansichten zu erreichen, ihren Sorgen ernsthaft zuzuhören und dadurch gegenseitiges Vertrauen zurückzugewinnen. Ohne dieses Vertrauen stehen wir uns gegenseitig im Weg und können keinen gesellschaftlichen Fortschritt erzielen“, sagt Philipp. Jetzt muss das Buch nur noch geschrieben werden, doch das scheint Philipp nicht zu beunruhigen – trotz zweier Essays pro Woche, trotz der Arbeit für Project Together, für die er immer wieder übers Wochenende nach Deutschland fliegt.

Ob ihm manchmal die Kraft ausgeht? Er überlegt. Der „Workload“ sei viel, natürlich, aber eigentlich lebt er genau das Leben, das er leben möchte. Er nennt das „Flow“, „Drive“, „Call“ – das „sich lebendig fühlen“, wenn man merkt, dass man die Chance und vielleicht auch die Verantwortung hat, jetzt etwas zu verändern.

Mutter Afrika

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Für einen Freiwilligendienst geht Valerie Seitz nach Äthiopien. Anfangs fühlt sie sich dort gar nicht wohl, doch nach einer Reise mit ihren Eltern und ihrem Freund Abiy beschließt sie zu bleiben. Mit dem von ihr gegründeten Verein Enat Ethiopia will sie nun den Öko-Tourismus im Land fördern.

Ferengi. Das bedeutet auf Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens: Weiße, Ausländer. Mit ihren blonden Engelslocken und den Sommersprossen auf der Stupsnase kann Valerie es ohnehin nur schwer verbergen: Sie kommt nicht aus Afrika. Und fühlt sich dort doch so angekommen. So sehr, dass sie einen gemeinnützigen Verein gegründet hat und dort hinziehen wird, obwohl sie zu Beginn eigentlich nur wieder weg wollte. Eine Geschichte über Liebe auf den zweiten Blick.

Nach ihrem Abitur 2014 entscheidet sich die Münchnerin Valerie Seitz, 19, zunächst für einen Freiwilligendienst. Ein halbes Jahr reicht ihr, weshalb sie bei einer Organisation in Äthiopien landet, die auch halbjährige Volontariate anbietet. „Ich wollte schon immer nach Afrika“, sagt Valerie. Äthiopien hingegen war reiner Zufall. 

Die kleine Hilfsorganisation bei der sie in der Hauptstadt Addis Ababa arbeitet, organisiert AIDS- und HIV-Aufklärungsprojekte. Oder zumindest soll Valerie das mit Beiträgen auf der Homepage belegen. Sie selbst sagt, dass vieles gar nicht stattgefunden hat und sie sich für falsche Zwecke benutzt fühlte. Nach der Hälfte der Zeit will Valerie ihre Koffer packen. Ihre Eltern kommen sie besuchen und nach einer gemeinsamen Reise zusammen mit ihrem äthiopischen Freund Abiy will sie eigentlich zurück nach Deutschland. Doch es kommt alles ganz anders, und Valerie beschließt zu bleiben. Denn sie hat sich verliebt. In Abiy im Speziellen und in Äthiopien im Allgemeinen. 

Mit neuem Elan entwickelt Valerie nun selbst Ideen, um den Menschen vor Ort zu helfen. „Das Bild, das wir von Äthiopien haben, stimmt überhaupt nicht“, sagt Valerie, die einen dicken Schal um den Hals geschlungen hat, wie er in Äthiopien üblich ist. Nicht jedes kleine Kind hat einen dicken Bauch, weil es unterernährt ist, und Äthiopien ist nicht nur rote Erde. Trotzdem herrscht große Armut. Valerie kann nicht länger wegsehen und will handeln.

Als ihr Vater an seinem Geburtstag einen Spendenaufruf startet, kommt genug Geld für Uniformen zusammen, die Kinder brauchen, um in die Schule gehen zu dürfen. Außerdem baut Valerie einen alten Hühnerstall zu einem kleinen Computerraum um. Im Juli 2015 gründet sie mit anderen Ehrenamtlichen aus Deutschland und Äthiopien den Verein Enat Ethiopia. Enat bedeutet im Amharischen so viel wie Mutter oder Unterstützerin. So sieht sich die zierliche Valerie, die vorsichtig an ihrem Kamillentee nippt: Als Unterstützerin der weniger Privilegierten. 

Bildungsprojekte sind das vorrangige Ziel des Vereins. Die ersten Paten aus dem weiteren Bekanntenkreis sind schnell gefunden. Finanziert werden mit nur 20 Euro im Monat Schulgeld, alle benötigten Materialien und falls ein Bus fährt, auch der Transport. Finanziert werden aber auch Einzelschicksale wie das eines 13-jährigen Mädchens, das an Inkontinenz leidet. Aufgrund ihrer Krankheit wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Enat Ethiopia findet eine Patin und kann das kleine Mädchen in einem Krankenhaus behandeln lassen.

Als Valerie nach sieben Monaten ihre neue Heimat Äthiopien verlassen muss, weil sie ihr Visum nicht mehr verlängern kann, ist eines gewiss: Sie will nicht „weitermachen, als wäre nichts gewesen“. Dementsprechend schwer fällt ihr auch die Rückkehr nach Deutschland. Ohne es richtig zu bemerken, kritisiert sie ihre Eltern für deren Lebensstil. Im Vergleich zu dem Leben, das sie aus Äthiopien kennt, scheint alles nur so vor Überfluss und Verschwendung zu strotzen. Sie verkriecht sich in das alte Gewächshaus in Giesing, in dem sie als kleines Kind mit ihrer Familie eine Zeit lang gelebt hat. Über ihrem Kopf raschelt es, weil Vögel über das Glasdach laufen und es riecht nach feuchter Erde. Heimat?

Nachdem der erste Schock überwunden ist, stürzt sie sich in das lang geplante Physikstudium. Nach sechs unglücklichen Wochen steht sie vor der Frage: „Äthiopien oder dieses Physikstudium?“ Die Entscheidung ist schnell gefällt. Der neue Plan: Den Öko-Tourismus in Äthiopiens Choke-Bergen fördern und damit den Menschen vor Ort eine Perspektive bieten. Die Kinder sollen zur Schule gehen, danach aber nicht auf der Suche nach Arbeit in die großen Städte abwandern müssen. Denn dort erwartet sie im Zweifelsfall ein Leben als Bettler oder Haushaltshilfe. Die Eco-Lodge, die Valerie mit ihrem Freund Abiy bauen will, soll ihr eigenes Zuhause werden, aber auch eine Möglichkeit, komfortabel die touristisch wenig erschlossenen Choke-Berge zu besuchen. Später sollen auch erneuerbare Energien in das Projekt integriert werden, Valerie plant ein Fernstudium im Bereich Energieverfahrenstechnik.

Gibt es etwas, das Valerie an München vermissen wird? Spontan fällt ihr nichts ein. „Ich bin Vegetarierin, deswegen kann ich Weißwürste nicht vermissen“, sagt sie und lacht. Außerdem sei das äthiopische Nationalgericht, der Sauerteigfladen Injeira, dem deutschen Sauerteigbrot gar nicht so unähnlich. Wenn es nur das Essen ist – Valerie ist mit dem Herzen schon gar nicht mehr so richtig hier.

Von: Jacqueline Lang

Foto: privat

München statt Mädchenkram

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Schluss mit dem eigenen Blog. Es lebe das eigene Blogazin. Antonia Wille, 26, Amelie Kahl, 21, und Milena Heißerer, 22, gehören zu Münchens bekanntesten Bloggern. Jetzt haben sie ein gemeinsames Projekt: „amazed“

Die drei jungen Frauen sind in der Fashion-Blogger-Szene fest etabliert. Jede von ihnen bloggt seit fünf Jahren und hat mehr als tausend Follower. Jetzt starten Antonia Wille, 26, Amelie Kahl, 21, und Milena Heißerer, 22, ein gemeinsames Projekt, sie gründen „amazed“ – ein Zusammenschluss, der das Ende für die jeweils eigene Plattform darstellt (Foto: Christoph Schaller).

SZ: Ihr zählt zu den bekanntesten Bloggerinnen Münchens und seid auch bei deutschlandweiten Ratings vorne dabei.Warum führt ihr eure Blogs nicht auch in Zukunft alleine weiter? Woher stammt eure Motivation zu der Fusion?
Milena Heißerer:
Jede von uns bloggt schon seit fünf Jahren. Das ist ganz schön lange. Wir haben gemerkt, dass wir auf der Stelle treten und dass unsere Ansprüche gewachsen sind. Jeden Tag zu bloggen zum Beispiel, aber das ist alleine nicht realisierbar. Das wollen wir ändern. Mit amazed, ein Blog mit einem richtigen Konzept, anders als bisher auf unseren Blogs.

Was wollt ihr? Mehr Leser?
Amelie Kahl:
Es geht uns nicht vorrangig darum, durch den Zusammenschluss mehr Follower zu gewinnen oder um Geld, sondern, dass wir mehr Content haben.
Milena Heißerer: Die Posts sollen sich verbessern, regelmäßiger sein. Mindestens einmal täglich ist unser Ziel. Man kennt es ja von seinem Lieblingsblog. Da wartet man immer auf einen neuen Eintrag – und ist enttäuscht, wenn man eine Woche warten muss, bis wieder was Neues da ist.

Was erhofft ihr euch außer regelmäßigeren Posts?
Antonia Wille:
Amazed soll ein sogenanntes Blogazin mit professionellem Konzept sein. Es wird die typischen Outfits-Posts geben, Posts aus dem Fashion- und Beauty-Bereich. Aber es wird auch Interviews und Porträts geben. Professionalität ist das Stichwort. Schon von Anfang an soll ein durchdachtes Schema bestehen, nicht wie bei den Blogs.
Amelie Kahl: Da hat sich das erst nach und nach entwickelt. Es ist wie nach dem Abitur in die Uni zu gehen.

Bitte?
Amelie Kahl:
Es ist ein Neuanfang. Wenn man sich ältere Posts anschaut, da waren wir teilweise 16 Jahre alt, merkt man einfach, dass man sich verändert hat. Man fühlt sich wie eine neue Person. Und für die soll es auch eine neue Plattform geben.
Milena Heißerer: Wir wollen einfach nicht der Vergangenheit nachhängen.

Was ist das Besondere?
Antonia Wille:
Für München existiert so etwas nicht. Es gibt nur Fashion- und Beauty-Blogs. Wir wollen mehr. Wir zeigen unsere Lieblingsorte. Stellen Münchner Designer und interessante Personen aus allen Bereichen vor. Wir wollen noch mehr den Fokus auf Mode und München legen.
Amelie Kahl: Damit wir mal beweisen, dass hier auch viel los ist und nicht nur in Berlin.
Milena Heißerer: Das Blogazin zeigt München aus unserer Sichtweise, was uns an der Stadt gefällt.

Aber es gibt ja schon viele Blogs, die sich mit München beschäftigen.
Milena Heißerer:
Anders als die anderen Seiten über München kommen wir aus der Modeblog-Ecke. Damit haben wir andere Schwerpunkte als zum Beispiel die Partyblogs, die über die Stadt herrschen.
Antonia Wille: Wir heben uns durch längere, intensivere Texte ab, wie es vielleicht fürs Internet ungewöhnlich ist.
Milena Heißerer: Außerdem wollen wir es sehr persönlich machen. Wir wollen unser München zeigen.

Was wollt ihr mit eurem Blogazin erreichen?
Amelie Kahl:
Wir wollen damit nicht die Welt verändern. Amazed ist für Leute, die uns kennen und Spaß an schönen Dingen haben.
Antonia Wille: Wir wollen regelmäßiger, besser und durchdachter posten.
Milena Heißerer: Und vielleicht gewinnen wir so neue Leser, die unsere Ästhetik teilen.

Amelie und Milena, ihr habt schon einmal gemeinsam einen Blog geführt, aber Zwillingsgestirn ist recht schnell eingeschlafen. Warum sollte das mit amazed nicht ähnlich ablaufen?
Amelie Kahl:
Wir unternehmen viel miteinander. Deswegen haben wir oft über das Gleiche geschrieben. Viele Leser haben sich deswegen beschwert, dass sich die Einträge ähneln. Zwillingsgestirn haben wir 2009 gestartet, da hatten wir nur den Anspruch, einen Platz für uns beide zu haben, indem wir nur teilen, was wir gemeinsam erlebt haben. Doch es hat gezeigt, dass es schwierig ist, zwei Blogs gleichzeitig zu betreuen. Eine Sache kommt zu kurz. Deswegen führen wir unsere Blogs nicht mehr weiter, sondern ziehen um.

Wie unterscheidet sich euer Zusammenschluss von dem Trend der Bloggernetzwerke, die momentan überall im Internet auftauchen?
Milena Heißerer:
Wir sind kein Netzwerk, da führen andere eher ihren eigenen Blog weiter, erreichen mehr Leser und haben eine höhere Reichweite. Sie ändern nicht ihr Konzept.
Antonia Wille: Wir bündeln unsere Kräfte und ziehen etwas komplett Neues auf. Wir sehen uns eher als Blogger-Team.

Wenn dieses neue Konzept nicht akzeptiert wird, kehrt ihr dann zu euren alten Blogs zurück?
Amelie Kahl:
Es wird kein Scheitern geben. Selbst wenn wir weniger Leser haben sollten, ist es für uns angenehmer, so weiter zu machen.
Milena Heißerer: Zurückgehen geht nicht. Wir wollen mit amazed nicht reich oder berühmt werden, sondern eine neue Plattform für unsere Texte und Fotos haben.

Das Blogazin von Antonia Wille, Amelie Kahl und Milena Heißerer findet man seit Sonntag unter www.amazedmag.de.