Fragen über Fragen – Vera Flück

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“Denkt man wirklich, braucht man
das „Gesichtsgulasch“ nicht zu machen“ – sagt Schauspielerin Vera Flück, eine der 20
Mitwirkenden unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen. Wir
haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?
Bis jetzt, kein Problem. Manchmal gab es kurze Momente, in denen ich gerade
nicht wusste, was ich noch an Posen, Blicken etc. anbieten soll. Aber diese
kurzen Momente kenne ich bereits aus meinem Alltag auf der Bühne.

Hat das Mut
erfordert?
Nicht wirklich.

Bist du auch mal in
andere Rollen geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir kennengelernt?
Eigentlich nicht. Bei allen Shootings war ich als Persönlichkeit gefragt,
deswegen habe ich nicht versucht in andere Rollen zu schlüpfen oder von mir
abzuweichen.

Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?
Interessant fand ich das Shooting mit Milena. Ich saß alleine in einer
beleuchteten Box und musste mich, auf eine mir unbekannte Zeit, durch einen
Spionspiegel betrachten. Milena war außerhalb der Box und hat mich durch den
Spionspiegel fotografiert. Das war vor allem spannend, weil ich mich noch nie
so lange in einem Spiegel betrachtet habe. Es ist verrückt, was ein einziger
Gedanke in deinem Gesicht verändert. Das ist ja auch ein Bestandteil des
Schauspiels: Denken alleine formt die Mimik. Denkt man wirklich, braucht man
das „Gesichtsgulasch“ nicht zu machen.
Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich in der Box saß. Ich glaube so 40 Min.
Auf jeden Fall hat das Shooting eine hohe Konzentration erfordert. Ich glaube
so lange habe ich mich noch nie auf nur eine Sache konzentriert.

Bist du auch mal an Deine
Grenzen gestoßen?
Nein.

Brauchen
wir mehr Vernetzung in München?

Da ich in München meistens nur in meinem
Schauspielkosmos unterwegs bin und eigentlich total auf Erfrischungen stehe: unbedingt!

Foto: Milena Wojhan

Zwischen Clown und Krankenhaus

Was es bedeutet, sich in München als junge Schauspielerin zu behaupten: Vera Flück, 23, und Mona Vojacek Koper, 24, sind begeistert von der Theaterlandschaft, fragen sich aber manchmal, ob ein sozialer Beruf nicht doch besser für sie wäre.

Auf der Bühne der Kammer 3 steht nur diese Tür. Mona Vojacek Koper tritt durch sie auf, wieder und wieder. Sie mimt in „Push Up 1 – 3“ eine Geschäftsfrau Ende 20: weiße Bluse, hohe Schuhe, Kaffee in der Hand. Anfangs versprüht diese Figur gute Laune, Professionalität, doch langsam wandelt sich Monas Spiel. Man merkt: Da steckt jemand fest in einer Lebenskrise. Einbauschränke und Einsamkeit, und das mit 28. Mit jedem neuen Auftreten durch die Tür steigert sich so der Grad der Verzweiflung. Als ihr Monolog zu Ende ist, bekommt Mona vom Münchner Publikum einen intensiven Applaus.

Dieses Vorspiel beim sogenannten Intendantenvorsprechen ist einige Monate her, im Sommer ist Mona fertig mit ihrer Ausbildung. Wie hat sie die Zeit in München als Schauspielstudentin erlebt? Und was bedeutet es, sich in dieser Stadt als junge Schauspielerin zu behaupten? Überall auf der Welt gibt es junge, talentierte Schauspieler mit großen Plänen und Visionen. Meist ist es ein kräftezehrender Kampf, bis es diese aufstrebenden Künstler so weit geschafft haben, dass sie ihr Leben ausschließlich vom Schauspiel finanzieren können. Bei kaum einem Beruf klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie hier. Wie verhält es sich damit in München? Hat man als junger Schauspieler hier vielleicht eher Existenzängste als anderswo? Und ist München generell eine attraktive Stadt für junge Künstler? 

Ein Treffen mit den beiden jungen Münchner Schauspielerinnen Vera Flück, 23, und Mona Vojacek Koper, 24 – beide Schauspielstudentinnen an der Otto-Falckenberg-Schule. Um sich ein genaueres Bild von den zwei Schauspielerinnen machen zu können, lohnt ein Blick in die jeweilige Zeit vor dem Schauspielstudium der beiden. Für Vera ist die Schauspielerei eine Art Lebenstraum. Seit sie denken kann, möchte sie in diesem Beruf arbeiten. „Ich war schon immer der Klassenclown und es war schon früh eine Leidenschaft von mir, Menschen zu beobachten und mir deren Welten zusammen zu spinnen“, sagt sie. Weil sie jedoch mit 15 schon mit der Schule fertig war, wollte sie zunächst etwas „Anständiges“ machen. Vielleicht auch etwas, auf das sie zurückgreifen kann, sollte es mit dem Lebenstraum Schauspiel nicht funktionieren? Vera absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester in ihrer Heimat Bern und arbeitete auch eine Zeit lang in diesem Beruf. „Da lernt man Menschen unverblümt kennen, das empfinde ich als wichtige Erfahrung“, sagt sie. Der Schauspielberuf und das Krankenschwesterdasein – zwei Beschäftigungen, die sich nicht unbedingt ähnlich sind. Doch was sind hier die größten Differenzen bei den Arbeitsbedingungen? Neben den geregelten Arbeitszeiten, sei es insbesondere der Kontakt mit Menschen, den sie im Krankenhaus hatte, sagt Vera. „Da gab es eine größere soziale Komponente als beim Schauspiel. Ich habe dort gesehen, dass ich als Mensch etwas Gutes tue.“ Das sei ein Teil ihres Berufs gewesen, den sie zu Beginn des Schauspiel-Studiums zunächst vermisst habe, erinnert sich Vera. 

Bei Mona war es ganz anders. Sie entdeckte ihre Liebe zum Schauspiel erst später. „Als dann aber mein Wunsch entstanden ist, hatte ich eigentlich keinen Plan B. Ich dachte mir damals: Entweder das klappt jetzt, oder ich geh halt noch einmal auf Weltreise“, sagt Mona und lacht. Zunächst sei sie eher naiv und arglos an die Schauspielerei herangegangen. Erst im Laufe des Studiums habe es sich ihr erschlossen, was der Schauspiel-Beruf wirklich für sie bedeutet. Mona hat ursprünglich viel im Bereich Tanz gearbeitet. Das sieht man ihr auch an: Kerzengerade sitzt sie da, die Beine im Schneidersitz verschränkt. Hin und wieder dehnt und streckt sie ihre Arme. Noch während den Nachwirkungen einer schweren Knieverletzung hat sie sich 2013 an der Otto-Falckenberg-Schule beworben. Ging mit Krücken zum Vorsprechen. Und wurde genommen.

Trotz Passion und Traum-Berufsziel scheinen beide Frauen den Schauspielberuf auch hin und wieder zu hinterfragen. Mona gibt zu, dass sie sich manchmal die Frage nach dem Zweck und Nutzen des Berufs stellt. So habe sie gelegentlich auch Zweifel, ob das alles nicht zu „leer“ für sie sei. Dass ein sozialer Beruf nicht vielleicht doch der bessere Weg für sie wäre. In diesen Gedankengängen sind sich die beiden Münchnerinnen sehr ähnlich. „Ich frage mich manchmal, ob ich meine Energie nicht besser für etwas nutzen könnte, was Menschen direkter etwas bringt“, sagt auch Vera.

Trotz der Zweifel und den immer wiederkehrenden Existenzängsten sind Vera und Mona ihrem Ziel auf der Spur. Ein Beruf und ein Leben im – nicht immer einfachen – Kulturbereich und Theaterbetrieb. Sie wissen, worauf sie sich einlassen, und scheinen jegliche unrealistischen Träumereien hinsichtlich des Schauspielberufs abgelegt zu haben. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – sind sie ihrem Berufsziel treu geblieben. Sie brennen für die Bühne, wollen Dinge erreichen und anpacken. Denn ihnen ist klar, dass man mit Schauspiel im besten Falle Menschen auch berühren kann.

Wie steht es mit München? Kann man sich hier verwirklichen? „Mir ist München zu wenig bunt“, sagt Vera und meint damit insbesondere die Subkultur dieser Stadt. Außerdem hätten Vera und Mona anfangs Mühe gehabt, sich hier einzuleben. Was daran lag, dass das erste Bild, das beide von München hatten, größtenteils aus dem Flair der Maximilianstraße bestand – hier liegt die Otto-Falckenberg-Schule. Die Theaterlandschaft Münchens sei jedoch großartig, da sind sie sich auf Anhieb einig. Auch Leonard Hohm, 26, Schauspieler aus München, ist da gleicher Meinung: „München ist eine ganz tolle Stadt voller Möglichkeiten. Dass viele immer so drauf schimpfen, verstehe ich nicht. Zwar hat die Stadt einen anderen finanziellen Druck und kulturellen Anspruch, aber das alles kann auch dazu führen, seinen Arsch hoch zu bekommen. In München gibt es zwar weniger Leute in der freien Szene als in Berlin, aber dafür habe ich hier tausend Möglichkeiten, etwas auf die Beine zu stellen.“

„Im Gegensatz zu Berlin finde ich es in München schön, dass alles so übersichtlich ist“, sagt Mona. „Ich habe das Gefühl, ich weiß, was es hier für freie Gruppen gibt und was so an den Theatern gespielt wird.“ Die kleine, überschaubare freie Szene Münchens also mal nicht als Makel, sondern als Vorteil? Vera ist davon überzeugt: „Hier in München hat man das Gefühl, man kann noch etwas bewirken, in Berlin hast du ja schon alles. Man muss es halt machen.“ Auch Kjell Brutscheidt, 21, der an der Theaterakademie August Everding Schauspiel studiert, sieht es ähnlich: „München ist schon eine attraktive Stadt für Schauspieler, allein wegen der drei großen Theater – Resi, Kammerspiele und Volkstheater. Und durch den Sitz der Bavaria und der Hochschule für Fernsehen und Film gibt es sogar die Möglichkeit, im Bereich Film neue Leute kennenzulernen und Verbindungen aufzubauen“, sagt er.

Kjell, Leonard, Vera und Mona sind momentan auf einigen Fotos der Ausstellung „10 im Quadrat“ der Junge-Leute-Seite im Farbenladen des Feierwerks zu sehen. Ein Ziel dieser Ausstellung war es, junge Münchner Fotografen und Künstler untereinander zu vernetzen. Wie wurde nun dieses Projekt von den drei Schauspielern wahrgenommen? „Ich bin ein großer Fan von Crossover“, betont Mona. Durch dieses Projekt habe sie auch erstmalig die vielen jungen Fotografen Münchens kennengelernt. Was sie künstlerisch so machen und auch wo diese am Wochenende gerne feiern gehen. Eine weitere positive Horizonterweiterung also, in gewisser Hinsicht. Auch Kjell gefällt das: „In München oder im Studium, so war es jedenfalls für mich, ist es relativ schwierig, andere Leute aus theaterfremden Bereichen kennenzulernen. Durch den vollen Stundenplan, besonders in den ersten beiden Jahren, ist man von morgens bis abends fast nur in der Akademie und somit in seiner eigenen kleinen Welt. Mir hat es echt gut getan, mal mit nicht theaternahen Leuten zu arbeiten, zu sehen was die so machen. Das hat Spaß gemacht.“

Text: Ornella Cosenza, Carolina Heberling und Amelie Völker

Fotos: Josef Beyer, Regine Heiland

Von Matratzenlagern im Audimax und Zelten im Englischen Garten

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Im Farbenladen wurde am Samstag lebhaft über das Thema Wohnungsnot in München diskutiert. Umrahmt wurde die anregende Podiumsdiskussion von zwei Konzerten der Singer/Songwriter Alisha Prettyfields und Chuck Winter.

Das hatte etwas familiäres. Gerade noch schlenderten die Besucher gemeinsam und doch jeder für sich durch den Raum. Als man dann aber mit der Anmoderation beginnen will, verteilen sich alle wie auf ein Zeichen hin auf die Sitzmöglichkeiten an den sonnendurchfluteten Fenstern. Einige machen es sich im Schneidersitz bequem. Zusammen lauschen die eben noch durch den
Ausstellungsraum wandernden Gäste den Sprechern.

Das Abendprogramm der Ausstellung „10 im Quadrat“ beginnt an diesem Samstag mit einem kurzen Künstlertalk. Jean-MarcTurmes und Vera Flück berichten von ihrer Arbeit als Künstler oder Model. „Mich selbst als Person auf den Bildern zu verkörpern hat mir eigentlich keine Schwierigkeiten bereitet. Ob ich nun eine Figur auf der Bühne spiele, oder für einen Fotografen Model stehe, ein Teil von mir lässt sich immer in den Rollen wieder finden“, erklärt die junge Schauspielerin Vera Flück.

Es folgt ein Auftritt der Singer-Songwriterin Alisha Prettyfields. Mit ihrer Darbietung gelingt es der Münchnerin eine sehr gefühlvolle und intime Atmosphäre zu schaffen. Jeder scheint in seine eigene Gedankenwelt abzuschweifen.

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Die Moderatorinnen Laura Schurer und Antonia Franz leiten über zur Diskussionsrunde Münchner Unimagazine.Thema ist das allseits bekannte Wohnproblem der Stadt. Was denken junge Studenten darüber? Welche Opfer kann und will man bringen, nur um hier eine Wohnmöglichkeit zu bekommen? Gibt es Tipps um die Wohnungssuche im überteuerten München zu erleichtern? Wo liegen Schmerzgrenzen? „Wenn man ein bestimmtes Maß der Verzweiflung erreicht hat, würde man wohl vieles auf sich nehmen, nur um in der Stadt wohnen zu können“, meint Carola Schulz von der Campus Zeitung.
Zustimmendes Nicken geht durch die Runde. Das Gefühl ist jedem bekannt. „Man kennt die skurrilsten Fälle. Angefangen mit Angeboten für fensterlose Kellerzimmer, bis hin zu Anfragen für „offene Wgs“, wo Nacktheit unter Männern auf der Tagesordnung steht“, fügt Autorin Elina des Studentischen Magazins Nomen Nominandum hinzu.

Die beiden Studentinnen diskutieren noch lange mit ihren Kollegen von Unikat, Philtrat und Cogito. Es werden utopische Wohnideen entwickelt. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Vom Matratzenlager im Audimax bis hin zum Sommerzeltlager im Englischen Garten werden alle Hirngespinste ironisch diskutiert. Mit einem etwas realistischeren Blick werden alternative Wohnformen betrachtet. Alle sind sich einig: Man würde viel dafür tun, um sich einen Münchner nennen zu können. Aber warum das alles? Wieso Stress, Kosten und Anstrengung für eine Schuhkarton-Wohnung oder ein Kellerapartment investieren? „München ist einfach großartig! Die Stadt hat ein gewisses Feeling. Der Englische Garten, die LMU – einfach viele verschiedene Dinge, die das Leben hier einzigartig machen“, meint eine der Diskutierenden und schließt somit die Talkrunde mit einem positiven Statement.

Geteiltes Leid, eine Situation und ein Problem, wovon so gut wie alle Münchner Studenten betroffen sind. Doch das schweißt zusammen. Draußen wird noch eifrig weiter diskutiert. Bei einer Zigarettenpause erzählen Besucher und Veranstalter weitere Geschichten über komische Wohnangebote und monströse Mietkosten.

Nach der kurzen Unterbrechung tritt Chuck Winter in die Mitte des Raumes. Nach nur wenigen Minuten scheint jegliche Anspannung und getrübte Diskussionsstimmung verflogen. Der Sound des jungen Musikers erfüllt die gesamte Ausstellung und man erfreut sich an unterschiedlichen
Songs und der krönenden Premiere seiner neuen Single.

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Text und Fotos: Anastasia Trenkler

Wider den Weltuntergang – so war der zweite Sonntag im Farbenladen

Während draußen zeitenweise die Welt mit dem Untergang droht, trotzen die Musiker von Flonoton dem großen Unwetter. Und siehe da: während der anschließenden Diskussionsrunde mit Münchner Bloggern kommt schon wieder die Sonne hervor.

“Ich
wollte neue Leute kennenlernen.” Das antwortet Vera Flück wie aus der
Pistole geschossen auf die Frage, warum sie denn als Model für die “10 im
Quadrat”-Ausstellung zugesagt habe. Genau dieser Wunsch scheint in
Erfüllung gegangen zu sein. Models und Fotografen begrüßen und verabschieden
sich mit Umarmung, stehen in den Pausen des Rahmenprogramms wie alte Freunde im
Kreis vor der Tür des Farbenladens.

Dabei
ist es keine Selbstverständlichkeit, bei solch einem fotografischen Experiment
mitzumachen. Denn zur Fotografie gehört auch die Aktfotografie. Und sich nackt
vor der Kamera zu präsentieren ist nicht jedermanns Sache. Vor allem bei
Models, die es normalerweise nicht gewöhnt sind, vor der Kamera zu posieren.

Das
weiß auch Amelie Satzger. Für ihr Projekt hat sie die Fotos der zehn Models zu
einem großen Gesamtkunstwerk zusammengebastelt. “Ich wollte schon immer
ein Gruppenbild machen”, sagt die Fotografin, die sich abseits der
Ausstellung meist selbst porträtiert. So entstand das Wimmelbild, auf dem man
die Models nackt schlafend eingehüllt in Teppiche sieht. “Ich habe alle
gefragt, wie weit sie gehen wollen”, antwortet Amelie, als sie Moderatorin
Katharina Hartinger fragt, wie sie die Models an das Thema Nacktheit
herangeführt hat. Wollte ein Model bestimmte Körperteile nicht zeigen, wurden
diese eben von einem Teppich verdeckt. Model Mona Vojacek Koper honoriert diese
Herangehensweise. Sie habe genau gewusst, was sie beim Shooting erwartet,
“ich fand das sehr ästhetisch, ich habe Amelie vertraut”.

Während
die Künstler sprechen, gewittert es. Weltuntergangsstimmung, Erinnerungen an
Alisha Gamischs Geschichte vom Vortag kommen auf. Der Platzregen wäre
Singer-Songwriter Flonoton beinahe zum Verhängnis geworden. Nur noch halbwegs
trocken schafft er es in den Farbenladen. Doch als wäre nichts gewesen, steht
er im nächsten Moment schon auf der Bühne und singt fröhliche, dem Hip Hop
ähnliche Songs gepaart mit leisen Herzschmerz-Balladen – und das komplett
akustisch.

Unterstützt
wird er dabei von Sängerin Ama Pola und dem “trommelnden Tobi” an der
Cajon. In familiärer Atmosphäre unterhält er sich zuerst mit seiner Band, dann
mit dem Publikum, dann wieder mit seiner Band – und widmet selbiger gleich
darauf sogar ein Lied. Es ist eins der fröhlicheren.

Als
die letzten Töne von Flonotons Gitarre verklingen, beginnt zum Abschluss des
Programms eine Gesprächsrunde. Auf Bierkästen in Halbkreis sitzend stellen sich
sechs Münchner Blogger und Moderatorin Katharina Hartinger die Frage
“München, bist du so lahm oder tust du nur so?”. Eine Frage, die
unter jungen Münchner Kunstschaffenden in letzter Zeit zum heißen Thema
geworden ist, spätestens seit der Inhaber des Plattenlabels “Schamoni
Musik” die Stadt München für ihr uncooles Image verklagt hat.

Und
als sei es Leidthema Nummer eins, beginnt auch die Diskussion der Münchner
Blogger direkt mit dem Thema “Musik”. “Seit das Atomic Café
geschlossen hat, sind Konzerte sehr unpersönlich”, kritisiert Itje
Kleinert, Autorin des Musikblogs “Tuneart”. Und auch in der Szene der
elektronischen Musik hinkt München hinterher. Zwar gehöre München zu den
Keimzellen elektronischer Musik, so Sascha Walk vom “Blog in Orange”,
doch das “ist schon eine Weile her. Die Clubs haben sich nicht in die
Breite entwickelt. Die Clubbetreiber spielen immer noch die gleiche Musik wie
vor 20 Jahren”, ergänzt Yana Matrosova vom TunefulBlog, “Konzepte,
die in ganz Deutschland etabliert sind, werden in München abgelehnt.”

Andere
Blogger hingegen sehen das Problem nicht bei den Kunstschaffenden, sondern bei
den Münchnern selbst. Regina Bruckschlögl vom Munichmag kritisiert:
“Münchner müssen ein bisschen mehr rausgehen. Subkultur nutzt nichts, wenn
keiner hingeht”, und Nadine Miller von Untypisch München fordert:
“München muss offener sein”.

Ein
bisschen mehr Offenheit wünscht sich auch Sascha Walk. Er bemerkt eine starke
Fragmentierung Münchens in verschiedene Interessensgruppen, “deshalb sieht
man auch immer wieder die gleichen Leute”. Eine Grüppchenbildung
beobachtet auch Nina Vogl. “Leute stehen drauf, wenn’s um ihr Viertel
geht”, sagt sie. Das sei anders als in Hamburg oder Berlin, wo es auch
Ableger ihres Blogs “Mit Vergnügen” gibt.

Doch
die Blogger sehen auch gute Seiten an München. Als Subkultur-Förderer fallen
Namen wie das Feierwerk, die Milla, das Container Collective am Ostbahnhof und
das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft, das von der Stadt selbst
initiiert wurde. Auch lobt Nadine Miller: “München macht mit der
Zwischennutzung viel Gutes, das muss man den Leuten hoch anrechnen”.

Und
auch als in der Schlussrunde die Frage “Wenn Freunde zu dir nach München
kommen, wohin nimmst du sie mit?” im Raum steht, fällt jedem der Blogger
sofort etwas ein, worauf er an seiner Stadt stolz ist. “München hat eine
schizophrene Persönlichkeit”, meint Sascha Walk. An der Oberfläche sieht
man nur die Schickeria, “aber München kann viel mehr. Doch das versteckt
sich”.

Text und Fotos: Max Mumme

Übers Pfadfinden zur Schauspielerei

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Täglich porträtieren wir an dieser Stelle eine(n) der 20 mitwirkenden
KünstlerInnen unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen – mal
Fotograf, mal Modell. Heute: Schauspielerin Vera Flück.

Vera
Flück, geboren 1994, hat ein Hobby, das man auf den ersten Blick nicht
von ihr erwarten würde: Sie ist leidenschaftliche Pfadfinderin. Doch
derzeit kann sie diese Tätigkeit nicht ausführen. Denn seit 2014
studiert sie Schauspiel an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Und
ihre Pfadfinder-Abteilung befindet sich in ihrer früheren Heimatstadt
Bern in der Schweiz.

Seit sie denken kann, möchte Vera
Schauspielerin werden. Sie sagt: „Ich war schon immer der Klassenclown
und es war schon früh eine Leidenschaft von mir, Menschen zu beobachten
und mir deren Welten zusammen zu spinnen.“ Vera hat jedoch auch schon
eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit (Krankenschwester) gemacht und
eine Weile in dem Beruf gearbeitet. „Da lernt man Menschen unverblümt
kennen, das empfinde ich als wichtige Erfahrung“, sagt sie dazu. Bis
November 2017 ist sie noch in „Klein Zaches, mein Zinnober“ nach E.T.A
Hoffmann (Regie und Textfassung: Wiebke Puls) an den Münchner
Kammerspielen zu sehen.

Die Ausstellung “10 im Quadrat” ist an allen Wochenenden im Mai, samstags von 16 – 22 Uhr, sonntags von 16 – 20 Uhr, im Feierwerk Farbenladen geöffnet. Neben den Fotografien werden Konzerte, Lesungen und Diskussionen veranstaltet. Für weitere Infos klickt unsere Junge-Leute-Facebookseite.
Der Eintritt ist frei.

Text: Amelie Völker    

Foto: Milena Wojhan

Wenn aus Reibung Kunst wird

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Für die Farbenladen-Ausstellung „10 im Quadrat“ bringt die Junge-Leute-Seite zehn junge Fotografen mit zehn jungen Künstlern zusammen, die regelmäßig auf Bühnen stehen – ein Experiment.

Sie balanciert. Amelie Satzger steht in einer weiten, gelben Hose auf der obersten Sprosse einer Leiter, hält eine Kamera fest. „Du musst auf dem Teppich bleiben“, sagt sie freundlich, aber bestimmt. Unter ihr liegt Kilian Unger, als Musiker bekannt unter dem Namen Liann. Er wird an diesem Tag fotografiert. Oberkörperfrei, in verschiedene bunte Teppiche gehüllt. Viele Anweisungen hat die junge Fotografin ihrem Model vor dem Shooting nicht gegeben. Nur so viel: Er soll seine Augen geschlossen halten und sich in seine normale Schlafpose legen. 

Das klingt einfach. Doch Kilian ist kein Model. Er ist Musiker, steht für gewöhnlich mit seiner Gitarre vor Publikum, hat sich bisher nicht so oft fotografieren lassen, schon gar nicht mit nackter Brust. Gemeinsam mit neun anderen jungen Künstlern, die regelmäßig auf Bühnen stehen, hat er sich auf Einladung der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung nun dennoch vor die Kamera getraut. Für die SZ-Ausstellung „10 im Quadrat“ hat Liann sich von zehn aufstrebenden Fotografen ablichten lassen. Sie alle sind zwischen 17 und Ende 20, kommen aus München und sind genau wie ihre Models gerade dabei, sich zu professionalisieren.

Die Idee hinter der Ausstellung: Wer sind eigentlich die jungen Künstler dieser Stadt? Wer kennt wen? Wie nimmt man einander gegenseitig wahr? Die knapp 100 Fotos, die aus diesen Begegnungen entstanden sind, gibt es von Samstag, 6. Mai, an im Farbenladen des Feierwerks zu sehen.

Auch Amelie Satzger stellt dort ihre Fotos aus: Die Bilder der zehn Models hat sie später zu einer großen Collage zusammengefügt. So ist eine farbintensive Liegewiese entstanden, in der der Betrachter die scheinbar Schlafenden entdecken kann. „Wir Künstler werden von der Gesellschaft oft als Träumer gesehen“, sagt Amelie. Sie überträgt das Klischee des Träumers in ihr Bild – und versucht es zugleich zu hinterfragen. Künstler hätten schließlich anderes zu tun, als wirklichkeitsfernen Träumereien nachzujagen. Die verschiedenfarbigen Flicken ihres Teppichs stehen so auch für die unterschiedlichen Ideen und Projekte ihrer Models. Da gibt es neben Liann etwa Leonard Hohm. Er ist Synchronsprecher und Schauspieler, derzeit ist er in „Die Räuber“ von Friedrich Schiller am Residenztheater zu sehen. Oder Felicia Brembeck alias Fee, Münchens bekannteste Poetry-Slammerin. Sie alle machen komplett verschiedene Dinge, bewegen sich in unterschiedlichen Szenen dieser Stadt.

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Doch was passiert, wenn Künstler auf Künstler treffen? Wenn vor wie hinter der Kamera jemand steht, der eine eigenständige ästhetische Vorstellung hat? Klar, da gibt es auch mal Reibung, Schwierigkeiten. Korbinian Vogt hat die Künstler beispielsweise als Teilakt vor die Kamera gebeten. Und das an ungewöhnlichen Orten: In der Uni, im Park. An Plätzen also, an denen man nicht alleine ist. Wo vielleicht Leute stehen bleiben, zusehen. „Akt beziehungsweise alleine das Zeigen von Haut ist immer noch ein Problem. Es zeigt einen Menschen ohne den Schutz, den er durch Kleidung bekommen kann. Er fühlt sich in diesen Momenten oft verletzlich. Das so zuzulassen ist schwer“, sagt Korbinian. Da musste er erst einmal Vertrauen schaffen.

„Sich fotografieren zu lassen, erfordert immer ein wenig Mut. Gerade wenn der Fotograf erst mal ein Fremder ist“, gibt Musikerin Mola zu. Model-Kollegin Rosa Kammermeier sieht das ähnlich: „Es war etwas ungewohnt, so oft fotografiert zu werden.“ Rosa ist Musikerin, tritt für gewöhnlich mit ihrem Musikerkollegen Julian Riegl unter dem Namen Blue Haze auf. Für die Fotos hat sie einiges von sich preisgegeben, so etwa beim Shooting mit Milena Wojhan. Die Fotografin hat ihre Models in eine kleine Box gesetzt, an einer Seite ein so genannter „Spionagespiegel“, wie man ihn aus Fernsehkrimis kennt. Wer von außen reinschaut, sieht den anderen. Doch wer selbst in der Box sitzt, blickt seinem Spiegelbild entgegen. Und das auf unbestimmte Zeit. Schauspielstudentin Vera Flück erinnert sich an das Shooting: „Ich habe mich noch nie so lange in einem Spiegel betrachtet. Es ist verrückt, was ein einziger Gedanke in deinem Gesicht verändert“, sagt sie.

Als angehende Schauspielerin ist sie es gewohnt, sich anderen zu zeigen, eine bestimmte Rolle einzunehmen – bei den Rollenvorspielen ihrer Schule zum Beispiel, oder beim Livehörspiel von „Don Quijote“, das am Donnerstag, 4. Mai, in den Münchner Kammerspielen gezeigt wird. Doch so lange mit sich und dem eigenen Gesicht allein zu sein, sich selbst beim Denken zuzusehen, war auch für Vera ungewohnt. „Das ist ja auch ein Bestandteil des Schauspiels: Denken alleine formt die Mimik. Denkt man wirklich, braucht man kein Gesichtsgulasch zu machen.“

Einige Bildstrecken fordern diese Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit explizit heraus: Für Sophie Wanningers Foto musste jeder eine Grimasse schneiden, Julia Schneider hat allen eine Nudel ins Gesicht gelegt. Dass die von ihnen Porträtierten keine Profi-Models sind, schätzen beide sehr. „Professionelle Models haben oft schon zu sehr eingefahrene Posen, meistens geht es nicht um den Menschen dahinter, besonders, wenn man ein Lookbook fotografiert oder das Model etwas anderes präsentieren soll“, sagt Sophie. „Für diese Bildserie war es wesentlich einfacher, mit Künstlern zusammenzuarbeiten, da sie im Gegensatz zu professionellen Models nicht den Anspruch haben, in erster Linie vorteilhaft auszusehen“, stimmt Julia zu. Natürlich fühlt sich das anfangs albern an. Wie bitte posiert man mit einer Nudel im Gesicht? Aber gerade deshalb seien letztlich zehn sehr unterschiedliche Bilder herausgekommen: „Es hat Spaß gemacht, Leuten die Nudel ins Gesicht zu werfen. Erstaunlich war, dass die Künstler alles dafür gegeben haben, der Nudel ihre Präsenz streitig zu machen.“ 

Doch aus all diesen Fototerminen sind nicht nur Bilder entstanden. Sondern auch Gespräche, zum Teil Freundschaften. Viele Künstler sind sich bei den Shootings zum ersten Mal begegnet. „Ich kannte einige der Sänger vom Sehen, aber ich denke schon, dass es mehr Vernetzung bedarf“, sagt Michael Färber, „wir Fotografen sind manchmal ziemlich isoliert von anderen Künsten.“ Fotograf Jean-Marc Turmes resümiert: „Es gibt so viele nette Leute, die aber oft untergehen im Schall und Rauch der Gegenwart. Jetzt kennen wir uns und können uns gegenseitig unterstützen.“ 

Eine Viertelstunde ist vergangen, Kilian wirkt inzwischen weniger nervös, wie er dort so liegt, im Fotostudio von Amelies Hochschule zwischen den beiden Reflektorschirmen. Im Hintergrund läuft Musik, manchmal summt er die Melodien mit, dann muss Amelie wieder sagen: „Entspann deinen Mund.“ Doch nach ein paar neuen Schlafposen ist die Fotodesign-Studentin dann auch schon zufrieden. „Das war definitiv das entspannteste Foto-Shooting bis jetzt“, sagt Kilian hinterher.

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Hier gibt es einen kurzen Vorgeschmack in Form eines Making-of-Videos der Fotografin Julia Schneider zu sehen. 

Und hier könnt ihr Euch einen Überblick über die teilnehmenden Fotografen machen. 


Text: Carolina Heberling und Amelie Völker

Fotos/Zeichnung: Amelie Satzger