Wenn man als eingefleischte Münchnerin in die Welt zieht zum Studieren, erwartet einen immer der eine oder andere Kulturschock. ‘Unheimlich kurvig, dafür mit den schönsten Blumen am Wegrand’ – So vergleicht unsere Autorin den American Dream mit unserem Streben nach einem möglichst geradlinigen Lebenslauf.
Mit dem amerikanischen Traum ist es schon so eine Sache. Da war ich tatsächlich an meiner Traum-Uni gelandet und wollte jeden Eukalyptusbaum auf dem weitläufigen Campus mit den vielen Eichhörnchen umarmen. Bis ich dann zum ersten Mal vor dem VWL-Gebäude stand. Baufällig, nicht erdbebensicher, die meisten Hörsäle fensterlos.
Ich habe mich trotzdem in dieses Gebäude reingetraut, für den amerikanischen Traum muss man wohl flexibel sein. Drinnen: Forschungsseminare mit indischem Mittagessen inklusive und jeden Mittwoch Kekse für alle – das wäre doch auch was für die LMU! Dazu noch ein paar extra reservierte Parkplätze für Nobelpreisträger und wir könnten endlich wirklich mit den amerikanischen Unis mithalten.
Auch an Kurse mit acht Teilnehmern könnte ich mich glatt gewöhnen. Vor allem, wenn der Professor mit Leidenschaft Witze über Kollegen reißt, während er einen großen griechischen Buchstabensalat an die Tafel malt. Außerdem wird er sein Fahrrad hoffentlich bald auf einem der ganz besonderen Parkplätze für Nobelpreisträger abstellen, auch das sorgt für besondere Spannung. „Und jetzt zeige ich euch, wie manche Kollegen eine Studie aufziehen, wenn sie unbedingt weiterhin daran glauben wollen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden“, sagt er in der letzten Vorlesung mit trockenem Unterton. So ein Einblick in die unterste Schublade der Wissenschaft ist selten. Aber umso lehrreicher.
Draußen auf dem Campus sind die Studenten im Grunde nicht spannender, wenn auch etwas nerdiger als die an der LMU. Football, das neue iPhone, der Taco Tuesday, wer mit wem und wie oft auf dem letzten Backpacking-Trip durch Europe, das nächste iPhone – alles beliebte Themen auf dem Campus. Bemerkenswert war das Motivationslevel. Wollen wir uns den ganzen Tag zusammen im Büro verbarrikadieren, um das Übungsblatt zu lösen? Na klar.
Abseits der Uni habe ich Menschen getroffen, die so herzlich gerne bereit waren, mir ihr San Francisco zu zeigen: Den schönsten Blick auf die Golden Gate Bridge, das beste Sushi, den verblüffendsten Wald mitten in der Stadt oder die verrückteste Schwulenbar – all das hätte ich alleine wohl gar nicht entdeckt.
Doch neben 1000 Fotos haben sie mir auch eine neue Lebenseinstellung mit nach Hause gegeben. Denn der amerikanische Traum verträgt sich nicht mit dem in Deutschland so hoch gelobten geradlinigen Lebenslauf. Die kalifornische Unbekümmertheit will ich mir auf jeden Fall abgucken. Dazu die Fantasie des alten Freundes, der jedes Jahr eine halbe Million Weihnachtslichter in seinem Garten aufbaut. Und die Coolness des neuen Bekannten, der erst als Tontechniker, dann als Rollschuhverkäufer gearbeitet hat und jetzt Käseexperte ist.
Mittlerweile bin ich zurück in München und muss meine Tüten im Supermarkt wieder selbst packen. Aber ich weiß jetzt: Es läuft vielleicht nicht immer alles geradeaus im Leben, sondern – zum Glück – manchmal auch wie die Lombard Street in San Francisco. Unheimlich kurvig, dafür mit den schönsten Blumen am Wegrand.
Text: Katharina Hartinger
Foto: Privat